Theodor Schädler wird über den Putschversuch vernommen


Protokoll der Beschuldigteneinvernahme vor dem Landgericht, gez. Landrichter Julius Thurnher und Theodor Schädler [1]

30.3.1939

Vor dem fürstl. Landrichter Dr. Julius Thurnher und dem Schriftführer Dr. Hermann Risch.

Vorgeführt wird Theodor Schädler, Generalien wie in der Anzeige, [2] gibt als Beschuldigter vernommen an:

Ich berufe mich im grossen ganzen auf die Angaben, die ich der Polizei gegenüber gemacht habe. [3] Sie gelten jedoch für viele Sachen nicht mehr. Richtig ist, was ich über die Organisation gesagt habe.

Ich will heute nun aber die Wahrheit sagen. Dabei werde ich allerdings, wenigstens vorläufig, nicht alle Namen nennen.

Am Mittwoch [4] nachmittags erhielt ich einen Zettel, der kam von Feldkirch und mich aufforderte, im Lande Unruhe zu machen, der Zettel war nicht unterschrieben. Ich weiss heute nicht mehr, wer den Zettel gebracht hat. [5] Jedenfalls bin ich nicht darauf eingegangen. Ich wollte von der Sache nichts wissen und bin von zu Hause weggegangen. Ich bin nach Mauren und war zuletzt bei Aurel Matt. Etwa um ½ 10 Uhr bin ich dann von Schaanwald aus antelephoniert worden, ich sollte in den Schaanwald kommen. Dort waren dann zwei Leute, Louis Batliner und Walter Wohlwend. Sie haben auf mich eingeredet, in der Nacht noch etwas zu machen, aber ich sagte, das gehe nicht mehr, es sei zu spät, das könnte man ja am andern Abend machen. Ich wollte Zeit gewinnnen. Ich habe dann am Donnerstag die Sache organisiert, aber ich wollte eigentlich die Sache nicht und versuchte denn auch noch, den Aufmarsch hinfällig zu machen, indem ich im Laufe des Nachmittags wieder abblasen liess, ich sagte, aus bestimmten Gründen könne das nicht gemacht werden. Gleichzeitig sagte ich aber, sie sollten sich für Freitag bereit halten.

Freitag Morgens war Louis Wille bei mir, ich schickte ihn dann fort mit dem Auftrage zu sagen, es werde endgültig nichts gemacht. Um 6 Uhr Abends wurde ich dann von Nendeln aus angerufen, ich sollte dringend dort hin kommen. Ich ging zu Walter Wohlwend in die Wohnung, er redete auf mich ein. Ich sagte, es gehe nicht, ich hätte alles abgesagt. Es waren dort mehrere, ich weiss aber nicht mehr, wer alles. Sie sprachen immer mehr auf mich ein und schliesslich sagte ich ja. Die Nendler sagten mir damals, dass irgendwelche Formationen von Feldkirch aus in das Land einrücken würden, und das war klar, das müsste ja sein, wir Liechtensteiner selbst hätten das nicht von uns aus machen können. Es sind dann die Vorbereitungen getroffen worden, die Leute verständigt worden, was sie zu tun hätten. Ich war selbst dann in Schaan, in Triesen und später in Nendeln. Erst in Nendeln erfuhr ich um 10 Uhr oder ¼ nach 10 Uhr, dass die Feldkircher nicht kommen. Da sagte ich, dann sei nichts mehr zu machen, aber ich war sehr aufgeregt und kann heute mit dem besten Willen nicht mehr sagen, ob ich den Nendlern, die schon versammelt waren, den Auftrag gab, dass trotzdem noch marschiert werden sollte.

Am 8 Uhr Abends war ich noch bei Reg.Chef.Stellv. Dr. [Alois] Vogt, der mich hatte kommen lassen, er musste von unserm Unternehmen offenbar etwas vernommen haben. Er wollte uns abwendig machen und er sagte so ungefähr, wenn wir eine Demonstration machen würden, werde er sie mit Gewalt niederschlagen.

Ich persönlich war immer nur für einen wirtschaftlichen Anschluss Liechtensteins an das Deutsche Reich und habe mir eigentlich immer gedacht, es handle sich nur darum.

Genau was in Vaduz bei unserem Aufmarsch hätte geschehen sollen, weiss ich selbst nicht. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, aber ich muss auch hier wieder sagen, ich habe unter Druck gestanden, und habe mich unglückseligerweise zur Sache verleiten lassen; derjenige, der am stärksten auf mich einwirkte, war Walter Wohlwend.

Ich nehme an, die Regierung sollte überrumpelt werden und unter Druck gesetzt werden, damit der Anschluss (Wirtschaftlicher) zu Stande komme. Ich muss dabei wiederholen, dass ich nur an einen wirtschaftlichen Anschluss dachte.

Um was es sich eigentlich handelte, dürften nur Wohlwend Walter, Louis Batliner, Josef Frick und wohl auch Hubert Hoch gewusst haben. Ich kann allerdings heute nicht mehr genau sagen, was man den einzelnen Leuten, als sie gerufen wurden, sich zu versammeln, gesagt hat.

Ob die Leute bewaffnet waren, weiss ich nicht, ich habe jedenfalls keinen Auftrag gegeben, dass sie sich bewaffnen sollten.

Ich selbst war auch nicht bewaffnet. Wenn man nachträglich rückwärts im Auto eine Pistole und einen Gummiknüttel gefunden hat, so gehören sie nicht mir, ich weiss auch nicht, von wem sie stammen.

Damals fuhren im Auto mit Franz Beck, vorn neben mir, Louis Batliner, Josef Frick und Josef Jehle.

Dass ich immer wieder die Sache eigentlich nicht machen wollte, beweist am besten auch der Umstand, dass ich am Donnerstag schwarz über die Grenze nach Österreich ging, um die Sache abzubiegen.

Ich habe in Feldkirch mit einem gewissen [Ludwig] Seebacher, der in Feldkirch SA-Führer ist, gesprochen.

Richtig ist, dass ich an die Trieser einen Befehl hinausgab, die Vaduzer Brücke zu besetzen und auch die Strasse nach Balzers. Der Grund für diesen Befehl war, um etwaige Kapitalflüchtlinge aufzuhalten. Die Triesner erhielten jedoch den Befehl, sie hätten weitere Befehle abzuwarten.

Es wird dem Beschuldigten eröffnet, dass gegen ihn die Untersuchung wegen Verbr. des Hochverrates nach § 58 bezw. des Verbr. des Aufstandes nach § 68 St. [Strafgesetz] [6] eingeleitet und gegen ihn wegen Fluchtgefahr nach § 121, 117 Zl. 2 St.P.O. [Strafprozessordnung] [7] die Untersuchungshaft verhängt werde.

Er nimmt es beschwerdelos zur Kenntnis.

 

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[1] LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/020.
[2] LI LA RF 190/095/033-034.
[3] LI LA RF 190/095/045-051.
[4] D.h. am 22.3.1939.
[5] Am Rand handschriftlich vermerkt: "Jehle".
[6] Österreichisches Strafgesetz vom 27.5.1852 über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, eingeführt im Fürstentum Liechtenstein mit Fürstlicher Verordnung vom 7.11.1859.
[7] Strafprozessordnung vom 31.12.1913 (LGBl. 1914 Nr. 3).