Die „Kölnische Zeitung“ berichtet über die Zweihundertjahrfeier des Überganges der Grafschaft Vaduz an das liechtensteinische Fürstenhaus


Artikel in der „Kölnischen Zeitung“ [1] 

17.7.1912 

Vaduz (Fürst. Liechtenstein), 15. Juli  

In der kleinsten und zugleich lieblichsten aller deutschen Fürstenresidenzen fand am 14. Juli ein Fest statt, wie es ihre Bewohner noch nicht gesehen und gefeiert haben: In Vaduz, der „Hauptstadt“ des Fürstentums Liechtenstein wurde die Zweihundertjahrfeier des Überganges der Grafschaften Vaduz und Schellenberg [2] an das noch jetzt regierende fürstliche Haus Liechtenstein begangen. Die 12'000 Einwohner des Landes waren zum guten Teil in Vaduz zusammengeströmt und ergötzten sich mit Hunderten von Freunden aus Österreich, der Schweiz und dem „Reich“ an dem wunderbaren Schauspiel. Und eigenartig und farbenfroh genug bot sich's dem Auge und Ohr dar. Beim Regierungsgebäude formte sich der Festzug mit Vertretern des Fürsten [Johann II.], der Regierung und der Abgeordneten; dann folgten der Veteranenverein, die Musikvereine und die Darsteller des Festspiels in den echten alten Landestrachten. Fürwahr, ein wundervolles Bild! Im Vordergrund die Hunderte der Festteilnehmern, kraftvolle Gestalten im Schmuck der alten Waffen aus Urväter Zeiten voran schmetternde Musik und wallende Fahnen, im Hintergrund das weite, blühende Rheintal, die Schweizer Berge und unmittelbar vor uns die „Falknis“ und die dunkelbewaldeten Hänge der „Drei Schwestern“. Vom „Löwen“ aus wandte sich der Zug nach der 100 m über dem Tal aufragenden Burg Liechtenstein, die jetzt wieder in alter Herrlichkeit erstanden ist, und ordnete sich hier zu weitem Kreise. Die oberländischen Männerchöre sangen das Weihelied, und daran schloss sich das von Landeskindern dargestellte Festspiel, das ein getreues Bild des Lebens und Leidens der Bewohner vor 200 Jahren gab. Von besonderm Interesse war die Darstellung einer Bauernhochzeit aus jener Zeit, der alte „Sechsertanz“ und die Schwertspiele. Das letzte Bild vereinigte alle Mitwirkenden auf der Naturbühne, begrüsst von lauthallendem Jubel der Zuschauer. Eine Ansprache des Landtagspräsidenten Dr. [Albert] Schädler, die in eine Huldigung des Volkes an den Landesfürsten ausklang, und der Gesang der Liechtensteinschen Volkshymne schloss die überaus eindrucksvolle Feier. [3]

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[1] Kölnische Zeitung, Mittags-Ausgabe, Nr. 806, 17.7.1912, S. 2. Handschriftliche Bemerkung: „Von P. [Paul] Bellardi“. Die 1802 gegründete „Kölnische Zeitung“ war im 19. Jahrhundert eine der führenden überregionalen Zeitungen Deutschlands. Bis 1914 stieg die Auflage auf eine Rekordhöhe von 200'000 Exemplaren. – Vgl. das gedruckte Festprogramm mit geschichtlichem Hintergrund sowie mit Weihelied und Volkshymne unter LI LA RE 1912/ad 0042, auch als Beilage zu L.Vo., Nr. 26, 28.6.1912. Vgl. weiters den ausführlichen Bericht über die Feierlichkeiten in: L.Vo., Nr. 29, 19.7.1912, S. 1-2 („Zweihundertjahrfeier“).
[2] Die Reichsherrschaft Schellenberg war von Fürst Johann Adam I. Andreas schon 1699 erworben worden.
[3] Weitere internationale Pressestimmen zur Zweihundertjahrfeier: z.B. „Die Neue Zeitung“, Nr. 183, 7.7.1912, S. 1 und S. 3 („Die Zweihundertjahrfeier im Hause Liechtenstein“); „Augsburger Postzeitung“, Nr. 153, 10.7.1912, S. 1-2 („Lichtensteiner Landesfeier“); „Neues Wiener Tagblatt“, Nr. 190, 14.7.1912, S. 7 („Festzug in Vaduz. Zweihundert Jahre Liechtenstein“); „St. Galler Tagblatt“ (Abendblatt), 15.7.1912, S. 3 („Das Jubiläum der Liechtensteiner“); „Werdenberger Nachrichten“, Nr. 82, 16.7.1912, S. 2 („Die Zweihundertjahrfeier in Vaduz“); „Augsburger Postzeitung“, Nr. 159, 17.7.1912, S. 1-2 („Lichtensteinische Landesfeier“); „Neue Freie Presse“, Nr. 17206, 19.7.1912, S. 7 („Zweihundertjahrfeier in Liechtenstein“); „Vorarlberger Landes-Zeitung“, Nr. 167, 24.7.1912, S. 4-5 („Das Fürstentum Liechtenstein“); „Reichspost“, Nr. 30, 27.7.1912, S. 1 und S. 8 („Das Jubiläum des Fürstentum Liechtenstein“).