Schreiben von Louis Seeger an die Regierung [1]
1.6.1934, Schaan
Bezugnehmend auf die heute vormittags mit Herrn Reg.Chef. Dr. [Josef] Hoop gehabte Unterredung erstatte ich der fürstl. Regierung als Vertreter der Ehrwürdigen Schwestern „Anbeterinnen des Kostbaren Blutes“ in Balzers bezügl. des für Letztere in der Gemeinde Schaan zu erbauenden Frauenklosters auf Grund der in dieser Angelegenheit ergangenen Verhandlungen folgenden Bericht.
Wie der fürstl. Regierung bekannt ist, wurde der Entwurf für den vorgenannten Neubau im Wettbewerb ausgeschrieben.
An dem Wettbewerb nahmen teil: 2 ausländische in Liechtenstein niedergelassene Architekten und zwei Architekten in Vorarlberg und in Tirol, 1 Liechtensteiner Ingenieur und zwei Liechtensteiner Baumeister, wovon der eine im Ausland tätig ist.
Nach Eingang der Wettbewerbsentwürfe hat die Baukommission beschlossen, die Entwerfer der vier besten Projekte - es waren dies 2 Architekten in Vorarlberg und in Tirol und die beiden ausländischen in Liechtenstein niedergelassenen Architekten - einzuladen bezügl. Entwurf des endgiltigen Bauplanes und der Nebenpläne, Verfassung der Kostenvoranschläge, Bauverträge, Bauaufsicht, Abrechnung mit sämtl. Bauunternehmern ein Offert in Prozenten bei dem Vertreter der Bauherrschaft einzureichen.
Die vier vorgenannten Architekten haben dann auch rechtzeitig ihre Offerten eingereicht und wurden diese Offerten vorerst durch die Baukommission eingehend besprochen.
Zur entgiltigen Entscheidung des zu erbauenden Frauenklosters in Schaan wurden sämtliche Baupläne mit den Offerten der vier vorgenannten Architekten noch dem Hochwürdigsten Bischof [Laurenz Matthias Vincenz] und den Hochwürdigsten Herrn Domprobst [Emilio Lanfranchi] und Generalvikar [Christian Caminada] in Chur vorgelegt.
Nach eingehender Prüfung der Baupläne und der vier Offerten haben sich am 30. Mai 1934 auch der Hochwürdigste Bischof und die Hochwürdigen Herren Domprobst und der Generalvikar in Chur für das von Herrn Architekt Artur Wander, Baumeister in Lauterach bei Bregenz, eingegangene Projekt entschieden und dies hauptsächlich der Gestaltung und praktischen Einteilung der Gebäudes wegen und nicht zuletzt, weil gerade dieser Architekt weitaus der billigste unter den vier Architekten war.
Unter den vier Architekten sind drei Katholiken und ein Protestant. [2]
Schon als ich in Vertretung der Bauherrschaft für den Entwurf des Bauplanes auch den Architekten, der Protestant ist, zum Wettbewerb eingeladen habe, erhielt ich von verschiedenen Seiten grosse Vorwürfe. Trotzdem habe ich diesen Herrn Architekten auch eingeladen Offerte für die entgiltige Verfassung des Bauplanes, Bauaufsicht etc. bei mir einzureichen.
Als nun dies bekannt wurde, wurde direkt Sturm gelaufen und alles unternommen, um den Herrn als Protestanten als Bewerber für das zu erbauende Frauenkloster auszuschliessen. Um nun der Sache gerecht zu werden, hatte ich diesbezüglich eine gründliche Aussprache mit dem Hochwürdigsten Herrn Bischof, dem Herrn Generalvikar in Chur und mit Hochwürdigen Herrn Landesvikar Dr. [Johann Georg] Marxer in Gutenberg–Balzers.
Der Hochwürdigste Bischof und auch die andern Hochwürdigen Herrn äusserten sich, dass es einem Frauenkloster nicht gut anstehen würde, wenn sie einen Protestanten als Architekten und Bauleiter nehmen würden, nachdem die Ehrw. Schwestern ohnedies in den katholischen Gemeinden in der benachbarten Schweiz für den Bau Geld gesammelt haben und auch in dem durchwegs katholischen Liechtenstein auch noch die Einwohner um Unterstützung angehen wollen.
Bemerken möchte ich noch, dass der Architekt, der Protestant ist, nicht nur deshalb für die Bauführung etc. nicht in Betracht kommt, weil er Protestant ist, sondern weil sein Offert auch zu hoch war und der Plan weder der Bauherrschaft, noch dem Hochwürdigsten Bischof, sowie den Hochwürdigen Herrn Domprobst und Generalvikar entsprochen hat.
Von den ausländischen in Liechtenstein wohnhaften Architekten bleibt sohin nur noch Herr Architekt [Hans] Armbruster als Bewerber. Der Plan des Architekten Armbruster hat nicht nur der Bauherrschaft, sondern auch dem Hochwürdigsten Bischof und dem Hochwürdigen Herrn Domprobst und dem Hochwürdigen Herrn Generalvikar nicht im Geringsten entsprochen und sein Offert bezügl. Entwurf des entgiltigen Planes, Bauaufsicht etc. ist auch viel höher als das Offert des Architekten und Baumeisters Wander.
Bei der früher mit Herrn Armbruster gehabten Unterredung äusserte sich auch derselbe, dass er für die Bauaufsicht einen jungen Mann zum Baue stellen werde, was der Bauherrschaft absolut nicht passte, indem dieselbe wünscht, dass der Architekt während der Bauzeit immer auf der Baustelle ist, welchem Wunsche Herr Architekt und Baumeister Wander allein der Bauherrschaft nachzukommen sich verpflichten würde.
Die Bauherrschaft ist aus vorgenannten Gründen nicht in der Lage Herrn Architekt Armbruster als Bauleiter des zu erbauenden Frauenklosters anzustellen.
Da die Bauherrschaft schon grosse Unannehmlichkeiten mit der Gemeindebehörde Balzers hatte, [3] wird sich dieselbe noch überlegen, ob sie überhaupt noch in Schaan bauen will, wenn man ihr noch weitere Schwierigkeiten bereitet und diese Schwierigkeiten heute nicht von Liechtensteiner Bürgern, die so hart auf Arbeit warten, sondern lediglich von deutschen in Liechtenstein niedergelassenen Staatsbürgern gemacht werden.
Ausdrücklich noch möchte ich betonen, dass es der Bauherrschaft finanziell unmöglich ist, noch eine weitere Kraft zur Bauaufsicht anzustellen und Herrn Architekt Wander kann aus seinem zu bekommenden sehr bescheidenen Salair ebenfalls keine Person zur Aufsicht anstellen.
Der Gefertigte stellt daher als Vertreter der Schwestern „Anbeterinnen des Kostbaren Blutes“ in Gutenberg – Balzers, an die fürstliche Regierung die
Bitte
Herrn Architekt und Baumeister Artur Wander, derzeit in Zirl bei Innsbruck, die Bewilligung zu erteilen, die gesamte Bauleitung des in Schaan zu erbauenden Frauenklosters übernehmen zu können.
Die Gesuchsteller erwarten eine günstige Erledigung dieses Gesuches und hoffen, dass die ganze Bauangelegenheit wegen einem in Vaduz niedergelassenen ausländischen Architekten und wegen einer event. Bauaufsicht durch einen einzigen Liechtensteiner Bürger nicht ins Wasser fallen wird, durch was vielleicht 100 und noch mehr Liechtensteiner Arbeiter den schon längst erwarteten Verdienst verlieren.