Abdruck der Rede von Fürstin Gina an der Landestagung der Frauen und Töchter vom 7.5.1944 im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
9.5.1944
Ihre Durchlaucht spricht zu den Frauen und Töchtern
(1. Landestagung der Frauen und Töchter Liechtensteins am 7. Mai 1944 im Rathaussaal in Vaduz) [2]
Weibliche Jugend von Liechtenstein, das Vaterland braucht Euch! Besonders jetzt, in dieser Zeit des Krieges, der äussern und geistigen Gefahren. Auch wenn wir kein kriegführendes Land sind, so ist doch besonders jetzt die Mitarbeit jedes einzelnen Bürgers notwendig. Es ist eine Zeit der Umwälzungen und Krisen, und jedes von uns muss seine ganze Kraft einsetzen, damit wir diese Zeit gut und glücklich überstehen. Durch die Gnade Gottes wurden wir verschont, diesen fürchterlichen Krieg auch in unserm geliebten Land zu haben, aber wenn wir jetzt nicht alle zusammenstehen und unsere ganze Kraft einsetzen, so können wir zerbrechen an den geistigen Gefahren und Umwälzungen, die durch diesen Krieg in die Welt kommen u. die auch an unseren Grenzen nicht Halt machen werden. Daher geht der Ruf des Vaterlandes an uns alle. Ich will mich aber heute besonders an die weibliche Jugend wenden, an Euch, die Ihr an einen so verantwortungsvollen Posten gestellt seid. Ich möchte fast sagen, an den verantwortungsvollsten, da ja doch die Zukunft des Landes in Euren Händen liegt, die neue Generation, der Ihr das Leben geben werdet und die Ihr erziehen und heranbilden sollt.
Das ist eine Aufgabe, deren man sich bewusst sein muss und auf die Euch vorzubereiten Ihr nicht früh genug anfangen könnt.
Bedenkt, dass es in erster Linie von Euch abhängt, ob Liechtenstein weiter das bleiben soll, was es bis jetzt ist, eine ruhige Friedensinsel, in der wir zufrieden leben und nur einen kleinen Teil der Leiden und Sorgen kennen, die andere Völker erdulden müssen. Das hängt nicht allein von der Lage ab, sondern von uns, die wir dieses Land bewohnen. Und dass diese Menschen würdig seien, die Gnade Gottes in so grossem Masse zu geniessen, daran sollen wir arbeiten. In uns und später in der neuen Generation, die durch uns entsteht.
Warum sind es gerade die Frauen, denen diese grosse Aufgabe gegeben wurde? Über diese Frage müssen wir nachdenken und sie zu verstehen trachten, bevor wir an unsere Aufgabe herantreten können.
Gott hat uns als Helferin und Kameradin des Mannes erschaffen. Er hat in die Frau Fähigkeiten und Eigenschaften gelegt, die diejenigen des Mannes ergänzen sollen, so dass beide zusammen ein vollkommenes Ganzes bilden, in der Liebe zu Gott und zueinander.
Die Seele der Frau ist stärker mit Gott verbunden, weil sie von Natur aus anlehnungsbedürftiger ist und das Verlangen hat nach Gebundenheit an ein stärkeres und geliebtes Wesen. Dieses Verlangen kann nicht durch Menschen und menschliche Dinge allein befriedigt werden. Das letzte und tiefste Glück liegt nur in Gott und in der Gebundenheit an ihn. Wenn eine Frau das vergisst, dann fällt sie tiefer als der Mann und reisst auch andere mit sich.
Gott nahe sein, heisst auch dem Leben nahe sein, denn das Leben kommt von Gott, und er hat die Frau dazu geschaffen, es zu tragen, zu behüten und ihm zu dienen, und zwar nicht nur in Bezug auf das Kind, sondern auf alles Lebende, das körperliche und geistige Leben. Daher hat auch die Frau die Fähigkeit, das Leben mehr zu empfinden und mit ihm enger verbunden zu sein. Ich spreche hier nicht von der verheiraten Frau, sondern von der Seele der Frau im allgemeinen, denn jedes weibliche Wesen will mehr um der Menschen willen, nicht wegen der Sache dasein. Auch im Beruf, im Studium sucht sie mehr das Persönliche, Menschliche zu finden und kann durch ihre Beurteilung der Dinge von diesem Standpunkt, der dem Manne nicht so gelegen ist, diesem eine grosse Hilfe sein. Die Frau erfüllt überall dort ihren Zweck, wo sie dem Leben dient. Und zwar sollen wir alle – auch Ihr, die Ihr noch nicht Gattinnen und Mütter seid – dem Leben dienen, indem Ihr Euch im geistigen Sinne als Mütter und Schwestern in den Dienst der ganzen leidenden Menschheit stellt. Dieses Dienenkönnen aus Liebe ist das Schönste, was Gott der Frau geschenkt hat, und das Christentum hat diesen Dienst emporgehoben zu einem stellvertretenden Priestertum.
Müssen wir da nicht froh sein und stolz: Frauen sein zu dürfen? Denn in jede von uns hat Gott diese Fähigkeiten und Eigenschaften hineingelegt, und es liegt nur an uns, sie richtig zu verwerten. Ob wir durch sie wahre christliche Frauen werden oder durch dieselben Eigenschaften, wenn sie nur in den Dienst der Welt gestellt werden, ganz tief sinken und zugrunde gehen, hängt nur von uns selbst ab. Streben wir danach, das Ideal der christlichen Frau zu erreichen, jede auf ihre Art. Sucht entweder durch die direkte Arbeit in caritativem und sozialem Sinn oder von innen heraus durch die Familie Euren Einfluss geltend zu machen. Seid Euch klar darüber, dass Euer Einfluss wichtig ist und mitbestimmend am Leben und Schicksal des ganzen Volkes.
