Regierungschef Josef Hoop diskutiert mit Vertretern der Landwirtschaft, des Gewerbes und der Arbeiterschaft über ein Wirtschafts- und Notstandsprogramm


Protokoll, gez. Regierungschef Josef Hoop[1]

8.10.1935

Protokoll

über die Besprechung mit den Vertretern des Bauernvereines, Gewerbeverbandes und der Arbeiterschaft am Dienstag, den 8. Oktober 1935, vormittags 10 Uhr

Anwesend: Obl. Meier, Vorst. Bernh. [Bernhard] Risch, Bauernberater Franz Beck, Reg.Rat-Stellvertreter Josef Öhri, Banzer Richard, Triesen, Johann Wachter

Vom Gewerbe: Baumeister Anton Ospelt, Vaduz, Emil Ospelt, Schaan, Gust. Biedermann

Vom Arbeiterverband: Franz Hämmerle, Anton Meier, Schaan, Theobald Risch, Triesen

Reg. Chef Dr. [Josef] Hoop begründet den Landtagsbeschluss [2] über die Reorganisierung des Gewerbes, die Beschaffung von Arbeit und der Hebung der Landwirtschaft. Er ersucht die einzelnen Berufsgruppen, hiezu sich zu äussern und eventuelle Vorschläge zu unterbreiten.

Die Vertreter der Landwirtschaft und des Gewerbes erklären sich vollkommen einverstanden mit dem Entwurfe. Sie unterstreichen ebenfalls die Notwendigkeit der Intensivierung der Landwirtschaft, wodurch eine erhebliche Zahl von Arbeitskräften schon bei den Vorarbeiten (Rodungen, Drainage etz.) beschäftigt werden können und später lohnenden Erwerb finden. Vorsteher Bern. Risch und Geschäftsführer Joh. Wachter weisen auf die Dringlichkeit der Anders-Verlegung des Scheidgrabens hin, worauf ihnen seitens des Regierungsvertreters entgegengehalten wird, dass in erster Linie der Binnenkanal bis Bendern gebaut werden müsse, nachher aber das Notwendige für die Entwässerung des Rietes unternommen werde.

Auch die Vertreter der Arbeiterschaft sind mit dem Entwurf einverstanden. Eine Diskussion erhob sich einzig wegen der Lohnbeiträge bis zu 30 % für anzulernende liechtensteinische Knechte. Bernhard stellt den Antrag, es möchten die Lohnbeiträge zur Hälfte den Bauern, zur anderen Hälfte als Prämie für die Knechte ausgefolgt werden. Franz Hämmerle befürwortet den Antrag an die Arbeiter. Zum Schluss ist man mehrheitlich der Auffassung, der sich auch die Arbeitervertreter Meier und Risch anschliessen, dass die Beiträge den Bauern gegeben werden sollen, während indessen die Bauern den Knechten eine anständige Bezahlung bieten wollen. Allgemein ist man der Meinung, dass, wenn jugendliche Personen, denen man die Annahme von Knechtestellen zumuten kann, solche auschlagen, denselben keine Arbeit mehr gegeben werden soll. Wer in der heutigen Zeit es verschmäht, um Fr. 50 und Verpflegung monatlich Arbeit anzunehmen, hat kein[en] Anspruch auf anderweitige Berücksichtigung. Es wird vereinbart, dass der Bauernverein mit der Bauernberatungsstelle im Sinne des Landtagsbeschlusses eine intensivere Tätigkeit aufnehme, wobei der Vertreter der Regierung zusichert, alle guten Zwecke auch finanziell zu fördern und der Regierung allenfalls Vorschläge und Wünsche zu unterbreiten.

Das Gleiche gilt bezgl. des Gewerbes, das fallweise mit der Regierung zu Beratungen zum Ziele der Reorganisierung des Gewerbes Vorschläge unterbreiten wird.

Nach Abtreten der Vertreter der Landwirtschaft und des Gewerbes wurde mit der Delegation der Arbeiter weiter verhandelt. Bei diesem Anlass brachten diese verschiedene Beschwerden vor:

a) Theobald Risch wünscht eine strenge und allgemeine Kontrolle der Einhaltung der Unfallversicherungspflicht. So sei Fidel Nägele bei seinem letzten Strassenbau in Triesen von einem gewissen Zeitpunkte an nicht mehr versichert gewesen und 3 Arbeiter, nämlich Alfred Hoch, Adolf Beck & Robert Nägele hätten Unfälle gehabt, für welche nun nicht die Versicherung, sondern Fidel Nägele aufkommen muss.

b) Franz Hämmerle weist auf die Wünschbarkeit eines neuen Gehaltsabbaues hin. Ein Arbeiter müsse froh sein, wenn er in der jetzigen Zeit ein paar Hundert Franken im Jahr verdienen könne und müsse davon auch leben.

Seitens des Vertreters der Regierung wird darauf hingewiesen, dass ein Gehaltsabbau nennenswerte Einsparungen nicht ergebe, dass schlecht bezahlte Beamte absolut nicht im Vorteil des Landes lägen usw. usw. Dem halten die Vertreter der Arbeiterschaft gegenüber, dass es die Öffentlichkeit sehr schätzen würde, wenn seitens der Beamten auch freiwillige Beiträge etwa zur Behebung der Arbeitslosigkeit getan würden. Wenn z.B. ein Beamter Fr. 100 zahlen würde, so wäre psychologisch dem neuen Ruf aus der Öffentlichkeit nach energischem Gehaltsabbau entgegengetreten.

c) Meier beschwert sich über die Entlassung von Arbeitern und Arbeiterinnen in der Ramco ohne Kündigung.

d) Meier rügt auch den Fall der Einstellung von Arbeitern bei der Schotterbrechmaschine in Schaan. Zwischen Landestechniker [Josef Vogt] und der Gemeinde seien gewisse Abmachungen getroffen worden, mit welchen das Ausscheiden von bei der Brechmaschine beschäftigten Arbeitern verbunden gewesen wäre, doch habe Walser diese Abmachungen nicht gehalten.

Franz Hämmerle erklärte auch, es komme ihm überraschend vor, dass über die vom Reg.Chef angezogene Frage der Konzessionierung von Juden keine weiteren Äusserungen erfolgt seien. Die Arbeiterschaft stehe auf dem Standpunkte, soferne eine Vermehrung von Arbeitsgelegenheiten damit verbunden wäre, Juden ohne weiters ins Land zu lassen, soferne ihr Ruf einwandfei und sie Garantien für anständige Behandlung der Leute böten. Die Ansicht Hämmerles wird unterstützt von den anderen Vertretern der Arbeiterschaft. 

 

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[1] LI LA RF 156/007/005/005. Die Regierung leitete das Protokoll am 8.10.1935 an Gebhard Walser, Leiter des Arbeitsamts, zur Äusserung weiter. Siehe die Stellungnahme des Arbeitsamtes vom 10. Oktober 1935 (LI LA RF 156/007/005/007).
[2] Siehe den späteren Landtagsbeschluss vom 23. Oktober 1935, LGBl. 1935 Nr. 10. Siehe ferner die Landtagsprotokolle der nichtöffentlichen Sitzung vom 11. Oktober 1935 (LI LA LTP 1935/063) sowie der öffentlichen Sitzung vom 23. Oktober 1935 betreffend die Verabschiedung eines Wirtschafts- und Notstandsprogrammes für Liechtenstein (LI LA LTP 1935/072).