Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
19.1.1946
Der Hochverratsprozess
Fortsetzung der Beschuldigteneinvernahme
Engelbert Thöny
Ing. [Theodor] Schädler war mein Vorgesetzter beim Lawenawerk. Er hat keine Werbungen unternommen, mich zum Mittun in der VDBL zu bewegen. Am 24. März 1939 arbeitete ich in Nendeln. Da sagte einer, [Adolf] Hitler marschiere heute in Liechtenstein ein. Um 8 Uhr kam dann das Mädchen von Ing. Schädler und hiess mich, in ihre Wohnung zu kommen. Anwesend waren Maler [Josef] Frick, Ing. Schädler u. Frau. Es wurde vom Einmarsche der Deutschen gesprochen. Es wurde mir gesagt, ich sollte nach Triesen fahren und den [Hubert] Hoch verständigen, es soll Bereitschaft gehalten werden. Er, Ing. Schädler, habe keine Zeit, er müsse zu Dr. [Alois] Vogt. Ich fuhr dann zu Hoch nach Triesen.
Zu Hoch sagte ich dann, dass Bereitschaft gehalten werden soll. Es waren nur zwei Personen bei ihm. Ich begab mich in die Küche, in dem Augenblick kam Ing. Schädler mit dem Auto angefahren. Was gesprochen wurde, weiss ich nicht. Erst als ich um 10 Uhr wieder in Schaan war, erfuhr ich, dass etwas los sei.
Das Vorschützen von Trunkenheit und seine Vergesslichkeit trugen Humor in den Gerichtsaal. Auch auf den Vorhalt des Präsidenten [Armin Wechner], [Erich] Smetana habe ausgesagt, Thöni habe gesagt: "In Schaan ist Aufruhr, die deutschen Truppen werden um halb 11 Uhr einmarschieren, es geht los", trug der Angeklagte Vergesslichkeit zur Schau. Er kann sich auch nicht daran erinnern, dass er früher aussagte: "Bei Frick wurde gesagt, die Deutschen marschieren ein, die Brücken müssen besetzt werden". "Es kann aber sein, dass ich dieses gesagt habe."
Alois Wille
Er ist Ende 1938 oder anfangs 1939 zur Bewegung gekommen. Er besuchte Versammlungen, das Abbrennen von Hakenkreuzen war Privatsache. Man hat bei uns in den Versammlungen über d. Zollanschluss an Deutschland gesprochen. Aber meine Ansicht war, das müsste über Landtag und Regierung bewerkstelligt werden.
Wille hat am 24. März an der Versammlung bei Frick teilgenommen, vom Aufmarsch aus dem Unterland will er erst später gehört haben. Er gibt zu, dass auch in seiner Wohnung Versammlungen abgehalten worden sind, und dass er geholfen hat, Hakenkreuze abzubrennen. Dagegen will er am fraglichen Abend nichts davon gehört haben, dass von Feldkirch her bewaffnete Formationen einrücken würden. Er hat nur gehört, dass Dr. Vogt in Berlin weilen sollte und mit [Joachim von] Ribbentrop im Aussenamte Verhandlungen gepflogen habe; sie seien abgeschlossen.
Vom Staatsanwalt [Karl Eberle] befragt, weshalb er an fraglichen Abend sich zu Ing. Schädler begeben habe, sagte er: "Es wurde mir gesagt, es seien Leute dort, denen ich etwas auszurichten hätte. Erst dann fuhr ich mit Schädler zu Hoch in Triesen."
Der Angeklagte erhält dann die Erlaubnis, seinen Lebensgang zu schildern. Er war der Unterdrückte und Verschupfte, hatte zu wenig Verdienst und wollte deshalb den Zollanschluss an das Reich herbeiführen.
Triesen: Bächlegatter und Rheinbrücke
Die nun folgenden Verhöre können wir unter diesen Sammelnamen gruppieren. Die Zentrale bei Hoch in Triesen war am 23. und 24. März in fieberhafter Tätigkeit.
Alois Kindle
war ständiger Gast in derselben, es sollte ein Wirtschaftsansschluss an Deutschland zustandekommen, es habe in jenen Tagen geheissen, Dr. Vogt sei in Berlin, es hätten dort Verhandlungen wegen eines solchen Anschlusses stattgefunden.
