Maschinenschriftlicher Antrag der Landtagsabgeordneten Peter Büchel, Johann Wanger und Johann Hasler an den Landtag, ungez. [1]
Anfang März 1921, Vaduz
Antrag
der Abgeordneten Peter Büchel und Genossen auf Erlassung eines Gesetzes betr. die Errichtung einer bewaffneten Landeswehr.
Am 26. Febr. 1921 hat eine Versammlung von etwa 700 wahlberechtigten Landesbürgern in Vaduz [2] durch ihre gemeindeweise gewählten Vertrauensmänner folgenden Beschluss gefasst:
"Die Versammlung spricht den Wunsch aus, dass zum Schutze der Regierung und zur Aufrechterhaltung der Ordnung ehestens eine bewaffnete Bürgerwehr organisiert werde."
Durch das Gesetz, [3] welches wir hiemit dem Landtage zur Beschlussfassung vorlegen, soll der vorerwähnte Beschluss ausgeführt werden.
Die Zustände, die sich leider seit einigen Jahren im Lande gezeigt haben und die sich kurz dahin beschreiben lassen, dass dank einer unablässig, teils offen, teils geheim getriebenen Verhetzung die Ruhe und Ordnung im Lande einer beständigen Gefährdung ausgesetzt ist und die der Regierung zur Verfügung stehenden bescheidenen, nur für normale Zustände berechneten Machtmittel nicht mehr ausreichen, sind den Mitgliedern des Hauses zu gut bekannt und es stehen insbesondere die Ereignisse des 26. Februars 1921 und der Vortage in zu frischer Erinnerung, als dass es noch einer weiteren Begründung für die unbedingte Notwendigkeit kräftiger "Abwend [!] und Steuerung" bedürfte – ein Hinweis auf diese Zustände und Ereignisse reicht hiezu vollkommen aus!
Die Landeswehr, deren Organisierung durch das von uns beantragte Gesetz in die Wege geleitet werden soll, bezweckt nichts anderes, als die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Lande und die wirksame Bekämpfung von Unruhen, die dem Lande schon schweren Schaden gebracht haben und sein Ansehen und den ihm so notwendigen Kredit in empfindlichster Weise beeinträchtigen.
Die Landeswehr soll und wird nie eine Parteitruppe sein.
Durch ihre Errichtung erwachsen dem Lande keinerlei weitere Kosten, als jene aus der Beschaffung von Waffen und Munition, aus der Vergütung des Taglohns im Falle ihrer Beanspruchung zur Bekämpfung von Unruhen und aus der Entschädigung für im Dienste den Mitgliedern der Landeswehr zugehende Unglücksfälle; letzterer Aufwand kann durch Eingehung einer zweckmässigen Versicherung auf ein sehr bescheidenes Mass herabgedrückt werden.
Allen diesen, einzeln und zusammen genommen nicht bedeutenden Kosten steht der viel höhere, ja unschätzbare Wert gegenüber, den die Sicherung von Ruhe und Ordnung und die Wiederherstellung der Achtung vor dem Gesetze und den ihm entsprechenden Anordnungen der Regierung für das Land haben.
Der Dienst bei der Landeswehr soll nie zu einem Erwerbe führen, sondern grundsätzlich eine Ehrensache und Ehrenpflicht zur Wahrung der lebenswichtigsten Landesinteressen sein.
In Anbetracht der Dringlichkeit der Sache beantragen wir, den vorliegenden Gesetzentwurf ohne Zuweisung an eine Kommission sofort im Hause in Beratung zu ziehen und empfehlen ihn zur Annahme. [4]
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[1] LI LA SF 01/1921/ad 36. Es dürfte sich um eine von der Regierung erstellte Abschrift handeln.
[2] Am 26.2.1921 fand in Vaduz eine aus Kreisen der Volkspartei organisierte Demonstration wegen der Briefmarkenfrage sowie eine grössere Gegendemonstration von Anhängern der Bürgerpartei statt. Vgl. LI LA SF 01/1921/027, Landesverweser Josef Peer an Kabinettsrat Josef Martin, 27.2.1921; L.Vo., Nr. 17, 2.3.1921, S. 1 ("Ein denkwürdiger Tag"). Die Gegendemonstranten wählten "Vertrauensmänner", die sich mit Landesverweser Josef Peer, Landtagspräsident Friedrich Walser und den Abgeordneten in den Landtagssaal begaben und dort eine Reihe von Beschlüssen fassten (LI LA SF 01/1921/208, Friedrich Walser an Regierung, 26.2.1921).
[3] Gesetz vom 12.3.1921 betreffend die Errichtung einer bewaffneten Landeswehr, LGBl. 1921 Nr. 5. Vgl. auch die Entwürfe einer Verordnung zu den näheren organisatorischen Bestimmungen sowie von Satzungen der Landeswehr in LI LA RE 1921/1466.
[4] Der Landtag stimmte dem Antrag am 8.3.1921 nach einer kurzen Diskussion, in der sich einzig Josef Gassner gegen die Schaffung einer Landeswehr aussprach, mit elf zu zwei Stimmen zu. Landesverweser Peer unterbreitete das Gesetz umgehend Fürst Johann II. zur Sanktion (LI LA SF 01/1921/036, Bericht Josef Peer an Johann II., 8.3.1921). Der Fürst unterzeichnete das Gesetz am 12.3.1921. Das Gesetz gelangte jedoch nicht zur Umsetzung. Die Regierung setzte weder die Satzungen der Landeswehr noch die Verordnung in Kraft. Regierungschef Josef Ospelt erlangte schliesslich im Juli 1921 von Johann II. die Genehmigung, mit der Ausführung des Gesetzes zuwarten zu dürfen (LI LA RE 1921/3147 ad 1466, Amtsvermerk Josef Ospelt, 13.7.1921).