Handschriftliches Originalschreiben der Emma Rheinberger, Arosa (Graubünden), an Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois) [1]
13./18.03.1906, Arosa (Graubünden)
Lieber, gutester Herr Vetter!
Gestern hat sich mein Fürchten
u. Bangen in lauter Freude verwandelt. Gar so
lange kam es mir vor, dass Sie nicht mehr geschrie-
ben, sorgend dachte ich alle Tage fast daran, was
Ihnen wohl fehlen möchte u. bereits hatte ich schon
eine Karte gerichtet, die über das ganze Wasser hi-
über u. Sie fragen sollte, ob Sie auch sicherlich
gesund? – Da, – auf einmal, welche Freude,
ein dickes, liebes Päckchen von Amerika!
Erst als ich es öffnete, was kam da heraus, –
Sie lieber, lieber, liebster Herr Vetter welch unsägli-
che Freude haben Sie mir gemacht, – diese lieben Bilder,
wie teuer sind sie mir u. sollen es mir bleiben. Ein
Gefühl seliger Freude erwecken sie, denn sie, die Beneidens-
werten besitzen ja die unendliche Seligkeit. Was,
was [2] muss das Ihrem Vaterherzen gewesen sein, diese 3
herrlichen Söhne herzugeben. Nicht wahr, gerungen,
geblutet, aufgeschrien hat Ihr Herz dabei! Sie grosser,
grosser, tapferer Märtirer, – welcher Lohn harrt Ihrer
für solches [3] Opfer, freuen Sie sich, aus Ihren furcht-
baren, unermesslichen Qualen wird unermesslicher Jubel [4]
Dank für die Kraft, es zu vollbringen, was der Herr
unser Gott so geheimnisvoll von uns verlangt, erste-
hen. – Sie armer Vater u. Dulder, ich möchte mit Ihnen
weinen, aber auch mit Ihnen jubeln. Es sind die
selten grossen Seelen, welche als Märtirer so treu u.
still ergeben, – so gross vor unserm Herrn stehen.
Haben Sie Dank, treuen Herzensdank, viellieber
Herr Vetter, dass ich diese mir so wertvollen Bilder
haben darf, nun für immer haben darf. – Sie sollen die
Zierde, das Vorbild [5], ein Trost [6] meines Zimmerchens
in Arosa werden. – Vielleicht ach schenken sie
mir einen erbarmungsvollen Blick hie u. da, wenn
schwer mein Kreuzlein u. gering mein Mut werden
will. – Auch das andere Bild Ihrer lb. Enkelin
freut mich herzlich welch beneidenswertes Glück
dürfen Ihre lb. Enkel alle in einem solchen [7] Gross-
väterchen besitzen, – das fühlt erst eine Waise
so recht. – Es sind hier noch verschiedene junge
Mädchen mit mir, wenn diese dann beginnen von ihren
Eltern daheim zu erzählen, möchte ich aufschreien vor
Weh, – leer, ganz leer ist’s ja bei mir da drinnen
in meinem verwaisten Herzen, mit Gewalt wurde
ja mein höchstes irdisch' Besitztum, mein Mütterchen [Theresia Rheinberger [-Rheinberger]]
u. Väterchen [Peter Rheinberger] herausgerissen u. wie einem armen beraubten
Bettler ist’s diesem armen Herzen zu mute. – Doch
lieb u. teuer sei uns der Wille des Herrn.
Was aber, Sie einzig liebes Vetterchen haben Sie mir
eine Überraschung mit der Vergrösserung meines [8]
Bildes gemacht!! Ich habe riesigen Spass daran, –
ganz stolz bin ich darauf, – aber Vetterchen, war
es denn nicht schade um das Papier? – Mich hat’s
gereut das Papier bis mich hier einer schlauerweise d’ran ge-
kriegt hat, es ist ihm mit dieser Momentaufnahme
aber auch nicht geraten. Sie gutes, gutes Vetterchen,
wie soll ich Ihnen für diese Überraschung danken?
