Rudolf Schädler wird nach dem Rotterüberfall als Beschuldigter gerichtlich einvernommen und sodann in Untersuchungshaft gesetzt


Protokoll der Beschuldigteneinvernahme von Rudolf Schädler durch das F.L. Landgericht, gez. derselbe sowie Landrichter Julius Thurnher und Schriftführer Marzell Sele [1]

5.4.1933

Vor dem f.l. Landrichter Dr. Julius Thurnher und dem Schriftführer Sele Marcel

Vorgeführt wird Rudolf Schädler, geb. am 31. März 1903, in Vaduz, dort zuständig, kath., ledig, Hotelbesitzer in Vaduz, Sohn des Dr. Rudolf und der Maria geb. Marxer, und gibt als Beschuldigter vernommen an:

Seitdem die Gebr[üder] Rotter [2] im Land sind, gehen durch alle deutschen Zeitungen, sozusagen, Artikel gegen Liechtenstein. [3] Ich habe auch von Deutschland her von früheren Kurgästen, solche Artikel zugeschickt erhalten. Da ist die Ehre des Landes stark angegriffen worden, auch haben manche Kurgäste geschrieben, sie würden nicht mehr nach Liechtenstein kommen, wenn das Land solche Leute wie diese Gebr[üder] Rotter beherberge.

Es haben sich infolgedessen einige Liechtensteiner den Entschluss gefasst, die Gebr[üder] mit Gewalt aus Liechtenstein zu schaffen, damit die Anschauung entstehe, Liechtenstein säubere selber. Es kam dann auch noch Arch. [Franz] Röckle und der teilte mit, es bestehe von Deutschland aus eine Einreisesperre gegen Liechtenstein und es werde von dort aus eine Entführung der beiden Rotter geplant. Wir Liechtensteiner wollten dem nun zuvorkommen, damit es Liechtensteiner wären, die sie über die Grenze schafften. Über der Grenze würden nämlich die Gebr[üder] Rotter ohne weiteres verhaftet werden, da von Deutschland aus Steckbriefe gegen sie bestehen.

Es hat sich dann Peter Rheinberger in Gutenberg mit Leuten in Deutschland in Verbindung gesetzt. Es ist die letzte Nacht dann ein Auto von Deutschland her gekommen mit vielleicht 5 oder 6 oder 7 Leuten.

Beteiligt ist auf Liechtensteiner Seite neben Peter Rheinberger noch Eugen Frommelt in Vaduz.

Ich habe die Rotter auf der Post in Vaduz zufällig getroffen. Sie haben zu mir gesagt, sie möchten nach Gaflei hinauf fahren heute. Ich habe den andern, die schon in Gaflei waren, das mitgeteilt. Ich bin dann mit meinem Auto mit den zwei Brüdern Rotter und 2 Damen [4] nach Gaflei gefahren, es war etwa um 3 Uhr. Wie ich dann in Gaflei das Auto angehalten habe, sind die andern aus dem Hotel herausgekommen, die haben Schreckschusspistolen gehabt und auch Handschellen. Es ist geschossen worden, was dann geschehen ist, weiss ich nicht. Ich bin ins Haus hinein gegangen und wie ich wieder herauskam, ist das deutsche Auto davongefahren.

Im Saal drinnen im Hotel war dann der eine der Rotter [5], der hatte eine Fessel an der einen Hand. Ich lud ihn ein mit mir nach Vaduz zu fahren. Er ist dann auch eingestiegen, ich bin sehr rasch abwärts gefahren und da hat er dann gesagt, ich möchte anhalten. Er hat geschrieen und ist mir ins Steuerrad gefahren. Beim Waldihaus hat er dann die Türe aufgemacht und ist aus dem Auto gesprungen.

Die Absicht, die Leute zu verletzen, war nicht vorhanden, weil das bei den Besprechungen das ausrücklich zur Bedingung gesetzt wurde. Bei diesen Besprechungen waren Peter Rheinberger und [Eugen] Frommelt dabei. Mit den Deutschen selbst habe ich nichts darüber gesprochen.

Arch[itekt] [Franz] Röckle ist zwei Tage in Masescha, er hat in allem in Prinzip davon gewusst, dass so etwas geplant, aber nicht im einzelnen.

Der andere Rotter und die zwei Frauen [6] sind, wie ich noch von den andern noch vor dem Wegfahren hörte, davon gelaufen.

Ich bin beim Waldi, nachdem der eine Rotter hinausgesprungen war, wieder umgekehrt, nach Masescha zurückgefahren, ich wollte die andern etwa abholen. Ich bin nur bis Masescha gefahren und dann ist Arch[itekt] [Franz] Röckle mit mir herunter gefahren.

Es wird dem Beschuldigten sohin eröffnet, dass über Antrag der Staatsanwaltschaft wegen vers[uchten] Menschenraubes nach § 8 & § 90 des St.G. [7] eingeleitet und wegen Verabredungs-, Flucht- und Wiederholungsgefahr nach §§ 121, 117 Zl. 2 & 3 St.P.O. [8] die Untersuchungshaft verhängt wird.

Er nimmt dies Beschwerdelos zur Kenntnis.

Rudolf Schädler nimmt das vorläufig zur Kenntnis, behält sich jedoch eine allfällige Haftbeschwerde vor.

Gefertigt: 

 

 

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[1] LI LA J007/S066/043/002.
[2] Alfred Schaie und Fritz Schaie (alias Rotter).
[3] Siehe etwa den antiliechtensteinischen Artikel im "Darmstädter Tagblatt" vom 9. Februar 1933 (RF 131/409/062).
[4] Gertrud Schaie (Rotter) sowie Julia Wolf.  
[5] Fritz Schaie (alias Rotter).
[6] Alfred Schaie und Getrud Schaie (alias Rotter) sowie Julia Wolf.  
[7] Österreichisches Strafgesetz vom 27.5.1852 über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, eingeführt im Fürstentum Liechtenstein mit Fürstlicher Verordnung vom 7.11.1859.
[8] LGBl. 1914 Nr. 3.