Die Volkspartei unterstützt die Proporzinitiative, die Initiative zur Senkung der Strompreise und die Initiative zur Senkung der Hypothekarzinsen


Artikel in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]

8.5.1935

Resolution für das Verhältniswahlrecht

Am Sonntag den 5. Mai 1935 hielten die Delegierten und Freunde der Liechtensteinischen Volkspartei im Gasthaus Adler in Vaduz eine sehr gutbesuchte Versammlung ab. Nach Anhörung verschiedener Referate wurde einstimmig nachstehende Resolution gefasst:

Überzeugt davon, dass

  1. die Initiative auf Einführung des Verhältniswahlrechtes und auf Schaffung der verfassungsmässigen Grundlage für die allfällige Einführung der berufsständischen Ordnung dem Machtstreben einer einzigen Partei Halt gebietet und auch durch ihre Bestimmungen gegen die Zersplitterung einen Damm gegen die Entstehung neuer Parteien oder Wählergruppen bildet,
  2. eine Herbeiführung friedlicher Zusammenarbeit von der Initiative angestrebt und zu erwarten ist, da die Initiative auf den Fundamenten von Frieden, Wahrheit und Gerechtigkeit aufgebaut ist, da sie weiter ein Verbot gegen Verhetzung, Verleumdung und Herabwürdigung von Personen enthält und damit erst recht zur Befriedigung im politischen Leben des Landes beiträgt, ferner
  3. die Einführung des Verhältniswahlrechtes nach allen Erfahrungen das Wahlgeschäft beruhigt und friedlicher abwickeln lässt und ebenso die Arbeit in den Behörden, Landtag und Regierung fördert, weil ferner
    die Initiative eine gerechte Herbeiziehung aller Bevölkerungskreise zur Anteilnahme am öffentlichen Leben bewirkt und sich besonders gegen jede widernatürliche und volksfremde Diktatur wendet und den Machtgelüsten von Parteien und Bewegungen ein unwiderstehliches Halt gebietet,
  4. die Initiative für die Verteilung der Landtagsmandate auf die einzelnen Wählergruppen und gleichzeitig auf die einzelnen Gemeinden gar keine Schwierigkeiten bietet und deswegen auch dem Gedanken des Proporzes und der berufsständischen Ordnung keine Gewalt antun kann, schliesslich weiter, weil
  5. die sogenannten Minderheiten, die in Wirklichkeit die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, nicht in allen Behörden gerecht vertreten sind und da ihnen auch zu friedlicher und positiver Mitarbeit keine Gelegenheit geboten wurde, weil
  6. mit Rücksicht auf die schweren Zeiten ein einseitiges Regime nicht die erforderliche, friedliche Zusammenarbeit aller Bevölkerungskreise ermöglicht und die Wirtschaftskatastrophe noch weniger aufzuhalten vermag, als wenn gemeinsam zusammengearbeitet wird, weil
  7. aus allen Bevölkerungskreisen heraus die Initiative unterstützt wurde und vor allem von solchen Personen, denen es nicht darum zu tun ist, an die Macht zu gelangen, noch weniger aber um Stellen des Landes zu jagen, weil
  8. das "Volksblatt" als Regierungsblatt durch etwa 8 Jahre den Proporz als Wahlrecht sehr empfohlen hat (Proporz – Gleichberechtigung, Majorz – Parteiherrschaft) und weil noch 1929/30 versprochen wurde, dass der Landtag im Jahre 1932 nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werde und weil selbst im Februar 1932, also vor den 1932er Landtagswahlen, in der vom Landtage verfassten Botschaft die Feststellung gemacht wurde, dass Landtag und Regierung der Ansicht seien, es liege im Interesse des Volkes und Landes, wenn alle Parteien in den Behörden vertreten seien, [2] endlich weil
  9. in Erwägung, dass die Volkspartei im Jahre 1929 und später Verhandlungen zur Befriedigung des Landes ergebnislos aufgenommen hatte und weil sie immer auf dem gleichen Standpunkt steht, dass alle Bevölkerungsschichten vertreten sein sollen und weil noch im Jahre 1934 die Vertreter der Bürgerpartei selbst zugaben, sie seien in der Minderheit und nur deswegen, weil sie die Macht und die Mehrheit haben wollen, sich nicht auf einen gesetzlichen Proporz einlassen,

begrüsst

die Initiative und erklärt, dass sie sie voll und ganz unterstützt.

Sie ersucht alle friedliebenden Bürger in und ausserhalb der Behörde mit voller Überzeugung, für die Initiative unentwegt einzustehen. Die gegen die Initiative bisher von den Gegnern vorgebrachten Gründe betreffen nicht die Initiative, sondern sind lediglich der Ausdruck der Angst um den Verlust der Macht und der Sessel. Die Volkspartei protestiert gegen die Behauptung, dass die Initianten nach der Macht streben, während sie in Wirklichkeit nach verhältnismässiger Vertretung streben. Sie protestiert auch gegen die Behauptung, dass die Führung des Landes Stellenjägern anvertraut werden soll. An dieser Resolution haben keine Posteninhaber mitgewirkt.