Am 24. März begegnete ich Ing. Schädler. Es sagte mir, ich solle zum Bächlegatter, es gebe diese Nacht etwas. Auf dem Wege dorthin begegneten mir Hermann Marxer, Josef Gassner und Ferdinand Beck. Da kam [Ernst] Schurte, der sich uns anschloss.
Auf Vorbehalt des Präsidenten, Schurte, der seine Schwester suchen wollte, sei von ihm und den andern drei festgehalten und ins Haus des Albert Kindle verbracht worden, weil Alois Kindle in ihm einen Spion vermutete, sagte Alois Kindle, dass der junge Mann auch hätte heimgehen können. Es wird ihm dann aber aus den Akten die Aussage Ferdinand Becks vorgehalten, dass Schurte ins Haus des Albert Kindle verbracht und dort festgehalten wurde. Seine heutige Aussage decke sich übrigens nicht mit seiner früheren, nach der er den Befehl hatte, "beim Bächlegatter Wache zu halten und niemand durchzulassen. Den Schurte haben wir in das Haus des Albert Kindle verbracht und dort festgehalten. Dieses machten wir, weil wir glaubten, er sei nur gekommen, um auszuschnüffeln".
Der Angeklagte gibt dann doch zu, dass es so sein könne, wie er damals protokolliert habe.
Hermann Marxer
Am 23. abends war ich auch bei Hoch, aber was gesprochen wurde, weiss ich nicht. Ich habe mich für das nationalsozialistische System interessiert. Am 24. war ich wieder dort. Hoch hat mir den Auftrag gegeben, zu Albert Kindle zu gehen. Er gab mir einen Gummiknüttel in die Hand. Ich sollte besonders aufpassen. Aber ich glaubte, die Andeutung richte sich gegen Gesinnungsgegner. Auf dem Weg haben wir den Schurte getroffen. Wie Alois Kindle zu uns kam, weiss ich nicht mehr. Ich weiss nur, dass ich mit Schurte in das Haus des Albert Kindle gegangen bin. Wie und wann dann Schurte weggegangen ist, kann ich mich nicht erinnern. Ebenso nicht an einen Befehl des Hoch, die Strasse abzusperren.
Präsident:"Haben Sie da gar nichts gedacht, wenn es hiess: Die Strasse absperren, die Rheinbrücke unter Wache halten, die Deutschen marschieren ein?" "Ich habe nicht gewusst, was es geben sollte."
Josef Gassner
Mit der Bewegung habe ich 1938 Fühlung bekommen und habe gelegentlich die Versammlungen besucht. Am 24. März war ich bei Hoch. Dieser sagte, wir sollen zum Bächlegatter gehen und weiteren Befehl abwarten. Alois Kindle habe ich erst beim Bächlegatter gesehen. Ich glaube, dass Hermann Marxer und Alois Kindle den Schurte zu Albert Kindle geführt haben.
Präsident: "Warum haben Sie Liechtenstein verlassen?"
"Am 28. März. Zuerst ging ich nach Feldkirch und von dort nach Lindau und blieb bis Kriegsschluss in Deutschland. Ich hatte schon lange den Wunsch, dorthin zu gehen, und als das Volk über den Vorfall vom 24. März so aufgeregt war, liessen mich meine Eltern auch ziehen."
Auch aus der Verantwortung dieses Beschuldigten konnte man ersehen, wie den eigentlichen Tatbestandsmomenten ängstlich aus dem Wege gegangen wird und dass die strafbaren Unternehmungen beim Bächlegatter u. bei der Rheinbrücke nur "unschuldige Spaziergänge" in einer äusserst kühlen Märznacht waren, an die sich jene noch lebhaft zurückerinnern, die dieselbe zur Abwehr auf der Strasse verbringen mussten.
Ferdinand Beck
Ich hatte zur Volksdeutschen Bewegung keine Beziehungen und fuhr am 24. März abends mit dem Velo zum Bächlegatter. Dort waren Gassner und Marxer, Schurte war schon bei ihnen. Alois Kindle kam auch zu uns. Kindle sagte, Schurte soll mit zu Albert Kindle kommen. Was Schurte sagte, weiss ich nicht. Ich war dann später bei Albert Kindle in der Küche. Als ich um halb 1 Uhr nach Hause ging, schaute ich noch in die Stube, Schurte war nicht mehr da.
