Der Bischof von Chur verteidigt den Entschluss der Anbeterinnen des Kostbaren Blutes, von Balzers wegzuziehen


Schreiben von Laurenz Matthias Vincenz, Bischof von Chur, an Regierungschef Josef Hoop [1]

29.5.1934, Chur

Sehr geehrter Herr Regierungschef,

Sie haben mit Datum vom 24.d.M. uns das Gesuch der Gemeindevorstehung von Balzers vom 9.d.M. zugestellt, [2] dahingehend, es möchte ein Neubau durch die Schwestern vom kostbaren Blute in Schaan verhindert werden, event. möchte dafür gesorgt werden, dass andere Schwestern nach Gutenberg kommen, wenn die jetzt dort wohnenden Schwestern vom kostbaren Blute wegziehen.-

Wir haben zur Angelegenheit folgendes zu sagen:

  1. Die Schwestern von Gutenberg haben bei der Gemeindevorstehung von Balzers inständig angehalten, sie möchte ihnen das bisherige Gebäude in Gutenberg zu einem annehmbaren Preis verkaufen; die Oberin hat ein begründetes schriftliches Gesuch eingereicht, [3] sie ging zudem zu jedem Mitglied der Gemeindevorstehung und bat dringend, den Schwestern das Haus zu verkaufen. Es hat alles nichts genützt; die Gemeindevorstehung stellte einen Preis, den die Schwestern nicht bezahlen konnten; eine Gegenofferte wurde gar nicht berücksichtigt. So wurden die Schwestern durch die Gemeindevorstehung von Balzers selber gezwungen, sich anderswo um einen Platz umzusehen.
  2. Die Gemeindevorstehung von Balzers hatte offenbar damit gerechnet, dass die Schwestern unter allen Umständen das bisherige Haus kaufen müssten. Da es sich nun herausgestellt hat, dass diese Rechnung falsch war, kommt nun die Gemeindevorstehung Balzers und schreit Zetter und Mordio, Regierung und Bischof möchten verhindern, dass die Schwestern in Schaan bauen! Wir können dieses Begehren wirklich nicht verstehen; erst ekelt man die Schwestern zum Dorfe hinaus, dann ruft man ihnen zu, bleibet bei uns! - Wir haben noch einmal die Schwestern angefragt, ob sie vielleicht doch in Gutenberg bleiben wollten, falls ihnen das Haus jetzt zu einem entsprechenden Preis verkauft würde; sie wollen aber nicht, was man auch begreifen kann, wenn man ihre Gründe hört. Wir unsererseits haben daher keinen Grund, sie am Neubau in Schaan zu hindern.-
  3. Ob eine andere klösterliche Gesellschaft sich in Gutenberg niederlassen soll, ist eine Frage für sich; gerade sehr einladend hiezu ist das Verhalten der Gemeindevorstehung gegen die bisherigen Schwestern nicht. Ein altes Kirchengesetz bestimmte, das man in die Nähe eines Klosters nicht ein anderes gleichartiges stellen soll; diesen Gedanken wird man heute auch beachten müssen.-

Mit Gruss und Segen

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[1] LI LA RF 145/186/023.
[2] LI LA RF 145/186/021, 022.
[3] LI LA RF 145/186/003.