Wahrhaft beneiden muss ich [9] dieses Bildchen, das
bei Ihnen sein durfte, – wäre ich’s doch lieber
selbst [10] gewesen, nur ein klein, kurz Täglein einmal
möchte ich bei Ihnen sein dürfen, gerne wollte
ich dann wieder umkehren, aber nicht mehr nach
Arosa, nein lieber Herr Vetter, heim, heim [11]. –
Meine Lieben daheim sollen meine Freude über all
die Bildchen mit mir teilen. – Immer u. immer
wieder sehe ich Ihre lb. heim gegangenen Söhne
an – dass sie uns doch einen Teil ihres Sieges
schenken könnten. –
Lieber Herr Vetter, nicht wahr, ganz, ganz wol
u. munter ist’s Ihnen unterdessen gewesen, so dass
der Winter so ohne Erkältungen, oder Influenza vo-
rüber gegangen? – Über meine Lieben daheim lebe
ich schon lange in Furcht u. Sorge. Die Epidemie
der Pocken ist in unsrer benachbarten Schweiz aus-
gebrochen u. desswegen musste sich ganz Vaduz
bereits der Pockenimpfung unterziehen. – Wolle uns
der Herr doch gnädig u. barmherzig verschonen. –
So fern von daheim, seine Angehörigen in Gefahr zu
wissen, ist noch viel schwerer zu ertragen, also [12]
war auch die Sorge um Ida Schauer, keine kleine als sie diesen Winter
von der Blinddarmentzündung überfallen wurde.
Meine Schwester Olga [Rheinberger] schreibt diese Woche, sie habe
Ida am Sonntag / 11. März / wieder besucht. Ida wäre
ausser Bett gewesen, aber entzetzlich mager u. dann
habe sie noch gesagt, sie hätte sich schon gut
erholt. – Gott sei Dank, die Krankheit hat sie über-
wunden, ich glaube die 3 Schwestern kannten die grosse
Gefahr der Blinddarmentzündung nicht, am schlimmsten
war der Rückfall [13], der Arzt sagte damals zu meiner
Schwester Olga: es habe sich an der Stelle eine Hand-
grosse Fläche Eiterung gebildet, so dass er das Schlimms-
te gefürchtet, nun hätte sich der Eiter aber aufge-
saugt, die Gefahr vorüber. – Mehr zu befürchten
ist, was bei d. Blinddarmentzündung so gerne
vorkomt, eine Wiederholung derselben. – Ida sollte
unbedingt auf eine Operation des Blinddarmes
bestehen. So viel ich jedoch weiss, ist unser Arzt
in Vaduz [14] sehr gegen diese Operation, – könnte man
Ida doch nur bestimmen, sich mit einem Spezialis-
ten zu bereden. Wenn Sie Bertha schreiben, lieber
Herr Vetter, bitte, bitte [15] weisen Sie doch ein wenig
darauf hin, denn nicht wahr, auch bei Ihnen sucht man
die Blinddarmentzündungen mittelst einer Opera-
tion vorzubeugen? – Wahrscheinlich werden die 3 lb.
Schauerlein diese Saison auf d. arme krank gewesene
Ida in der vielen Arbeit, [16] welche die Kurgäste
geben, wenig, od. gar nicht rechnen können, – doch
der lb. Gott wird’s gnädig lenken, er weiss ja, wie
nötig die 3 armen Schauerlein diesen kl. Sommerver-
dienst haben u. diese 3 rührend guten Leutchen, die von
Ihrem Wenigen noch so gerne den Armen am Triesenberg
geben, wird der lb. Gott unter seinem besondern Schutz
behalten [17]. [18]
Masescha will sich nun plötzlich vergrössern [19]. Es
ist ein ideal schöner Punkt halt, einer der schönsten
von ganz Liechtenstein. So ist mein Bruder Egon [Rheinberger]
beauftragt für einen Herrn, der in Vaduz geboren u.
