Das "Liechtensteiner Volksblatt" berichtet über den Prozess gegen die Putschisten (III)
Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1] 22.1.1946 Der Hochverratsprozess Bericht über die letzte Verhandlung im Beweisverfahren infolge der Ereignisse vom 24. März 1939 Freitag, den 18. Jänner, nachmittags, begann die letzte Sitzung des Beweisverfahrens im Strafprozess mit der Zeugeneinvernahme des Herrn Dr. Rudolf Kopf aus Bregenz, damaliger Landesstatthalter von Vorarlberg. Nach Feststellung der Personalien ersuchte der Vorsitzende, Herr Dr. [Armin] Wechner, den Zeugen um Bericht über alles Wissenswerte betreffend die Ereignisse vom 22. und 24. März. Dr. Kopf führte dann aus, dass er an einem jener Tage, das genaue Datum sei ihm entfallen, von der Bezirkshauptmannschaft in Feldkirch telephonisch informiert worden sei, dass etwas gegen Liechtenstein im Gange sei. Rund eine halbe Stunde später sei er dann von einer ihm unbekannten Person aus Feldkirch neuerlich angerufen worden, und teilte ihm diese Person mit, dass gegen das Fürstentum Liechtenstein etwas im Gange sei und bat ihn, dagegen einzuschreiten. Landrat Dr. [Ignaz] Tschofen teilte dem Zeugen dann noch dienstlich mit, dass von Parteiformationen eine Attacke gegen Liechtenstein geplant sei. Im Einverständnis mit dem damaligen Landeshauptmann [Anton] Plankensteiner wurden dann von Dr. Kopf sofort alle Polizei- und Partei-Dienststellen aufgerufen und veranlasst, dass alle Schritte gegen Liechtenstein sofort abgebrochen werden. Darauf fuhr er sogleich nach Feldkirch zum Landrat und ersuchte diesen, die massgebenden Führer der Parteiformationen sofort herzubeordern. Es kamen dann jedoch nur deren Stellvertreter. Über die ihnen vorgelegte Frage, was sie gegen Liechtenstein vorhätten, wollte jedoch keiner etwas wissen. Schliesslich gaben sie doch zu, dass eine Aktion gegen Liechtenstein im Gange gewesen, schoben diese aber auf die Hitlerjugend ab, fügten aber noch bei, dass inzwischen diese Sache abgeblasen worden sei, besonders aber "die letzte Aktion" über telephonischen Aufruf der Bezirkshauptmannschaft unterblieben sei. In was diese "letzte Aktion" bestanden hätte, verrieten die Leute allerdings nicht. Dr. Kopf scheint sich auch sehr für die Drahtzieher und Hintermänner dieser Aktion in Liechtenstein selbst interessiert zu haben, doch ohne etwas in Erfahrung bringen zu können. Ebenso wenig gelang es Dr. Kopf, genau festzustellen, ob die Bereitschaftsstellung der Parteiverbände von Liechtenstein aus gewünscht oder organisiert worden war. Es war jedoch den Ausführungen des Zeugen zu entnehmen, dass er an Verbindungen zwischen den Putschisten in Liechtenstein und den Parteiformationen in Feldkirch nicht zweifelte. Landesstatthalter Dr. Kopf wusste auch, dass sich zur gleichen Zeit der damalige Sicherheitsdirektor [Alfons] Mäser (nicht Regierungsrat, wie es in unserem letzten Berichte hiess) in derselben Angelegenheit in Feldkirch weilte und versuchte, ihn dort zu treffen, doch leider ohne Erfolg. Dr. Kopf hat dann auch nachträglich nichts Neues mehr erfahren. Zwei Tage später kam dann vom Gauleiter [Franz] Hofer aus Innsbruck ein telephonischer Anruf an den Landeshauptmann Plankensteiner und Landesstatthalter Dr. Kopf, wo ihnen von Gauleiter Hofer vorgeworfen wurde, dass sie die Bereitschaftsstellung der Parteiformationen in Feldkirch gegen Liechtenstein inszeniert hätten und äusserte sich dieser