Die Christlich-soziale Volkspartei analysiert die Resultate der Landtagswahlen vom März 1918


Artikel in den „Oberrheinischen Nachrichten“ [1]

23.3.1918

Wahlbetrachtungen

Die mit Wucht geführte Wahlschlacht ist nun geschlagen [2] und heute lassen sich die Wahlergebnisse ohne Voreingenommenheit betrachten.

Das Resultat des Wahlkampfes zwischen beiden Parteien ist ein schöner Sieg der Volkspartei. [3] Von 10 im Oberland zu wählenden Abgeordneten [4] und Ersatzmännern fallen 8 auf die Liste der Volkspartei, [5] denn Herr [Heinrich] Brunhart wäre auch gewählt worden, wenn ihn die Gegenpartei nicht portiert hätte. Allein wir wollen uns des Sieges nicht deswegen freuen, damit er sich bei der Gegenpartei in ein schmerzliches Empfinden auslöse, sondern darum, weil das Volk trotz allen traurigen Anwürfen und Andichtungen mit grosser Mehrheit uns das volle Vertrauen geschenkt hat.

Nicht mehr alle Abgeordneten werden die trauten Landtagshallen wiedersehen. Schon die aufgestellten Parteilisten liessen dies vorahnen. [6] Die christlich-soziale Volkspartei nahm noch 4 alte Abgeordnete im Oberland auf ihre Liste; die Gegenpartei (Herrenpartei) nur mehr einen; denn die Oder-Kandidaten am Triesenberg wussten nach den bekannten Vorkommnissen, wie ihr Vorschlag gemeint war. Die Volkspartei – obwohl manchen ihren Anhängern sozialistische, republikanische und andere Gesinnungen zu unrecht angedichtet wurden – war diesbezüglich konservativ, während die Herrenpartei in dieser Hinsicht mehr radikal und revolutionär sich zeigte; sie wollte mit dem Landtag gründlich aufräumen.

Aus den bekannten Ergebnissen wissen wir aber, dass das einfache Volk für solche übertriebene Extratouren mancher Herren das Verständnis so ziemlich verloren hat. Im Hauptwahlgang wurden 5 Kandidaten der Volkspartei, darunter 4 alte Abgeordnete, mit grossem Mehr gewählt, ebenso ein Kandidat der Gegenpartei. [7] Der im zweiten Wahlgang gewählte Kandidat [8] war ursprünglich von unserer Seite aufgestellt und er wäre im ersten Wahlgang sicher gewählt worden, wenn die Berger nicht noch rechtzeitig mit Entrüstung von Wahltreibereien in Schaan Kenntnis erhalten hätten. Vornehmlich deshalb, weil der Hauptort Vaduz noch keinen Abgeordneten hatte, wurde im zweiten Wahlgang unsererseits der bekannte Vaduzer Kandidat unterstützt. [9] Das Ergebnis der Stichwahl, auf die hin besonders noch in Schaan und von dort aus gearbeitet wurde, ist folgendes:

 

Schaan

Vaduz

Triesenberg

Triesen

Balzers

total

Wanger

232

91

59

64

54

500

Walser

7

70

139

93

148

457

Als Ersatzmänner wurden gewählt Herr [Heinrich] Brunhart, Balzers, mit 805, Herr [Franz] Verling, Vaduz, mit 575 und Herr [Johann] Hilti, Schaan, mit 388 Stimmen. –

Vaduz tritt diesmal in die Rolle von Schaan, indem es während 4 Jahren keinen Volksvertreter in den Landtag sendet, sofern nicht etwa sein Ersatzmann einberufen wird. Aus den Ergebnissen des Hauptwahlganges lässt sich auch eine Scheidung der Gemeinden vornehmen. Triesenberg (Volkspartei 1069, Gegenpartei 204 Kandidatenstimmen), Triesen (797 und 256) und Balzers (1017 : 237) haben mit überwiegender Mehrheit sich zur Volkspartei bekannt, Schaan (575 : 708) hingegen zur Gegenpartei, und Vaduz (703 : 397) ist trotz des Stimmenverhältnisses gemischt. Es sind dies auch für die Zukunft wegleitende Zahlen, die schliesslich doch bei manchen versöhnenderen Gedanken rufen müssen. Zu bedauern ist, dass Vaduz keinen Abgeordneten bekommen hat.