es diese schöne Heimat seither nicht mehr vergessen konnte, trotzdem er seit-
dem [20] lange Zeit in Japan war u. noch ist, eine schöne
Villa [21] auf Masescha zu bauen. – Es soll jedoch so ge-
schwind geschehen, (die Mutter des Herrn hat in München
bereits ihre Wohnung auf den Sommer gekündigt), dass das
meinem Bruder nicht möglich sein wird. In dieser Höhe
zu bauen, wohinauf der Transport des Baumaterials
so sehr erschwert ist, bedarf eben mehr der Zeit. –
Können Sie aber diese arme Schreiberei auch lesen,
lieber Herr Vetter? - Ich kann es eben auf dem Liege-
stuhl nicht gut, – draussen im Freien mit einer
gewaltigen Schneemasse um mich her, möchten die
Finger gerne gefrieren. – Am 13. März schon begann
ich Ihnen zu schreiben, musste aber bald aussetzen, in-
dem mir die Tinte während des Schreibens auf dem
Liegestuhl immer wieder in der Feder gefror, u. dies noch
Mitte März! Arosa in seiner ungeheuern Höhe ist
halt nur kurze Zeit ohne Schnee, so hatten wir von Okto-
ber bis jetzt ein Quantum Schnee von ungefähr 6 Me-
ter u. erst die letzten Tage noch eine Kälte von fast
10 ° /. – Wie hatte ich mich versorgt auf diesen Winter,
ich wusste ja, draussen auf d. Liegestuhl musste
ich ihn verbringen bei annähernd 25 ° / Kälte. Doch [22]
vermöge Gottes wunderbare Fügung u. Liebe habe ich
es zu keinem eignen Erstaunen gekonnt, mit Leichtig-
keit gekonnt. – Ausser dem Essen war ich kaum einmal
in einem geheizten Raum. – Wie sollte man sich
doch niemals kümmern im Leben, auch wenn oft das
letzte Ausweglein verspert zu sein scheint sich Gottes
herrlicher Fügung überlassen. – Auch meine Resul-
tate hier hat er schon liebevoll geleitet. Meine rechte
Lungenspitze war ja schon bis zur II. Rippe tuber-
kulös, aber unser barmherzige, gute Gott im Himmel
wollte mir noch rechtzeitig Hilfe senden, ihm sei Dank
mein ganzes Leben, – der Arzt sagte mir kürzlich, dass
meiner Heilung nicht mehr viel fehle u. dass meine Lunge
ganz wieder geheilt werden könne. Vetterchen, mein
liebstes das ich auf der Welt habe, ich weiss ganz
gut, dass ich Ihnen ein schönes Stückchen dieser Gna-
de - Gottes verdanke, Sie [23] sind zum lieben Gott gegangen,
haben ihm geklagt mein Herzeleid in jener gross-
mütigen Gabe an jene guten Schwestern; diese Freude
diese Woltat werde ich mein ganzes Leben lang
nicht vergessen. – Meine Tuberkulinkur reicht nun
schon in den 4. Monat hinein, über 40 Impfungen,
welche ich ohne Fieber prächtig bestand, jetzt geht’s
dem Schluss zu. Sie können sich denken, lb. Herr Vetter
wie gespannt ich auf dessen Erfolg bin. – Indem die
Erkrankung meines Arztes /: durch Vergiftung bei
d. Sektion einer Leiche :/ dazwischen kam, hat
er mich schon über 3 Monate nicht mehr untersucht.
Gestern jedoch kam er von der Klinik von Luzern, wo-
hin er sich 4 [24] Wochen mit seiner verletzten
Hand (zu Operationen) begeben musste, zurück, [25]
ich will Ihnen dann den Erfolg erzählen, – das Herzle schlot-
tert, zittert u. klappert mir jetzt schon darauf hin –
doch nicht wahr, darf ich mich nicht darauf fürchten
wenn der lb. Gott mit mir geht, – ihm [26] gehören wir ja. –
Noch habe ich nicht gedankt, lb. H. Vetter, für die
lb. Worte, welch mein Bild auf d. Rückweg von
Amerika begleiteten, jenes herzige Grüsschen das
darunter stand. – Könnte ich’s doch nur vergelten, all
das Liebe, Gute, das Sie mich schon empfangen liessen,
das mich schon so glücklich machte. – Wäre das
Wässerlein dazwischen nicht gar so lang u. so breit u. so tief, so
gross hätten Sie mich längst einmal in hellem Jubel
unter Ihrer Thüre gefunden, wäre erreicht, erreicht mein
Verlangen. Einen ganzen Tag würden Sie mich
dann nicht wegbringen von Ihrem Heim, in dem Heim
in welchem Sie nun allein im stillen Herzensglück
mit u. für Gott nur noch die Tage verbringen, in
freudiger Erinnerung an die sonnigen Tage welche dieses
Haus im Verein all Ihrer Lieben einst gesehen. –
Aber sind sie nicht erst so recht heilig u. beseligend
die Tage, die Tage, die wir in voller Hingabe an
unsern Schöpfer allein verbringen, die wir ihm opfern
in doppelt empfindsamen Missen unsrer Geliebten,
die einst mit u. für uns gelebt? – Mehr als uns selbst
noch opfern wir dann unserm Herrn u. er weiss er sieht
wie schwer das gegangen u. noch geht bis das Herz
vereinsamt, allein, allein [27] in der Welt da steht. –
Nicht wahr, wenn ich dann bei Ihnen gewesen wäre, täten
Sie mir erzählen, viel, viel erzählen von guten u. von
bösen Tagen u. zeigen würden Sie mir Ihr ganzes schöne
Heim, jedes Fleckchen, wo Sie geschafft u. gewirkt,
Ihre herrlichen Weinberge, in welchen Sie ein jedes
Pflänzchen so liebevoll gehegt u. gepflegt bis sie
sich vermehrt zu grossem, grossem Segen. – Wie muss Ihr [28]
Herz weit werden, wenn Sie zurückblicken, an eine Zeit, in
der Sie gewirkt, geschaffen mit seltenem Himmels-Segen
u. erreicht, erreicht ein selten schönes Familienglück. –
Sind Ihre lb. Kinder u. Enkelchen alle doch ja gesund?