auch dahin, dass sie mitunter als Folge hiervon von ihren Ämtern zurückzutreten hätten. Es war dies ein offenes Ablenkungsmanöver Hofers, da dieser klar wusste, dass weder Plankensteiner noch Dr. Kopf in irgendeiner Art und Weise an dieser Aktion beteiligt waren. Hofer war sehr erregt und musste einfach seine Sündenböcke haben, nachdem die geplante Aktion der Parteiformationen, von der er sicherlich gewusst hatte, zerschlagen worden war. Auf eine diesbezügliche Frage des Gerichtspräsidenten gab der Zeuge Dr. Kopf an, dass er den Namen des SA-Führers [Eugen] Kölbl aus Dornbirn im Zusammenhang mit der gegen unser Land geplanten Aktion auch gehört habe, mehr wisse er aber darüber leider auch nicht. Der Name des SA-Führers [Ludwig] Seebacher von Feldkirch in Verbindung mit dieser Aktion war ihm nicht bekannt. Im Verlaufe dieser Zeugenaussage ergab sich dann klar, dass sich die vorgeschriebene Tätigkeit zur Zerschlagung der Aktion gegen Liechtenstein am 24. März 1939 abspielte. Vermutlich etwa 3 Tage später trafen dann Landrat Dr. Tschofen, Landesstatthalter Dr. Kopf und ein Gestapokommissär [Joseph Schreieder] mit Herrn Regierungschef Dr. [Josef] Hoop in Feldkirch zusammen, zwecks endgültiger Liquidierung der ganzen Angelegenheit. Dr. Hoop ersuchte in dem Sinne auf die Parteiformationen einzuwirken, dass in Zukunft solche Aktionen unterbleiben werden, was auch vorbehaltlos zugesichert wurde. [2] Über eine weitere Frage an den Zeugen Dr. Kopf, ob er in Feldkirch in Bezug auf die Niederschlagung der Aktion gegen unser Land auch den Namen des damaligen Reg.-Chefstellvertreters Dr. [Alois] Vogt gehört habe, antwortete er, dass er dies nicht mehr mit Bestimmtheit sagen könnte, doch sei es sehr wohl möglich. Nachdem der frühere Regierungschef, Herr Dr. Hoop, infolge Erkrankung bisher verhindert war, erkundigte sich der Gerichtsvorsitzende, Herr Dr. Wechner, beim Staatsanwalt [Karl Eberle] und den Verteidigern [Viktor Wohlwend, Erich Seeger und Arthur Ender], ob sie noch auf einer späteren Einvernahme Dr. Hoops bestehen, oder, an Hand der übrigen erhaltenen Zeugenaussagen darauf verzichten. Sowohl Staatsanwalt wie Verteidiger verzichteten darauf, so dass das Beweisverfahren Freitagnachmittag abgeschlossen werden konnte. Vor Abschluss desselben verlas der Vorsitzende noch verschiedene Protokolle, Beweisstücke, die bei Hausdurchsuchungen bei den Angeklagten gefunden wurden, [3] Strafregister der Angeklagten und die Leumundszeugnisse. Hierbei kamen noch verschiedene interessante Kuriositäten ans Tageslicht. So zum Beispiel der Entwurf einer Rede des Ortsgruppenleiters [Alois] Batliner von Eschen, bestimmt für eine Frauentagung. Während Sinn und Inhalt diese Rede an deutscher Einstellung wirklich nichts zu wünschen übrig liessen, war es mit der deutschen Satzstellung und Rechtsschreibung schon bedenklich gestellt. Adolf Hitler wurde als Führer und Beschützer aller Deutschen (im Sinne Batliners: aller deutschsprachigen Völker) hingestellt und aus dem weiteren Inhalte ergab sich die Notwendigkeit aller, für diesen "Führer" zu leben, zu kämpfen, so auch zu sterben, wenn es tunlich sei. [4] Aus den verschiedensten zur Vorzeige und Verlesung gelangten Dokumenten ergab sich klar und eindeutig, dass sowohl mit Stellen im Reich, als auch mit nationalsozialistischen und frontistischen Kreisen der Schweiz (u. a. [Franz] Burri) enge Beziehungen bestanden hatten. Im