Schreiben des Ausschusses des Liechtensteinischen Akademikerverbands, gez. Alfons Goop, Sepp Ritter, Werner Hilti, Richard Meier und Hermann Risch, Mitglieder des Ausschusses, an die Regierung [1]
26.1.1940, Vaduz
Wir danken der hohen fürstl. Regierung für die Zustellung des Schreibens, das die Leitung des Collegium Marianum an die fürstl. Regierung gerichtet hat. [2] Dieses Institut hat, wie es gleich eingangs betont und festgestellt wissen will, nur gerüchteweise von einer Eingabe des Liechtensteinischen Akademikerverbandes an die hohe fürstl. Regierung gehört. [3] Auf Grund dieser angeblichen Gerüchte stellt nun die Leitung des Marianums einen Schriftsatz zusammen, der mit unserer Eingabe nichts gemeinsam hat, sondern sie vollständig verdreht, die wesentlichen Punkte stillschweigend übergeht und die ganze Angelegenheit auf die persönliche und religiöse und z.T. auch politische Fläche verschieben will, um vom eigentlichen Probleme abrücken zu können. Obwohl es sich erübrigt, auf die falsche Darstellung unserer Eingabe durch das Collegium Marianum und die gehässigen Vermutungen und Unterschiebungen gegen unsere Eingabe und den Verband selbst Stellung zu nehmen, muss doch folgendes zur näheren Klärung ausgeführt werden:
- Der Liechtensteinische Akademikerverband hat nicht gegen das Collegium Marianum als solches, sondern gegen die Überentwicklung im Mittelschulstudium Stellung genommen. Er hätte dies auch jeder anderen Einrichtung gegenüber aus Pflichtbewusstsein getan und hat auch dazu nach unseren Gesetzes voll und ganz das Recht. Es handelt sich also nicht um "ein solches fast unglaubliches Vorgehen" und "eine Vertreibungsaktion", sondern um wohlbegründete Rechte jedes Staatsbürgers.
- Der Liechtensteinische Akademikerverband weist aufs Schärfste alle Unterschiebungen zurück, dahinlaufend, dass andere dunkle Absichten ihm zu Grunde gelegen hätten. Er verbietet sich auch eine Parallelisierung seiner Eingabe mit deutschen und österreichischen Massnahmen.
- Ebenso weist der Verband die Vermutung zurück, dass sein Zweck die "Vernichtung" dieses ausländischen Institutes sei. Die Zielsetzung des Verbandes ist nämlich folgende: "Der Verein bezweckt in erster Linie die Pflege vaterländischer Gesinnung durch jederzeitiges Eintreten für Fürst, Volk und Vaterland. Im Einklange mit seinem allgemeinen Ziele ist es ferner seine Aufgabe, die Interessen der Mitglieder in ihrer Gesamtheit wie im einzelnen zu vertreten. Er nimmt sich daher besonders zur Aufgabe, die Studierenden durch eine Studienberatung und durch tätige Hilfe bei Stellenbesetzung privaten wie öffentlichen Charakters zu unterstützen ...". [4]
- Die hohe fürstliche Regierung wird aus dem Texte unserer ersten Eingabe ohne weiteres ersehen, dass von einem Verjagen oder "Vernichten von Kulturstätten" überhaupt nicht die Rede war, sondern lediglich ein ungesunder Zustand beseitigt werden soll.
- Ferner sei festgestellt, dass die Leitung des Collegium Marianum die ganze Frage sofort auf das persönliche Gebiet abzuwälzen versucht, indem sie vom "ritterlichen Gegner", "seinen Leistungen" und "von groben Schlägen" spricht. Sie stellt ferner die unverständliche Frage, was wir für das Ansehen von Fürst und Land schon geleistet hätten und führt in geradezu pomphafter Weise alle Staaten Europas und der Übersee bis nach Kongoafrika an, wo angeblich durch ihre Vermittlung das Land gepriesen wird.
- Endlich sei festgestellt, dass es uns besonders befremden musste, in welchem Tone die Leitung des Collegium Marianum auf eine sachliche Eingabe liechtensteinischer Staatsbürger reagierte.
Nach diesen Feststellungen wollen wir die hohe fürstl. Regierung nochmals im vollen Vertrauen auf ihr Verantwortungsbewusstsein ersuchen, trotz eingeleiteter Machenschaften und Erschwerung einer sachlichen Entscheidung, das nötige vorzukehren. [5]
Mit vorzüglicher Hochachtung
______________
[1] LI LA RF 195/415/001/022-024.
[2] LI LA RF 195/415/001/009-016.
[3] Die Eingabe unter LI LA RF 195/415/001/006-008.
[4] Akten, die weiteren Aufschluss über Ziele und Tätigkeit des Akademikerverbandes geben würden, sind keine erhalten geblieben.
[5] Die Regierung unternahm in der Folge offenbar keiner weiteren Schritte in dieser Angelegenheit (LI LA RF 195/415/001/026)