Handschriftliches Schreiben des bischöflichen Landesvikars Johann Georg Marxer, gez. ders., an die Regierung [1]
10.2.1926, Vaduz
Hohe Regierung!
Das am 10. Febr. 1926 in Vaduz versammelte Kapitel der Geistlichen Liechtensteins [Liechtensteinisches Priesterkapitel] beauftragte mich, die Hohe fürstliche Regierung zur ersuchen, Hochdieselbe möge Gesuche zu Festanlässen, welche am Samstag Abend stattfinden sollten, abweisen.
Die Geistlichen erinnern, dass die Bischöfe in einer Kundgebung vom 3. Juni 1925 [2] solche Festanlässe scharf verurteilten, und unsere Verfassung garantiert ja den Schutz der kath. Kirche. [3]
Die Hohe Regierung weiss ebenso gut, welche Nachteile in sittlicher und religiöser Beziehung diese Anlässe an den Samstag Abenden im Gefolge haben und darum wird sie gewiss sowohl im Interesse des Staates als der Sittlichkeit diesem Unfuge wehren. [4]
Hochachtungsvollst
Im Auftrage des Kapitels
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[1] LI LA RE 1926/0577. Einlaufstempel der Regierung vom 13.2.1926. – Vgl. in diesem Zusammenhang die Eingabe des Liechtensteinischen Priesterkapitels an die Regierung vom 20.8.1925 um eine Verschärfung der Polizeiordnung von 1843, namentlich um ein Tanzverbot an Sonntagen und um eine strengere Handhabung der Polizeistunde (LI LA LTA 1925/L25).
[2] Abgedruckt in: L.Vo., Nr. 74, 16.9.1925, S. 2 („Kundgebung der Schweizer. Bischöfe betr. der Veranstaltung von Tänzen, Theatern und Konzerten“) sowie L.Vo., Nr. 14, 13.2.1926, S. 1 („Kundgebung des Kapitels der Geistlichen Liechtensteins“). Demnach sollten von katholischen Vereinen im Interesse des kirchlichen und religiösen Lebens grundsätzlich Tanzveranstaltungen an Sonntagen und gebotenen Feiertagen, Anlässe an Samstagabenden sowie Aufführung von Theaterstücken und Konzerten im Advent und in der Fastenzeit vermieden werden.
[3] Vgl. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5.10.1921, LGBl. 1921 Nr. 15.
[4] Regierungschef Gustav Schädler orientierte Landesvikar Büchel am 25.6.1926 über den Regierungsbeschluss vom Vortag, das Gesuch der Geistlichkeit „nach Tunlichkeit zu berücksichtigen“ (LI LA RE 1926/0577).