Prinz Eduard berichtet der Regierung über die Verhandlungen mit Österreich über den Abschluss eines neuen Postübereinkommens


Maschinenschriftliches Schreiben von Prinz Eduard, liechtensteinischer Gesandter in Wien, an die Regierung [1]

3.12.1919, Wien

Betrifft: Postübereinkommen ad Zahl 5830/Reg. vom 1. Dezember 19 [2]

Obiger Bericht langte mit dem heutigen Kurier ein und lag daher bei der am Montag den 1. Dezember gehabten Besprechung des Gefertigten und des Präsidenten [Friedrich] Walser beim Generalpostdirektor [Konrad] Hoheisel nicht vor. [3] Derselben wohnten österreichischerseits die Herren Ministerialräte [Johann] Monschein und Wazek [Anton Wacek von Orlic], Sektionsrat [Karl] Kirschbaum und ein weiterer Herr, anscheinend Vertreter des Telefondepartements, bei. Zu Beginn der Besprechung waren die Herren recht schwierig, und insbesonders der Generalpostdirektor war voll von juristischen und formellen Bedenken. Nach einer längeren Diskussion wurde im Wesen Übereinstimmung in folgenden Punkten erzielt:

  1. Die fürstliche Regierung bestellt ihre Marken an beliebigem Orte. Der gesamte Markenverkauf erfolgt von Vaduz aus. Die Marken werden der österreichischen Postverwaltung zur Genehmigung vorgelegt und formell von dieser herausgegeben, nachdem diese die Postverwaltung führt.
  2. Als Tarif gilt im Fürstentume der österreichische Tarif.
  3. Die österreichische Regierung übernimmt die Organisation, Überwachung und finanzielle Kontrolle der liechtensteinischen Post. Die Beamten werden von Österreich im Einvernehmen mit der fürstlichen Regierung ernannt und nach den österreichischen Gebührensätzen gezahlt. Die Einnahmen gehen auf Rechnung des Landes, ebenso die Ausgaben.
  4. Bei den Telefongebühren wird eine Abrechnung gepflogen, wie sie international usuell ist. Liechtenstein erhält bei Gesprächen über Vorarlberg hinaus den fixen Betrag von 50 Hellern für das einfache Gespräch, der Rest fällt an Österreich, da dieses die Kosten der viel längeren Leitung zu tragen hat. Für Gespräch mit Vorarlberg behält jeder Staat selbst seine Einnahmen.
  5. Die Inventargegenstände der Post, Möbel, Einrichtung, Telefon und Telegrafenapparate etc. werden inventarisiert und liechtensteinischerseits übernommen, was den grossen Vorteil hat, dass wir bei Auflassung des Verhältnisses ein Inventar besitzen. Österreich wäre auch zu einer anderen Abmachung bereit.

Grossen Schwierigkeiten begegnete die Frage, wie oder ob die österreichische Postverwaltung mit der fürstlichen Regierung einen Vertrag schliessen könne. Man anerkannte, dass es doch nicht recht angehe, eine liechtensteinische Postverwaltung zu schaffen nur zu dem Zwecke, einen Vertrag mit der österreichischen Postverwaltung zu schliessen, durch welche die Verwaltung an Letztere übergeht. Die Lösung fand sich am nächsten Tage in der Verhandlung im Staatsamte für Äusseres über den Warenverkehrs-Vertrag, wo für diesen Vertrag eine bezügliche Bestimmung in Aussicht genommen wurde. [4]

Eine weitere Schwierigkeit bildete den Vertretern Österreichs die Errichtung der Zollgrenze gegen Vorarlberg. Auf den Hinweis, dass diese ja schon bestehe und die Post ganz ungehindert bisher funktioniert habe, wurde erwidert, dass die Postverwaltung rechtlich von der Errichtung der Zollgrenze noch nicht informiert sei. Unsererseits wurde betont, dass die Briefe ja keiner Zollbehandlung unterliegen und dass eben in Liechtenstein aufgegebene Pakete an der österreichischen Grenze zollamtlich zu behandeln sein werden. Es seien daher nur die ausländischen Postverwaltungen zu verständigen, dass bei Paketen nach Liechtenstein die in Österreich usuellen drei Zollerklärungen nicht beigeschlossen werden müssen; endlich wurde auch in dieser Angelegenheit Verständigung erzielt.

Bezüglich des Beitrittes zum Weltpostverein wäre geplant, dass Österreich das Fürstentum als "selbständiges Postverwaltungsgebiet unter der Kontrolle der österreichischen Postverwaltung stehend" anmeldet.

Als Werte, die nunmehr österreichischerseits für Briefmarken festgesetzt sind, wurden Folgende genannt: Heller: 5, 10, 15, 20, 25, 30, 40, 50, 60, Kronen: 1, 2.50, 5, 7.50 und 10; fraglich sind noch K 2, 3 und 4. Weiters kämen Zeitungs- und Strafmarken in Betracht. Ich habe Professor [Luigi] Kasimir die Werte angegeben und die Zeichnungen erbeten. Mit Präsident Walser wurde vereinbart, dass die 10 Kronen Marken entfallen, ebenfalls vorläufig Marken zu 2, 3 und 4 Kronen.

