Die Regierung ersucht die liechtensteinische Gesandtschaft, mit der italienischen Delegation in Bern eine Vereinbarung über die Viehausfuhr gegen Kompensationen zu treffen


Maschinenschriftliches Schreiben des Landesverwesers Prinz Karl, gez. ders., an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern [1]

8.8.1919

Mit Bezug auf das geschätzte Schreiben vom 6. d.M. [2] beehre ich mich mitzuteilen, dass Herr [Friedrich] Walser, Schaan, mit dem Begleiter des Herrn Dr. [Mario] Muratori, Herrn David Beffa aus Steinen folgende provisorische Vereinbarungen getroffen hat: [3]

Unter der Bedingung, dass von der schweizerischen Regierung die Bewilligung zur Ausfuhr von 300'000 Schweizer Franken erreicht wird und als Kompensation Speisefett, Teigwaren und allenfalls auch andere Artikel geliefert werden, könnten der italienischen Vieheinkaufskommission rund 200 Stücke Vieh, und zwar zur Hälfte trächtige Kühe und Rinder und zur anderen Hälfte ein- und zweijährige Rinder, zur Ausfuhr aus Liechtenstein überlassen werden.

Der Einkauf würde freihändig im Beisein von Mitgliedern der liechtensteinischen Viehverwertungsstelle erfolgen. Die ganze Auszahlung geschieht an die Viehverwertungsstelle oder einen Beamten der fürstlichen Landeskasse, welche letztere die Bezahlung der Verkäufer besorgt. 

Hinsichtlich der von Italien für diese Viehlieferungen zu leistenden Kompensation wolle die Gesandtschaft unter Bezugnahme auf vorstehende Abmachungen mit der italienischen Gesandtschaft in Bern bezw. der dortigen italienischen Delegation Vereinbarungen treffen.

Es wolle veranlasst werden, dass für etwa je ein Waggon Speisefett und Teigwaren von soliden Geschäften Angebote unter genauer Preisangabe gemacht werden. [4]

Behufs Verhinderung der Weiterbringung der allenfalls aus der Schweiz nach Liechtenstein zur Ausfuhr zugelassenen Schweizer Franken nach Deutschösterreich und dem übrigen Ausland glaubt die fürstliche Regierung etwa in Aussicht nehmen zu wollen, dieses Geld bei der liechtensteinischen Sparkasse in Vaduz anzulegen; unter Umständen könnte auch ein Teil dieses Geldes bei einer schweizerischen Bank angelegt werden.

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[1] LI LA SF 13/1919/3844 ad 0001. Reingeschrieben am 8.8.1919 von Anton Seger. Weiteres Exemplar unter LI LA V 002/0549.
[2] Vgl. das Schreiben des designierten liechtensteinischen Geschäftsträgers in Bern, Emil Beck, an die liechtensteinische Regierung vom 6.8.1919 (LI LA SF 13/1919/3844 ad 0001/3521). Beck berichtete, dass er sich mit dem Viehaufkäufer der italienischen Provinz Udine, Mario Muratori, in Verbindung gesetzt, die Frage der Viehausfuhr allgemein besprochen und ihn schliesslich an Friedrich Walser von der liechtensteinischen Viehverwertungsstelle verwiesen hatte. Zudem hatte sich Beck, dessen Akkreditierung in Bern übrigens noch nicht erfolgt war, in der Frage der Ausfuhr des Kaufpreises in Schweizer Franken nach Liechtenstein an das Schweizerische Politische Departement gewandt. Die Hauptschwierigkeit bestand dabei darin, den Abfluss schweizerischen Geldes nach Österreich oder ins übrige Ausland zu verhindern. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Bericht von Beck an die Regierung vom 31.7.1919 über eine Besprechung mit dem Handelsattaché der italienischen Delegation, Prof. Labriola, über die Viehausfuhr nach Italien (LI LA SF 13/1919/3706 ad 0001/3521).
[3] Vgl. den diesbezüglichen Bericht von Friederich Walser an die Regierung vom 5.8.1919 über die Verhandlungen mit David Beffa in Buchs am 2.8.1919 (LI LA SF 13/1919/3781 ad 0001).
[4] Vgl. in weiterer Folge die Note der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern an die italienische Gesandtschaft bzw. Delegation ebd. vom 3.9.1919, wonach die liechtensteinische Regierung bereit war, „möglichst bald“ 200 Stück Vieh abzugeben und zwar zu den im Kanton St. Gallen, z.B. in Altstätten, laufenden Marktpreisen. Als Kompensation wollte Liechtenstein Reis, Teigwaren und Petroleum beziehen (LI LA V 002/0549). Die italienische Delegation lehnte jedoch das Angebot mit Note vom 19.9.1919 ab (ebd.) Emil Beck führte dazu in seinem Bericht vom 22.9.1919 an die liechtensteinische Regierung aus, dass ein Handel nur zustande gekommen wäre, wenn die Preise niedriger als in der Schweiz gewesen wären (ebd.). Vgl. auch LI LA SF 13/1919/4777 ad 0001/3411: Am 29.9.1919 offerierte das liechtensteinische Ernährungsamt der „Società per il Commercio con l'Europa Centrale“ in Fortezza im Trentino ca. 500 Stück Vieh gegen Weizenmehl, Polentagries, Schweinefett, Teigwaren, Reis, Olivenöl und Fischtran für Gerbereizwecke. Vgl. O.N., Nr. 75, 4.10.1919, S. 1 („Kompensationsverkehr mit Italien“). Auch dieses Geschäft zerschlug sich (vgl. das Schreiben des liechtensteinischen Ernährungsamtes vom 31.12.1919 unter LI LA SF 13/1919/6155 ad 0001). Zu späteren Viehexporten nach Italien vgl. die Note des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (Veterinäramt) an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern vom 7.9.1921 (LI LA V 002/0549 (Aktenzeichen der Gesandtschaft: 1151)) oder das Schreiben der Gesandtschaft an die liechtensteinische Regierung vom 29.7.1922 (ebd. (Aktenzeichen der Gesandtschaft: 834)).