Mit der Vernehmung des Angeklagten Ferdinand Beck schliesst der zweite Tag. Der Präsident des Kriminalgerichts verkündet für den kommenden Verhandlungstag die Aufnahme des Beweisverfahrens.
3. Verhandlungstag
Heute werden Zeugen einvernommen. Als erster erscheint nach Aufruf HH. [Hochwürdiger Herr] A. [Anton] Frommelt, Altregierungsrat und Altlandtagspräsident, Vaduz. Aus seinen Aussagen sei Folgendes hier festgehalten: [2]
Seines Erinnerns sei am 24. März schon nachmittags regsamer Betrieb gewesen. Eine Zusammenkunft habe im Hause des Malers Frick in Schaan stattgefunden, ferner eine Konferenz bei Regierungschefstellvertreter Dr. A. Vogt. Eine Anfrage des Zeugen bei Dr. Vogt habe keine genügend abklärende Antwort ergeben. Frommelt sei dann nach Schaan gegangen, um sich persönlich zu orientieren. 21 Uhr 30 sei er zum Hause Frick gekommen, wo eine Ansammlung von etwa 100 heimattreuen Liechtensteinern vor dem Hause war. Zeuge habe sich gleich in das Haus begeben. Dort sei ihm besonders [Gustav] Matt aufgefallen, weil er ihm gleich Dachau angetragen habe. Frommelt mahnte die Anwesenden zur Besinnung und zum Nachhausegehen. Dann wollte er an die Grenze nach Schaanwald, um sich dort nach der Sachlage umzusehen. Zwischen Forst und Steinbruch seien ihm die Formationen begegnet, die nach Schaan unterwegs waren, schätzungsweise 60 Leute. Von der letzten dieser Gruppen habe er glaublich einen [Josef] Wohlwend gefragt, was sie vorhätten. Er erhielt statt Antwort die Gegenfrage, wer er sei. Auf die Antwort, er werde ihn wohl kennen, sagte Wohlwend: Das werden Sie schon noch sehen. Frommelt fuhr dann zum Engel in Nendeln und gab der Post Weisung, sämtliche Telephonanschlüsse der Beteiligten sofort zu sperren. Den Vorsteher Ferdi Risch verständigte er von dem Anmarsch auf Schaan. Ein Motorradfahrer aber behauptete über Frage, er sei unterwegs zur "Stuberti", dieser sei aber schon nach einer Viertelstunde wieder zurückgekommen. Offenbar habe es sich um einen Vorarlberger Verbindungsmann gehandelt. An der Grenze habe Zeuge festgestellt, dass alles ruhig war. Sofort umgekehrt, habe er den Unterländer Aufmarsch bei der Einmündung der Plankner Strasse ausserhalb Schaan wieder erreicht. Er sei dann den Leuten bis zur Einmündung der Strasse von Eschen vorgefahren, weil er auch von dorther noch Zumarsch befürchtete. Dort hielt er dann auch die auf der Hauptstrasse kommenden Leute an. Sie wurden von Alois Batliner angeführt. Auf die Frage das Zeugen, was sie vorhaben, sagte Batliner, sie hätten gehört, dass alle Oberländer eingesperrt seien und diesen wollten sie helfen. Batliner wurde aufgeklärt, dass das nicht stimme. Zeuge erinnert sich den Ausdruck gehört zu haben, es müsse etwas geschehen, auch wenn Blut fliessen sollte. Wer dies sagte, kann Zeuge nicht mehr sicher sagen. Frommelt sei dann mit Batliner zum Hause Frick gefahren. Viel wurde nicht geredet. Als Batliner die Auskunft Frommelts bestätigt sah, habe er sich gefügt und sei zu den beim Bierkeller Wartenden zurückgefahren, habe aber den Hitlergruss gebraucht u. damit die Heimattreuen erregt. Frommelt forderte die vor dem Bierkeller Wartenden auf, umzukehren, nachdem er sie aufgeklärt hatte. Batliner habe dann auch den Befehl zum Umkehren gegeben, worauf die Unterländer abmarschierten. Zeuge sei dann zum Hause Frick gegangen. Auf die Aufforderung zum nach Hause gehen, gingen sie nicht. Es war klar, dass die Ansammlung bei Frick im Hause eine Bereitschaftsstellung war. Seine früheren Aussagen halte er aufrecht. An die Einzelheiten eines Gespräches mit Frick erinnere er sich