Die Volkspartei steht unentwegt auf dem Boden einer friedlichen Zusammenarbeit. Sie verabscheut auch die persönlichen Verunglimpfungen, das Hereinziehen des Sparkassaprozesses, der gar nicht zur Sache gehört und mit der Volkspartei nichts zu tun hat.

Die Gewissheit, dass sachliche und stichhältige Gründe gegen eine Initiative auf Einführung des Verhältniswahlrechtes nicht vorzubringen sind, muss jeden friedliebenden Bürger überzeugen, dass die Initiative wirklich nur das Wahre, Gerechte und Friedliche will.

Im Anschluss daran fasste die Versammlung eine 2. Resolution, welche folgendermassen lautet:

Die heute, am 5. Mai 1935, im "Adler"-Saale in Vaduz versammelten Delegierten und Freunde der Liechtensteinischen Volkspartei, nach Anhörung von Referaten und gewalteter Diskussion über die Initiative betreffend Herabsetzung des Strompreises beim Landeswerk Lawena, [3] in Rücksicht auf die Notlage der Landwirtschaft und des Gewerbes und weil

nach ihrer Ansicht der Stromkonsum im Interesse des Werkes nur gehoben wird, der Ausfall an Gewinn daher bald wieder eingeholt ist, weil ferner

der Ausfall an Gewinn nach Ansicht der Versammelten lange nicht 60'000 Schweizerfranken beträgt und weil endlich

die Initiative nach einen Bedeckungsvorschlag unter Hinweis auf die Einsparungen in der Verwaltung des Landes und des Lawenawerkes enthält,

begrüssen

die Initiative, wie sie überhaupt auch jeder anderen Entlastung der notleidenden Bevölkerung gerne zustimmen.

Eine 3. Resolution besagt:

Die heute, am 5. Mai 1935, im "Adler"-Saale in Vaduz versammelten Delegierten und Freunde der Liechtensteinischen Volkspartei,

nach Anhörung von Referaten und gewalteter Diskussion über die Initiative betreffend Herabsetzung des Zinsfusses für Hypothekardarlehen der Sparkassa an Inländer [4]

und in der Erwägung, dass die Bevölkerung heute unter der Krise schwer leidet, das Land zur Förderung der Landwirtschaft verpflichtet ist, weiter

nach Prüfung aller Umstände, besonders auch der Tragbarkeit der Reduktion des Zinsfusses und der Auswirkung dieser Reduktion auf die Sparkassa und das Land und weiter

weil auch die Initiative für alle Fälle einen Bedeckungsvorschlag für einen allfälligen Ausfall enthält (gerechter Abbau) und unter der weitern Voraussetzung, dass

die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Festsetzung des Zinsfusses auch später berücksichtigt werden, sodass er im Gesetzeswege geändert wird,

beschliessen,

es sei diese Initiative, obwohl sie nicht von der Volkspartei ausgegangen ist, dennoch im Interesse des Volkes wohlwollend zu berücksichtigen.

Die Volkspartei begrüsst überhaupt jede Massnahme, von wem immer sie komme, zur Entschuldung der notleidenden Bevölkerung.

Die Versammlung erhebt energischen

Protest

gegen die Äusserungen des Herrn Regierungschefs [Josef Hoop] den Herren Initianten der Sparkassa-Initiative gegenüber, dass sie, falls sie der Sparkasse Geld schuldig seien und dennoch ihre Unterschriften aufrecht erhalten, das Geld so bald als möglich parat halten sollen, um der Sparkasse die Schuldigkeit zu bezahlen.

 

 

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[1] L.Na., Nr. 37, 8.5.1935, S. 1.
[2] Vgl. LI LA DM 1932/005 (Botschaft des Landtages an die Wähler betreffend neues Wahlsystem).
[3] Zur Strompreisinitiative vgl. LI LA RF 150/481. Die Initiative wurde für verfassungs- und gesetzeswidrig erklärt, da sie keinen Vorschlag zur Deckung der Einnahmenausfälle enthielt. Vgl. Rech.ber. 1935, S. 57-60, LI LA StGH 1/29, LI LA LTP 1935/056.
[4] Zur Zinsinitiative vgl. LI LA RF 150/484. Die Initiative wurde aus den gleichen Gründen wie die Strompreisinitiative für verfassungs- und gesetzeswidrig erklärt. Vgl. Rech.ber. 1935, S. 60-64, LI LA StGH 1/30, LI LA LTP 1935/055.