Wie ist das doch schade, dass wir uns auf dieser Welt
niemals sehen können u. gar erstaunt müssen wir im
Himmel dereinst gegenseitig sein bei d. Begrüssung der
vielen unbekannten Vetterchen u. Bäschen. – Inzwischen
grüssen Sie sie Alle von Herzen, am allermeisten aber
die kleinsten Enkelchen, denn ich habe sie furchtbar
[29] lieb all die kl. herzigen Kerlchen. –
Das Leben des alten, uhrsprünglichen Arosa’s inte-
ressiert mich ungeheuer. Ich gehe denn auch gerne
in die alten 100 u. 200jährigen Häuschen, die leider
nur spärlich mehr übrig geblieben u. leider haben sie
auch mit den schönen, schönen alten (Häuschen)
Stübchen Erneuerungen vorgenommen, das es einem
bitter gereuen könnte, ja sogar Lack u. Farbe
mussten mithelfen das Schöne, Alte zuzudecken, umzu-
gestalten in Unschönes, Geschmackloses. – Als ich jüngst
wieder bei einem alten Inner-Arosa-Bauer einkehrte
(er erzählte mir, dass er schon sein ganzes Leben hier
oben in diesen einsamen hohen Bergen verbracht) u. ich ihn
bat, mir doch sein altes Stübchen zu zeigen, es aber
neu u. lakiert sogar fand, sagte mir das Bäuerlein (etwas
gekränkt über meine Enttäuschung seiner neuen Stube)
: Kommen Sie in 100 Jahren wieder, dann ist es [30] älter.
Ich erwiederte ihm dann: "bis dann werden wir [31] zusammen
ein Haus bewohnen." – Die wenigen Bäuerlein hier oben
noch finden nur kümmerliche Fütterung mehr für ihr Vieh,
Alles, Alles ist verbaut mit Fremden-Hotels – so kommt
denn das Futter in Menge aus dem Schanfigg herauf u.
der grössere Teil Milch [32] selbst muss herauf bezo-
gen werden. – Eine neue, hoch-interessante Er- [33]
scheinung zeigt sich jetzt im Frühjahr an den kolo-
salen Bergen Graubündens, an deren Fuss wir woh-
nen u. von welchen wir (mit Ausnahme eines einzigen
Ausweges) ringsum eingemauert sind, desshalb diese
geschützte, windstille [34], gesunde Lage. Die eigenartig
neue Erscheinung besteht in ungeheuern Lawinen
Schneelawinen direct neben uns, wie sie das Hoch-
gebirge allein nur bieten kann. Am 4. März war
plötzlich ein furchtbares Dosen, Donnern, Krachen u.
Zischen direct über uns entstanden u. gleich nachher
rollte durch das Schiesshorn herunter eine unbeschreibliche
Feuerwolke, eine Staublawine, wie sie Arosa seit
Jahren nicht mehr gesehen. –
Jüngst kam der Herr Pfarrer v. Arosa ganz freudig
von Chur zurück mit der frohen Nachricht, dass im
Frühling der katholische Kirchenbau begonnen werden
könne, das heisst nur ein Kirchenzimmer mit einem
nötigen, anstossenden Pfarrhaus, womit später
eine Vergrösserung d. Kirche stattfinden könnte, wur-
de projektirt. [35] – Gebe Gott der Allmächtige, dass sich
die Mittel dazu erringen lassen, er der in seiner unend-
lichen Güte bisher mit so grosser Armut für Lieb nahm,
wird auch das Bestreben, ihm etwas Würdigeres zu bieten
segnen. –
18.III. Hurrah Vetterchen, nun ist auch noch ein Briefchen
von Ihnen angekommen, ein liebes, langes Briefchen! Ich
danke Ihnen inniglich für dies teure Brieflein. – 2 mal
las ich es gleich nach einander schon u. ! Fortsetzung
folgt! - Wie froh u. freudig stimmt es mich, dass Sie
einen guten, gesunden Winter verbracht. ich bitte Gott,
dass es auch ein recht, recht guter Sommer für Sie werde.