nicht mehr. Weil niemand nach Hause wollte und auch die Leute vor dem Hause sich nicht zerstreuten, seien die im Hause befindlichen in Schutzhaft genommen worden. Aus den Äusserungen der Leute habe er nichts entnehmen können, dass Verbindungen mit Feldkirch bestanden. Zeuge müsse in Abrede stellen, dass der Wirtschaftsanschluss in der breiten Masse gewünscht wurde, jeder sah, dass ein solcher Anschluss die Aufgabe der Selbständigkeit bedeutete. Beim Zusammentreffen vor dem Bierkeller habe einer über die sozialen Missstände geschimpft. In Gegenwart Frommelts sei keine Rede gewesen von Hausanzünden oder Abdecken. Er sei stets und mit Erfolg bemüht gewesen, die Ruhe unter den vor dem Hause Frick Versammelten zu erhalten. Eine Tochter Fricks habe zwar die Leute noch provoziert. Feindselige Stellungnahme gegen die Polizei oder gegen den Zeugen sei nicht vorgekommen. Bei den von Batliner geführten Leuten trugen Uniform: August Müssner, Batliner selbst und Gustav Matt. Im Laufe der weiteren Befragung des HH. Frommelt durch Gericht und Verteidigung erhob sich die Frage des Amtsgeheimnisses. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück und fasste den Beschluss, dass Frommelt gemäss § 95 Str. P.O. [Strafprozessordnung] [3] vorderhand nicht vom Amtsgeheimnis entbunden werden könne. - Der Angeklagte Batliner bestreitet, eine Uniform getragen zu haben, während Zeuge seine Ansicht aufrecht hält.
Am Nachmittag des Donnerstags wurde im Laufe des Beweisverfahrens zur weiteren Einvernahme von Zeugen geschritten.
Bahnhofvorstand Rudolf de Pretis gibt an, dass der Angeklagte Franz Beck ihm am 24. März vor seinem Weggehen vom Dienste gesagt habe: "Vielleicht sind wir morgen in Schwaben." Auf die Frage des Vorsitzenden, warum bei der Abfassung des Protokolles, also bald nach der stattgefunden Äusserung, seine Erinnerung nicht so klar gewesen sei, blieb er bei seiner Aussage, auch als Franz Beck behauptete, sie müsse auf einer Verwechslung beruhen.
Schutzmann Ernst Kaiser aus Vaduz hatte am kritischen Abend beim Hause Frick in Schaan, wo etwa hundert Personen anwesend gewesen seien, Dienst gemacht. Die Menge habe sich drohend gezeigt und es seien Rufe laut geworden, man möge dem Frick das Haus anzünden oder in die Luft sprengen. Vorbereitungen zu so einer Handlung habe er nicht beobachtet. Hindernisse bei seiner Dienstausübung seien nicht vorgekommen und die Versammlungsteilnehmer hätten sich reibungslos in Schutzhaft nehmen und abführen lassen. Bei der Untersuchung seien keine Waffen gefunden worden, nur im Auto von Ing. Schädler sei ein Revolver und ein Gummiknüttel gewesen.
Schreinermeister Jos. [Josef] Frommelt aus Schaan sagt aus, er sei als einer der Ersten zum Hause des Frick gegangen, denn er habe von dem Vorhaben gehört und die Einstellung seines Nachbarn Frick schon von früher her gekannt. Er habe sich deshalb dorthin begeben, weil er sich nicht lebendig verkaufen lassen wollte. Er habe in Ruhe gefragt, was die Versammlung für einen Zweck habe und es sei ihm zur Antwort gegeben worden: "Wir haben lange genug Hunger gehabt, jetzt wollen wir es anders haben". Dem Franz Beck habe er gut zugeredet, sie sollen die Sachen doch bleiben lassen und dieser habe zur Antwort gegeben: "In ein paar Stunden wird es anders sein, aber wir bleiben doch Kollegen". Er bestätigt auch die Äusserung des Frick, dass ein Marsch nach Vaduz angetreten werden sollte.
Der ehemalige Hilfspolizist [Viktor] Sprenger aus Triesen, der ebenfalls nach Schaan zum Dienst eingeteilt war, kann sich an nichts Wesentliches von den Vorgängen erinnern.