Wenn die Frauen des Hauses, und zwar nicht nur die Hausfrau und Mutter, sondern auch die Tochter und alle Hausgenossinnen, das Leben innerhalb der Familie zu einem schönen und glücklichen gestalten, so werden der Mann und die Söhne Kraft und Mut und einen frohen, gesunden Geist mitbringen für ihre Arbeit in der Gemeinschaft des Volkes, und sie werden zu wertvollen Menschen, die ihrem Land unschätzbare Hilfe sind. Ebenso sollen auch diejenigen von Euch, die im öffentlichen Leben, im Berufe stehen, durch ihr gutes Beispiel vorangehen. Ihr dürft nie vergessen, dass Ihr Frauen seid, und Ihr müsst Euch Eure frauliche Würde bewahren. Nur so könnt Ihr Euch die Achtung verschaffen, die Euch gebührt und nicht dadurch, dass Ihr es den Männern gleichtun wollt, mit denen Ihr arbeitet. Je mehr man Euch achtet, umso grösser wird Euer Einfluss sein.
Ihr alle, zu denen ich heute spreche, Ihr steht erst am Anfang Eurer Lebensaufgabe, aber Ihr müsst von Anfang an einen geraden Weg gehen. Lasst Euch nicht beeinflussen durch die verschiedenen Strömungen und modernen Gedanken, die oft schädlich und schlecht sind. Habt Würde und innern Halt genug, um den Weg, den Ihr einmal als richtig erkannt habt, auch weiter zu gehen. Das ist gar nicht leicht und es gehört viel Tapferkeit und Charakterstärke dazu, besonders, glaube ich, wenn man jung ist. Man lässt sich so leicht für etwas begeistern und erkennt erst zu spät, dass man auf dem falschen Weg ist. Es ist so schwer, nicht das zu tun, was alle andern tun. Man glaubt etwas zu versäumen, wenn man nicht mitgeht.
Der liebe Gott hat uns aber das Gewissen gegeben, das uns warnt, wenn wir etwas tun wollen, was nicht richtig ist, und auf diese innere Stimme sollen wir hören und sie nicht durch eine Menge schöner Worte und Ausreden ersticken. Wer nach seinem Gewissen lebt, der lebt nach dem Willen Gottes.
Von uns Liechtensteinerinnen wurde nicht verlangt, unsern Heroismus in Bombenangriffen oder als Rot Kreuzschwestern an der Front zu beweisen; aber eine jede von uns kann ein ebenso grosses Heldentum erreichen durch ihr Beispiel, und indem sie ihr Leben täglich Gott aufopfert als Sühne für alles Grauen, das in [der] Welt geschieht. Es liegt oft ein viel grösserer Heroismus in der täglichen Pflichterfüllung als darin, im Augenblick der Gefahr eine brillante Rolle zu spielen. Wenn man jeden Tag die gleichen Pflichten und kleinen Sorgen auf sich nehmen soll und jeden Tag den Kampf mit dem Leben unbemerkt u. ohne grossartige Geste besteht, so gehört dazu eine grosse Ausdauer und sehr viel Mut und das ist das Heldentum, das Gott von uns verlangt.
Immer wieder habe ich sagen hören: Dass es noch so ein Land gibt wie Liechtenstein, das mitten in der brennenden Welt sein friedliches Leben weiterführt, das ist ein Beweis, dass Europa noch nicht verloren ist. Darin also liegt unsere Aufgabe in der Welt und unsere Bedeutung, nicht durch Grösse und Macht zu glänzen, sondern durch unser Leben den andern ein Beispiel zu geben.
In unserm Land soll immer der christliche Geist des Friedens herrschen, und wir müssen ihn erhalten und beschützen, indem wir im Heim und in der Familie den Frieden haben. Wenn es daheim keinen Frieden gibt, wie kann man ihn dann von einer so grossen Familie, wie sie der Staat ist, verlangen? Wir, die Frauen und Töchter, sind aber die Hüterinnen des Heims und die Trägerinnen der christlichen Tradition, deren stärkstes Erkennungszeichen der Friede ist.
Folgendes möchte ich Euch also noch besonders betonen und ans Herz legen. Haltet den Frieden, denn wo Friede ist, ist Liebe, und die Liebe ist die grösste aller fraulichen Tugenden. Bereitet Euch vor auf Eure Aufgaben als Gattinnen und Mütter und erfüllt Eure Pflicht an dem Platz, an den Gott Euch hingestellt hat.
Zum Schlusse möchte ich Euch noch den Rat geben, die Hilfe der Mutter Gottes anzurufen! Sie ist die Idealgestalt der christlichen Frau, der wir nacheifern sollen. Sie brachte ihr stilles, verborgenes Leben durch ihre Pflichterfüllung, ihre Liebe und ihre Demut zu einem wunderbaren Leuchten. Sie müssen wir bitten, dass sie uns helfe, wahre christliche Frauen zu werden und zu bleiben. Wir wissen ja, dass sie noch nie eine Hilfe versagt hat, uns sie wird auch jetzt uns Liechtensteiner nicht verlassen, die wir unter ihrem besonderen Schutz stehen und die wir vertrauensvoll zu ihr aufblicken. Das Vertrauen zu Gott u. zu seiner heiligsten Mutter möge Euch helfen, Eure Pflichten, die nicht immer leicht sein werden, tapfer und freudig zu tragen, damit Ihr Frauen werdet, auf die Liechtenstein stolz sein kann und die immer daran arbeiten, dass dieses Land weiter das bleibt, was es bis jetzt war – ein glückliches, friedliches und christliches Land.