Ganz weh aber hat es mir getan, dass Sie nichts Anderes
als das fremde „Sie“ für mich behalten wollen, – ich ge-
stehe, eine grosse Freude hätten Sie mir gemacht, – doch
möchte ich um Alles in der Welt nur nicht zudring- [36]
lich, oder gar unbescheiden werden, lieber auf eine Freude ver-
zichten, ich bin so wie so eine sehr, schüchterne Natur, welche
immer u. immer wieder fürchtet unbescheiden zu sein. –
Es hat sich lange hinausgezogen, bis mein Schreiben ab-
gen kann, vom 13. wurde der 18. März, – haben Sie Ge-
duld! – Morgen haben wir ein gar liebes Fest „Josefi“,
der 19. März. – Mein Mütterchen hatte eine aussergewöhnliche
Verehrung zu diesem lb. grossen Heiligen, – er kann so
viel [37]. Möge er auch Ihr besondrer Beschützer bleiben alle
Tage des Jahres. – Nicht wahr, Sie haben auch eine
Tochter dieses Namens? ich lege ihr denn besonders lieben,
herzlichen Wunsch bei. –
Jetzt kommt dann der Frühling, lieber Herr Vetter! Ach fast so
lange ich ihn kenne, freue ich mich unsäglich darauf auf
ihn mit seinen 1000 lieblichen Blümlein u. Vögelchen, in
hellem Jubel lache ich ihm entgegen, am 21. März 1 Uhr
53 Minuten kommt er – er kommt, [38] lb. Herr Vetter! –
Sie zweifeln, ob ich noch lachen möge? Ja so krank
bin ich nicht, Herr Vetter, nicht nur lachen, am
liebsten über den Berg vor mir, nach Churwalden hinunter
möchte ich einmal, an den Ort wo Sie Ihre liebe, liebe
selg. Frau [Margarethe Rheinberger [-Brasser]], ein ganzes Lebensglück gefunden. –
Am Donnerstag d. 22. erfolgt die gewichtige Consul-
tation bei mir, bei welcher sich wahrscheinlich ent-
scheidet, wie lange ich noch hier bleiben muss, ich berichte
es meinem viel guten H. Vetter alsdann pr. Karte, – ach ich
fürchte, es werde mir noch den ganzen Sommer bestimmt, unter
¼ - ½ Jahr komme Niemand mehr von hier hinunter, trotz
dem in Arosa meist nur leichter Kranke sind, wäh-
rend in Davos schon schwere Fälle. – Schon habe ich
hier / ohne Arzt / fast 1800 frs. bezahlt, – ist das nicht
tief betrübend für mich? – Doch nein, was der Herr
unser Gott tut / das ist nicht betrübend, er, unsre Liebe
soll über uns verfügen! –
Liebes, gutestes Vetterchen, ich bin nun noch so frei
Sie beim Wort zu nehmen; – Heisa, tat mich [39]
das freuen, dass ich nun eine kl. Aussicht auf Ihr Bild
im kommenden Sommer, – aber „Worthalten nun“, ich
bitte, bitte herzlich darum u. freue mich herzlich darauf.
Ich hatte Herr Postmeister [Theodor] Rheinberger in Vaduz bereits
schon einmal darum angegangen, mir doch den Gefallen zu tun, der Glückliche
besitzt ja Ihr Bild, ich glaube noch von früher.
Haben Sie nun noch einmal 1000 Dank für die lieben, teu-
ren Bilder, gut werden sie bei mir aufbewahrt sein immer,
immer u. in Treuen werde ich zu ihnen halten. –
Haben Sie Dank für alle Freude, die Sie mir so
liebevoll gespendet. –
Könnte ich meine Lieben daheim jetzt bei mir
haben, würden sie mir eine Menge heimatliche
Frühlingsgrüsse für Sie auftragen. Wie haben [40]
auch sie sich gelabt u. gefreut an Ihren teuren Brief-
lein, die ich heimgeschickt. –
Gottes Treue wache über Sie! Schenken
Sie mir bitte, bitte balde wieder ein einmal ein lb.
Wort!
Immer /
Ihr anhanglich Bäschen
Emma Rheinberger