Der Hilfspolizist Josef Erne aus Triesen war zur Beobachtung des Hauses von Hubert Hoch beordert worden. Er sei zwei Männern aus Balzers, Otto Frick und einem ihm nicht näher bekannten Manne namens [Hans] Foser begegnet, die ihn nicht kannten und ihm erklärten, sie müssten beim Bächlegatter die Strasse sperren, denn um 11 Uhr werde an der Grenze einmarschiert. An dieser Strassenstelle habe er dann etwa 9 Mann getroffen, darunter die beiden Balzner und die Triesner Alois Kindle, Anton Kindle und Josef Gassner. Im Hause des Albert Kindle seien Leute gewesen, er könne sich aber nicht mehr an die einzelnen Personen erinnern. Ein Teil sei von dort nach Triesenberg weggegangen.
Alfons Allgäuer, Bahnarbeiter, aus Eschen, weiss überhaupt nichts Zweckdienliches anzugeben.
Ernst Schurte aus Triesen war damals ein 16 jähriger Junge, habe über Auftrag der Mutter [Franziska Schurte] seine Schwester heimholen wollen und sei beim Bächlegatter angehalten worden. Man habe ihm den Grund seiner Anwesenheit nicht geglaubt und ihn für einen Spion gehalten, wohl deshalb, weil seine Mitgliedschaft bei den Pfadfindern im Orte bekannt gewesen sei. Darum habe man ihn gezwungen, mit ins Haus des Albert Kindle zu gehen. Dort musste er bis ungefähr um Mitternacht bleiben, was ihm gar nicht recht gewesen sei. An nähere Einzelheiten kann sich auch Schurte nicht erinnern.
Wegen Erkrankung von Herrn alt Regierungschef Dr. [Josef] Hoop, dessen Zeugenaussage vorgesehen war, wird die Verhandlung frühzeitig um 16 Uhr 30 abgebrochen.
Der allgemeine Eindruck der Nachmittagsverhandlung war, dass die Zeugen kaum klare, bestimmte Aussagen zu machen in der Lage waren. Sie beriefen sich im allgemeinen meist auf die seinerzeitigen Protokollierungen.
In der Zeugeneinvernahme erschien Freitag, den 18. Jänner, Hr. Dr. A. Vogt, alt Regierungschef-Stellvertreter. [5]
Eingangs erklärte der Zeuge Dr. Vogt auf die Frage des Gerichtspräsidenten, dass seines Erinnerns im Jahre 1938 und bis zum Tage des Putschversuches der Regierung weder Statuten noch ein Programm der VDBL vorgelegt wurden. [4] Trotzdem sei der Regierung bekannt gewesen, dass die Forderung eines Wirtschaftsanschlusses an Deutschland ein Programmpunkt der VDBL gewesen sei.
Zur Vorgeschichte und den Ereignissen des 24. März 1939 führte Dr. Vogt kurz Folgendes aus: Seit dem Besuch S. D. des Landesfürsten [Franz Josef II.] und der Regierung war er, Dr. Vogt, nicht mehr in Berlin gewesen, im Gegensatz zu einer während des Verhörs der Angeklagten gefallenen Äusserung. Es könne dies vielleicht auf einem Missverständnis beruhen, da er am 20. März über Feldkirch nach Nürnberg zu einer Besprechung mit einem Herrn Dr. Ernst Peter, Vertreter des Auswärtigen Amtes, gereist sei. Da gerade zu dieser Zeit vor allem aus belgischen Quellen Anschlussgerüchte über Liechtenstein in der Weltpresse gemeldet wurden. Bei dieser Besprechung soll der Vertreter des Auswärtigen Amtes Dr. Vogt gegenüber geäussert haben, dass Liechtenstein seitens Deutschlands nichts zu befürchten habe. Am Abend des 23. März traf dann Dr. Vogt über Basel kommend wieder in Liechtenstein ein, wo er sich beim damaligen Landtagsvize-Präsidenten Dr. [Otto] Schädler über die Lage erkundigte. Dr. Schädler informierte den Zeugen über die kursierenden Gerüchte, wie Bereitschaftsstellung von Parteiformationen, Truppenbewegungen usw. in Feldkirch. Dr. Vogt verwies darauf, dass dies wieder ein wildes Gerücht sei und gab ihm auch Kenntnis von der Besprechung Peter.
