Der designierte liechtensteinische Generalkonsul für die Schweiz, Walter F. Probst, beklagt missbräuchliche Einbürgerungen in Liechtenstein, namentlich von Juden, Schiebern und Kriegsgewinnlern sowie von Deserteuren und Refraktären


Maschinenschriftliches Schreiben von Walter F. Probst, gez. ders., an den liechtensteinischen Geschäftsträger in Bern, Emil Beck [1]

1.12.1919, Basel ("Margarethenstr. 77 bei Herrn Guba")

Sehr geehrter Herr Legationsrat!

Indem ich auf Ihre hochgeschätzte Mitteilung vom 11. pass. [2] Bezug nehme, erlaube ich mir, bei Ihnen anzufragen, ob Ihnen das Exequatur vom Bundesrat bereits zugestellt wurde, evtl. dürfte es sich wohl empfehlen, dieserhalb dort einmal heranzutreten. Die 24 Kantone dürften ihre Zustimmung nunmehr gegeben haben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie auf einen gewissen Dr. E. Huber, Wallenstadt, unter strengster Diskretion aufmerksam machen. Dieser Herr sichert Leuten, die ihre Nationalität ändern möchten, zu, dieselben binnen 10 Tagen in Liechtenstein eingemeinden zu können! Meines Erachtens kann man diesen Herrn nicht in dieser ungehinderten Form weiter gewähren lassen, wenn nicht das Ansehen des Fürstentums auf den Nullpunkt sinken soll. Kein Kulturstaat, selbst die Negerrepublik Liberia nicht, gestattet Einbürgerungen innerhalb weniger Monate, geschweige Tage. Die Schweiz arbeitet ein Gesetz aus, wonach Einbürgerungen erst nach Ablauf von 8 Jahren in Erwägung gezogen werden; ähnliche Erschwerungen arbeiten andere Staaten aus. Wie ist es möglich, dass sich angesichts dieser Tatsachen der bezeichnete Dr. Huber, der obendrein noch ein Rechtsanwalt ist, herausnimmt, das Ansehen unseres Landes zu untergraben, indem er den Leuten verspricht, Liechtensteinische Einbürgerungen in wenigen Tagen (!) vermitteln zu können? Leider stehen mir die nötigen Nachschlagebücher hier nicht zur Verfügung & bitte ich Sie daher, die Angelegenheit im Interesse unseres Landes verfolgen zu wollen, indem Sie zunächst ermitteln, ob es sich um einen echten Rechtsanwalt handelt oder nicht. Es gibt ja Verzeichnisse hierüber. Wegen des Weiteren hoffe ich Sie, sehr geehrter Herr Legationsrat, in kurzer Zeit mündlich sprechen zu können. Jedenfalls handelt es sich um einen empörenden Fall. Ebenso strafbar machen sich m. E. diejenigen Gemeinden, die nur des Geldes wegen solchen Gesuchen um Einbürgerungen binnen weniger Tage Folge leisten. Denn es liegt doch klar auf der Hand, dass nur recht eigenartige Elemente so schnelle Einbürgerungen haben müssen. Im grossen & ganzen wird es sich 1) um Juden, 2) um Schieber & Kriegsgewinner, die ihre Millionen noch schnell sicherstellen möchten, & 3) um Deserteure & Refraktäre handeln. Alle drei Klassen sind uns wie jedem anderen Staate sehr unerwünscht. Leider sind einige unserer Gemeinden so unerfahren & arglos, dass sie tatsächlich solche Elemente dennoch aufnehmen; sie lassen sich durch ein Leumundszeugnis, das im Grunde genommen gar nichts beweist, hereinlegen! Eine umfassende Aufklärung erscheint mir angesichts der drohenden Gefahren dringend geboten! Vielleicht sind Sie so liebenswürdig & erwägen bereits die zu treffenden Massnahmen, ich werde mir dann erlauben, Ihnen meine Ideen mündlich zu unterbreiten, Ihre hochgeschätzten Nachrichten [3] gern erwartend, verbleibe ich mit freundlichem Gruss,

Ihr sehr ergebener

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[1] LI LA V 002/0050. Eingangsstempel der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern vom 2.12.1919 (Ohne Aktenzeichen der Gesandtschaft).
[2] Mit Schreiben vom 11.11.1919 hatte Beck Probst mitgeteilt, dass er den Schweizer Bundesrat gebeten habe, Probst das Exequatur als Generalkonsul mit Sitz in Genf für die ganze Schweiz zu erteilen, und nun dessen Antwort abwarte (LI LA V 002/0050). Am 5.12.1919 bat dann aber Beck Bundesrat Felix Calonder dem Gesuch keine weitere Folge zu geben, da sich inzwischen in der Person von Probst Hindernisse eingestellt hätten, deren Erledigung noch abzuwarten sei (ebd.). Die Errichtung des Generalkonsulates in Genf kam aufgrund des Widerstandes des liechtensteinischen Gesandten in Wien, des Prinzen Eduard von Liechtenstein, der besonders auf die Zuständigkeit des Fürsten Johann II. in dieser Sache verwies, nicht mehr zustande. Mit fürstlicher Resolution vom 29.2.1920 erfolgte jedoch die Ernennung von Probst zum Honorarkonsul. Der in Basel wohnhafte Probst wurde dabei der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern als konsularische Hilfskraft zugeteilt. 1922 schied Probst nach einer kritischen Anfrage des Eidgenössischen Politischen Departements aus dieser Position wieder aus.  
[3] Mit Zuschrift vom 18.12.1919 wandte sich Probst erneut an Emil Beck (LI LA V 002/0050). Dieser orientierte Probst am 19.12.1919, dass die Erwirkung des Exequaturs für das Genfer Konsulat "vorläufig" sistiert sei, da noch die Genehmigung des Fürsten eingeholt werden müsse. Hinsichtlich der von Probst angesprochenen Einbürgerungen bemerkte Beck, dass gegen Huber nicht wirksam vorgegangen  werden könne. "Zweckmässiger wäre es wohl, einen bestimmten längeren Wohnsitz im Land als Voraussetzung für die Einbürgerung zu verlangen" (LI LA V 002/0050). Zur Tätigkeit von Huber als Einbürgerungsagent vgl. auch LI LA RE 1922/5284.