Die österreichische Postverwaltung wird nunmehr den Detailentwurf, der sehr umfangreich werden dürfte, [5] ehestens ausarbeiten und wird nur erwartet, dass Liechtenstein eine definitive Erklärung abgibt, ob es den Vertrag nach obigen Grundlinien akzeptiere. Präsident Walser erklärte dies als den Willen des Landtages und verwies auf den mir mitgeteilten Beschluss des Landtages vom 11. Oktober, [6] sowie den dortigen Erlass Zahl 5056 vom 19. Oktober, [7] nach welchem ich ermächtigt bin, einen Entwurf zu vereinbaren und denselben vor entgiltigem Abschluss noch vorzulegen.

Hinsichtlich der Telegrammgebühren hatte sich Präsident Walser dagegen ausgesprochen, dass ein besonderer Tarif für den Verkehr der Regierung mit der Gesandtschaft oder Hofkanzlei verlangt werde. Ich habe daher diese Frage nicht weiter erörtert, dagegen die Berechtigung der Gesandtschaft festgestellt, eine Berechtigung, die allen Gesandtschaften zukommt, Staatsdepeschen aufzugeben, welche bei einfachem Tarif vor den dringlichen Telegrammen befördert werden. Ich habe gebeten, die für die hiesige Gesandtschaft in Frage kommenden Telegrafenämter – es sind deren mehrere, da jetzt sehr beschränkte Amtsstunden sind – entsprechend zu verständigen. Nachdem die Telegrammgebühren – so viel ich glaube – dem Lande verbleiben, in welchem die Telegramme aufgegeben sind, tritt hier eine Kompensation ein. Präsident Walser war auch nicht der Meinung, dass eine niedrigere Briefgebühr für den Briefverkehr im Lande verlangt werden soll, um die Landeseinnahmen nicht zu schädigen. Ich habe daher auch diese Frage nicht zur Sprache gebracht.

Der ganze Vertrag ist als Provisorium und kurzfristig gedacht und soll, wenn er sich bewährt, definitiver werden. [8] Der österreichischen Postverwaltung schwebt der Gedanke vor, dass Liechtenstein rascher zur Frankenwährung kommt als Österreich und dass diese Frankenwährung zu einer Zeit eingeführt werden könnte, wo eine stabile Relation zwischen Franken und Kronen noch nicht recht möglich ist; dies bildet aber – wie ich schon einmal zu berichten die Ehre hatte – [9] wohl die Voraussetzung für die Verwaltung der liechtensteinischen Post durch die österreichische bei verschiedener Währung.

Seitens des Postsparkassenamtes war kein Vertreter anwesend und wurden in dieser Hinsicht keine Fragen gestreift. Ich werde Ministerialrat Monschein noch telefonisch daran erinnern, dass liechtensteinischerseits gerade auf den Postsparkassenverkehr grosser Wert gelegt wird,

Eine Abschrift dieses Berichtes ergeht gleichzeitig an die fürstliche Gesandtschaft in Bern.

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[1] LI LA SF 03/1919/72/5957 ad 406. Aktenzeichen: 471/2. Eingangsstempel der Regierung vom 6.12.1919. Am Schluss des Schreibens handschriftlicher Vermerk von Prinz Karl: "In der Finanzkommission vorgetragen. 10.XII.1919." Ein weiteres Exemplar in LI LA V 002/0479.
[2] LI LA SF 03/1919/72/5830 ad 406.
[3] Zu den Verhandlungen vgl. auch LI LA SF 03/1919/72/6026 ad 406, deutschösterreichische Generaldirektion für Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesen an Gesandtschaft Wien, 2.12.1919.
[4] Vgl. LI LA RE 1919/5963 ad 4, Protokoll der Sitzung vom 2.12.1919 im deutschösterreichischen Staatsamt des Äussern.
[5] Die Postverwaltung stellte der Gesandtschaft Wien in der Folge einen Entwurf zu, der dort am 24.12.1919 einging. Prinz Eduard verlangte mit Schreiben vom 25.12.1919 einige Änderungen, die in einem zweiten Entwurf, der bei einer Besprechung am 30.12.1919 fixiert wurde, weitestgehend berücksichtigt wurden (LI LA SF 03/1920/0356 ad 40, Gesandtschaft Wien an Regierung, 3.1.1920). Der Landtag genehmigte am 31.1.1920 den Entwurf mit allen ausser einer Stimme (LI LA LTA 1920/S04). Das definitive Übereinkommen vom 18.2.1920 unter LI LA RE 1919/3062.
[6] LI LA SF 03/1919/72/5056 ad 406, Landtagspräsidium an Regierung, 14.10.1919.
[7] LI LA SF 03/1919/72/5056 ad 406, Regierung an Gesandtschaft Wien, 19.10.1919.
[8] Nach der Ratifikation des Postvertrags mit der Schweiz (LI LA SgSTV 1920.11.10) im Dezember 1920 kündigte Liechtenstein das Übereinkommen mit Österreich per 1.2.1921 (LI LA V 003/201, Telegramm Josef Peer an Gesandtschaft Wien, 28.12.1920).
[9] Vgl. LI LA SF 03/1919/72/4769 ad 406, Prinz Eduard an Regierung, 22.9.1919.