beschlagnahmten Material August Müssners befand sich u. a. auch ein Wimpel in den Landesfarben blau-rot mit aufgenähtem Hakenkreuz auf weissem Grund. Im Material Müssners befanden sich auch mehrere Flugblätter, die ebenfalls nur so triefen von der Bereitschaft für den Führer Adolf Hitler zu leben, zu kämpfen und zu sterben. Nun, Müssner hat wenigstens Wort gehalten. Unter dem bei Ortsgruppenleiter Jos. [Josef] Frick von Schaan beschlagnahmtem Material befindet sich auch ein Revolver samt zugehöriger Munition, der, wenn er auch nicht mehr neuesten Datums ist, doch für die Gefährlichkeit des Angeklagten spricht. Daneben findet sich noch eine Sammlung von Hakenkreuzabzeichen. Unter dem bei Egon Marxer gefundenen Material befinden sich Anweisungen für die Vorkämpfer des Nationalsozialismus in Liechtenstein. Weisungen, dass vor allem auch Schweizer Zeitungen durch deutsche, speziell den "Stürmer" ersetzt werden sollten. Das Weihnachtsfest wäre zu entheiligen und zu einem einfachen Familien- oder Gesellschaftsanlasse umzuwandeln usw. usw. [5] Auch die Böllerschiessereien, Hakenkreuz-Abbrennereien und Schmierereien kamen da ebenfalls zur Sprache.
Eine allgemein interessante Feststellung ergab sich dann vor allem auch noch bei der Verlesung der Leumundszeugnisse der Angeklagten. Während z. B. bei allen Angeklagten der Gemeinden Eschen, Nendeln, Schaan und Vaduz ihre landesverräterische Tätigkeit im Leumundszeugnis gebührend festgehalten worden war, war in den durch die Gemeindevorstehung Triesen ausgestellten Zeugnissen kein Wort darüber erwähnt. Von dort hatte ein jeder solch glänzenden Leumund erhalten, wie ihn sich der ehrsamste Bürger nicht schöner wünschen könnte. Es scheint, dass die Anweisungen zur Erstellung von Leumundszeugnissen in gewissen Gemeinden sehr weitherzig ausgelegt und angewendet werden. Kurz nach 4 Uhr nachmittags wurde vom Vorsitzenden das Beweisverfahren im Strafprozess geschlossen. Dienstag, den 22. Januar wird um ½ 9 Uhr der ausserordentliche Staatsanwalt, Herr Dr. Eberle, zur Begründung der Anklage sprechen, woran sich die Plaidoyers der Verteidiger anschliessen werden. Der Urteilsspruch wird kaum vor Donnerstag oder Freitag dieser Woche zu erwarten sein.
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[1] L.Vo., Nr. 10, 22.1.1946, S. 1. Die Schlussverhandlung des Kriminalgerichts gegen die Putschisten dauerte mehrere Tage. Vom 15. bis 17. Jan. fanden die Beschuldigten- und Zeugeneinvernahmen statt, am 22. Jan. die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger und am 25. Jan. erfolgte die Urteilsverkündigung. Das "Liechtensteiner Volksblatt" und das "Liechtensteiner Vaterland" berichteten ausführlich über den Prozess, vgl. L.Vo., Nr. 8, 17.1.1946, S. 1f., Nr. 9, 19.1.1946, S. 1f., Nr. 11, 24.1.1946, S. 1f., Nr. 12, 26.1.1946, S. 2 ("Das Urteil im Kriminalprozess"), Nr. 13, 29.1.1946, S. 1; L.Va., Nr. 6, 19.1.1946, S. 1 ("Der Hochverratsprozess"), Nr. 7, 23.1.1946, S. 1f. ("Aus dem Prozess"), Nr. 8, 26.1.1946, S. 1 ("Aus dem Prozess"). Zur Schlussverhandlung vgl. auch das Protokoll in LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/270. [2] Vgl. das Protokoll dieser Besprechung in LI LA RF 190/095/25-26. [3] Zu den Hausdruchsuchungen vgl. LI LA V 005/1939/375. [4] Vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 1/III/2. [5] Vgl. LI LA J 007/S 071/323 (a).
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