Zum 24. März selbst äusserte sich Dr. Vogt wie folgt: "Auf Vormittags ½ 9 Uhr war eine normale Regierungssitzung anberaumt und wollte ich dieselbe präsidieren, doch kam es nicht dazu, da ich am laufenden Band durch telephonische Anrufe weggeholt wurde. Als erster telephonierte mir Vorsteher Ferdi Risch, der über Truppenbewegungen an unserer Grenze berichtete, sowie von verstärkter Tätigkeit der VDB. Nachdem sich auch die Anrufe aus der Schweiz häuften, entschloss ich mich, Legationsrat Dr. [Peter Anton] Feldscher beim Polit. Departement in Bern anzuläuten, wo ich dann erfuhr, dass, die Situation tatsächlich sehr ernst für Liechtenstein sei."
Nachdem sich Dr. Vogt noch über weitere Massnahmen mit Dr. Feldscher besprochen hatte, fuhr er nach Feldkirch zu Landrat Dr. [Ignaz] Tschofen, den er nach anfänglichen Schwierigkeiten schliesslich sprechen konnte. Es wurde dann im weiteren Verlauf der Besprechung auch noch Regierungsrat [Alfons] Mäser zugezogen. Es ergab sich bei dieser Besprechung, dass tatsächlich Bereitschaftsstellungen stattgefunden hatten und ein Aufmarsch auf den Abend zu erwarten war. Dr. Vogt, orientierte die beiden über die Verhältnisse Deutschland-Liechtenstein und bemerkte auch, dass bereits diplomatische Schritte eingeleitet wären. Dies verfehlte offenbar den gewünschten Eindruck nicht, und konnte Dr. Vogt mit der ehrenwörtlichen Versicherung, dass alles zur Verhinderung eines Aufmarsches getan werde, abends nach Vaduz zurückzukehren, wo er die beiden noch im Amte anwesenden Regierungsräte orientierte. Er liess dann durch die Polizei auch den Leiter der VDB, Ing. Schädler bestellen, der dann aber nicht, wie bestellt, allein, sondern in Begleitung von Franz Beck und Josef Frick endlich erschien. Weiter informierte er auch Dr. Feldscher in Bern und es wurde die Schweiz. Gesandtschaft in Berlin auf Picket gestellt. Abends fuhr Dr. Vogt nochmals nach Feldkirch, um sich dort umzusehen. In seiner Begleitung befand sich Lehrer [Hubert] Schreiber von Mauren. Als sich an der Grenze in Schaanwald die österreichischen Grenzer mit ihm unterhalten wollten, kamen aus in der Nähe stehenden Wagen SA- oder NSKK [Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps]-Leute gerannt und schickten den Grenzer weg: Dr. Vogt selbst und sein Begleiter blieben unbehelligt. Die SA-Leute folgten Dr. Vogt nach Feldkirch, der zuerst zum Landratsamt fuhr, da dort niemand war, weiter zum "Löwen". Auch dort war Dr. Tschofen nicht zu treffen. Schliesslich erfuhr er, dass im "Hecht" das Versammlungslokal der SA war. Also dorthin, doch war das Lokal leer. Jedoch erfuhr er dort, dass schon während zwei Abenden die SA dort zum Einmarsch bereit gestanden war, auch an diesem Tagen wieder, dass "es" nun aber scheinbar abgeblasen worden sei und die SA in den Saalbau zurückbeordert wurde. Nachdem sich Dr. Vogt von der Richtigkeit dieser Angaben noch überzeugt hatte, fuhr er nach Schaan zurück, wo inzwischen auch Regierungschef Dr. Hoop eingetroffen war.
Verschiedene interessante Ausführungen mussten wir infolge Zeitmangels in Vorstehendem fallen lassen, doch kommen wir vielleicht später noch darauf zurück.
In der Nachmittagsfortsetzung wird Dr. [Rudolf] Kopf, seinerzeitiger Landesstatthalter von Vorarlberg, als Zeuge auftreten.
Das Urteil
Wie man aus dem Verlauf des Prozesses gegen die Putschisten vom Jahre 1939 heute ersehen kann, wird die Urteilsverkündung nicht vor Mitte nächster Woche zu erwarten sein.