Handschriftliches Originalschreiben des Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois), mit einem Zeitungsausschnitt, an Emma Rheinberger [1]
Ende Dezember 1910 („12.1910“), Nauvoo (Illinois)
Fräulein Emma Rhbrgr [2]
Liebe Emma [3]!
Wenige Tage noch und vergangen ist
wieder ein Zeitabschnitt in unserem Leben
und noch einmal ist es mir vergönt
Ihnen und Ihren Lieben meine aufrichtigsten
Wünsche für Ihr und der Ihrigen Wohl-
ergehen im Laufe des kommenden Jahres
zu übersenden. Vielleicht zum letztemal.
Möchte der gute Gott dieses kommende Jahr
segnen, zum Trost und neuer Hoffnung der
sehr, sehr vielen von allerlei schweren Unglück
Betroffenen! Die Vereinigten Staaten [4]
hatten in Folge eines langen, warmen und trockenen
Herbstes an Brodfrüchten eine reiche Erndte
nur Baum und Beerenfrüchte fehlten in
einigen Staaten [5] gänzlich, während in einigen
Weniges, in anderen noch gute Erndten waren.
Meine Maria [6] berichtet mir aus Lewiston [7] [8]
im Staate Idaho [9], dass [10] dorten nie so viele
Apfel gesechen wurden wie dieses Jahr.
Sie schrieb mir Ende September [11] und bemerkte,
dass sie heute seit Mitte Juny [12] den ersten Regen
hätten. Letzte Woche schickte sie uns hier
Apfel, gut, schön, fehlerlos und sorgsam
verpackt. Die Trauben-Erndte da und dort weniges
im ganzen nichts. Was ich erhielt, blieb um
$ 50.- hinter den Baar-Auslagen zurück, und
bezalt für meine eigene Jahres-Arbeit keinen
Cent [13]. Ich lege Ihnen einen Bericht über die Erndte
dieses Jahres in den V. Staaten [14] bei. [15]
Sie geben mir einen so schönen Bericht über die
Tätigkeit Ihrer Fräulein Schwester Olga [Rheinberger] [16]
dass man ihn mit Freude und Intresse [17] liesst
und man fühlt heraus, wie dankbar Sie
ihr Walten anerkennen. Der gute Gott
erhalte Sie Ihnen gesund und kräftig.
Ich bedaure sehr Ihre Schwester Hermina [Hermine Rheinberger] [18].
Mehr noch bedaure ich Euch, wenn Ihr sie besuchet.
Ich kann mich in den Schmerz denken, der Euere Herzen [19]
durchwühlt bei ihrem Anblick.
Körperlich scheint sie nicht zu leiden, und ihr Geist
umnachtet. Wie sehr wird sie einst beglückt
und Ihr erfreut sein, wen der gute Gott sich
dieser Schuldlosen Seele [20] erbarmt, und sie
und ihren Geist, aus irdischer Nacht in das
ewige Licht versetzt.
Auch über die anderen Verwandten geben Sie
mir erfreulichen Bericht. Ich wusste nicht,
dass im Löwen [21] noch mehrere Kinder sind, worunter
auch noch ein Sohn [Anton Robert Rheinberger]. Allen [22] meine Grüsse und
Segenswünsche. Das Bild Ihres Grossvaters [Josef Anton Rheinberger]
nehme ich mit Dank und Freude an.
In seinen letzten Stunden stand ich, ein kleiner
Bube an seinem Bette, und weiss noch, wie er
mit zitternden Händen ein Glas mit Rotwein an
seinen Mund führte.
Ihre Auslagen im Weinberg sind gross, und fordern
gute Erndten. Mein Onkel Johan Rheinberger [23] [24] im
Adler [25] gieng in den Jahren 1816-1817 wirtschaftlich
beinahe zu Grunde. Er hatte damals noch [26]
Rebstöcke auf der anderen Seite des Rheines,
und Arbeits Löhne, Unterhaltungs Kosten,
und Ertraglosigkeit, brachte jede Mass [27]
Wein, wie man mir sagte, auf ein
Louis dor [28] /: 4 Dollar [29] 80 Cents [30] nach unserm Geld.
Seine Schwester, meine liebe Tante Theres [Franziska Theresia Rheinberger] [31]
hielt ihn mit ihrem Vermögen aufrecht
und er wurde wieder ein reicher Mann.
Durch diesen Anlass kam sie nach seinem Tode
in den Besitz dess roten Hauses.
Ein kleines, kluges, alleinstehendes Frauchen,
das unseren Dank und unsere Verehrung in hochem
Grade besitzt. Wie freute sie sich, als ich im
Jahre 1850 von Amerika [32] zurückkam. Aber auch
Ihre [33] Grossmutter [Kreszentia Rheinberger [-Schlegel]] freute sich, und nahm mich
in ihre Arme, und hielt mich im Löwen [34],
bis ich mit meinem eben angetrauten, lieben
Mädchen [Margarethe Rheinberger [-Brasser]] zurück kehrte.
Empfangen Sie, Ihre lieb Schwester Olga [35],
der Herr Egon [Rheinberger] [36], Ihr Bruder und seine werthe Frau [Aloisia Maria Rheinberger [-Schädler]] meine Segenswünsche.
A. Rheinberger [37]
______________
[1] LI LA AFRH Ha 17/17. Brief in Kurrentschrift. Vgl. das Schreiben der Emma Rheinberger an Alois Rheinberger vom 10.10.1910 unter LI LA AFRh Ha 18.
[2] In lateinischer Schrift.
[3] In lateinischer Schrift.
[4] In lateinischer Schrift.
[5] In lateinischer Schrift.
[6] In lateinischer Schrift.
[7] In lateinischer Schrift.
[8] Seitenwechsel.
[9] In lateinischer Schrift.
[10] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[11] In lateinischer Schrift.
[12] In lateinischer Schrift.
[13] In lateinischer Schrift.
[14] In lateinischer Schrift.
[15] Der Zeitungsausschnitt liegt bei. Von einer Wiedergabe wird hier abgesehen.
[16] In lateinischer Schrift.
[17] In lateinischer Schrift.
[18] In lateinischer Schrift.
[19] In lateinischer Schrift.
[20] Durchstreichung.
[21] In lateinischer Schrift.
[22] Unterstrichen.
[23] In lateinischer Schrift.
[24] Wohl Johann Nepomuk Rheinberger.
[25] In lateinischer Schrift.
[26] Seitenwechsel.
[27] In lateinischer Schrift.
[28] In lateinischer Schrift.
[29] In lateinischer Schrift.
[30] In lateinischer Schrift.
[31] In lateinischer Schrift.
[32] In lateinischer Schrift.
[33] Unterstrichen.
[34] In lateinischer Schrift.
[35] In lateinischer Schrift.
[36] In lateinischer Schrift.
[37] In lateinischer Schrift.