Im Unterland war die Gegenpartei weniger aufräumerisch mit den alten Abgeordneten umgegangen als im Oberland. Einzig Herr [Franz Josef] Hoop sollte ersetzt werden, weil er sich in den letzten Jahren nicht gut betragen hatte. Das Resultat ist, dass er die zweithöchste Stimmenzahl erhielt. Gewiss ein schönes Zutrauensvotum! Es ziehen von fünf Abgeordneten drei alte [10] und zwei neue, nämlich Herr [Karl] Kaiser, Schellenberg, und Herr Peter Büchel, Mauren, in den Landtag ein. Ersatzmänner des Unterlandes sind die Herren [Franz] Hoop, Eschen, und Medard Ritter, Mauren. – Im ganzen kehren 5 Abgeordnete nicht mehr in den Landtag zurück. [11]

Das Volk hat durch seine Stimme gezeigt, dass es die Politik der Volkspartei gutheisst und sie weiter geführt wissen will. Das werden wir uns auch merken müssen, ohne etwa in allem gebunden zu sein, wie ein gegnerischer Wahlredner behauptet hat. Den Anhängern der Volkspartei muss das ehrende Zeugnis ausgestellt werden, dass sie treu zur Fahne eines gesunden Fortschrittes gehalten haben. Das Wahlkampfergebnis ist ein lehrreiches Zeugnis dafür, was kleine, aber vereinte Kräfte gegen einen Ansturm auszuhalten und zu erringen vermögen. Mögen sich unsere Anhänger je und je bewusst bleiben, dass Eintracht ernährt, Zwietracht verzehrt, und möge der Zusammenhang und das gegenseitige Vertrauen noch inniger werden und dann können wir, ähnlich wie [Otto von] Bismarck, uns auf unsere Kraft stützen, die sich vor Gott und Vaterland verneigt. Einen schönen Zug hat das von einigen so gebrandmarkte Parteiwesen in unser Volk gebracht: es hat die Leute einen Keim zu gegenseitigem Vertrauen in politischen Sachen getragen. Möge er sich reichlich entwickeln! Haltet auch in Zukunft zusammen!

Der Wahlkampf ist nun entschieden. Er hat ganz unerfreuliche Erscheinungen, die wir an dieser Stelle nicht weiter behandeln wollen, die aber keineswegs so leicht vergessen werden, gezeitigt. Die Gegensätze sind nicht so leicht auswischbar, so sehr dies zu beklagen ist – aber es gibt nun einmal auch bei uns keine Parias mehr!

Trotz alledem bieten die Abgeordneten der Volkspartei bei aller Wahrung ihres Standpunktes den Gegnern die versöhnende Hand zu gemeinsamer Arbeit im Interesse des Vaterlandes. Reiche Arbeit wartet den neuen Abgeordneten und da hilft nur einträchtiges Zusammenhalten, um den Wünschen des Volkes und den Anforderungen der neuen Zeit gerecht zu werden. Das walte Gott!

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[1] O.N., Nr. 13, 23.3.1918, S. 1. Vgl. auch die Kommentierung der Landtagswahlen in: L.Vo., Nr. 12, 22.3.1918, S. 2 („Nachklänge zu den Wahlen“).
[2] Die Hauptwahlen für den Landtag fanden am 11.3.1918 statt, die Stichwahlen am 18.3.1918.
[3] Der Christlich-sozialen Volkspartei standen die politischen Kreise um das „Liechtensteiner Volksblatt“ – von ihren Gegnern Herrenpartei genannt – entgegen, die dann am 22.12.1918 formal die Fortschrittliche Bürgerpartei gründeten (vgl. L.Vo., Nr. 52, 27.12.1918, S. 1 („Die Fortschrittliche Bürgerpartei“)).
[4] Der liechtensteinische Landtag zählte 15 Mitglieder, wovon 12 vom Volk gewählt und 3 vom Fürsten ernannt wurden.
[5] Vgl. O.N., Nr. 9, 2.3.1918, S. 2 („Unser Partei-Wahlvorschlag“).
[6] Vgl. L.Vo., Nr. 8, 22.2.1918, S. 1 („Unsere Oberländer Abgeordneten für den kommenden Landtag“) und L.Vo., Nr. 10, 8.3.1918, S. 1 („Unsere Unterländer Abgeordneten für den kommenden Landtag“).
[7] Es waren dies Josef Gassner, Wilhelm Beck, Albert Wolfinger, Josef Sprenger und Emil Risch, ferner Friedrich Walser.
[8] Es handelte sich um Johann Wanger.
[9] Es handelte sich um Anton Walser.
[10] Es waren dies Johann Hasler, Franz Josef Hoop und Josef Marxer.
[11] Von den im September 1914 gewählten Landtagsabgeordneten waren nicht mehr vertreten: Albert Schädler – dieser wurde jedoch im April 1918 zum fürstlichen Abgeordneten ernannt –, Josef Brunhart (bereits im Dezember 1914 verstorben), Egon Rheinberger, Franz Josef Beck, Emil Batliner und Johann Wohlwend, letzterer wurde ebenfalls von Fürst Johann II. zum Abgeordneten bestellt.