Regierungssekretär Josef Ospelt erstattet der fürstlichen Hofkanzlei Bericht über die Ordensniederlassungen in Liechtenstein


Maschinenschriftliches Schreiben von Regierungssekretär Josef Ospelt, gez. ders., an Hofkanzleileiter Hermann von Hampe [1]

9.3.1914

Euer Hochwohlgeboren, Hochverehrtester Herr Hofrat!

Die von Euer Hochwohlgeboren heute telephonisch verlangten Auskünfte betreffend Ordensniederlassungen im Gebiete des Fürstentums Liechtenstein erlaube ich mir, hiemit schriftlich zu wiederholen und zu ergänzen wie folgt:

Niederlassungen von männlichen Orden bestehen hierlands nicht und es sind engere Beziehungen nur mit dem Kapuzinerkloster in Mels, Kanton St. Gallen, vorhanden, dessen Mitglieder altem Brauch gemäss in mehreren hierländigen Gemeinden und besonders in Vaduz an gewissen Festtagen Mission halten oder auch über Verlangen in der Seelsorge Aushilfe leisten.

Dagegen sind Schwestern der christlichen Liebe in den fürstlichen Gebäuden auf Gutenberg bei Balzers und Schwestern vom kostbarsten Blute in Schellenberg niedergelassen. Die ersteren, nach der 1911er Volkszählung [2] 15 Schwestern, führen ein Töchternpensionat [Institut Gutenberg], die letzteren pflegen nebst den Pflichten der ewigen Anbetung Handarbeiten, versehen in den Schulen von Schellenberg und Ruggell den Handarbeitsunterricht und haben auch eine Landwirtschaft. In Schellenberg waren im Jahre 1911 38 Schwestern anwesend, von denen drei Angehörige des Fürstentums sind. –

In den hierländigen Armenanstalten versorgen aufgrund der seitens der Gemeinden mit dem Mutterhaus Zams abgeschlossenen Verträge barmherzige Schwestern die Anstaltsleitung und einen Teil der Wirtschaftsarbeiten; ferner sind an sieben mehrklassigen Volksschulen und an 5 Kindergärten ebenfalls barmherzige Schwestern aus dem Mutterhause Zams tätig. Insgesamt sind hierlands etwa 45 barmherzige Schwestern anwesend, welche jedoch keine Ordensniederlassungen bilden, sondern, soweit sie im Schuldienste stehen, von der fstl. Landesschulbehörde mit Dekret provisorisch angestellt sind und bezüglich der Armenanstalten in einem Vertragsverhältnisse zu den betreffenden Gemeinden stehen. [3]

Genehmigen hochverehrster Herr Hofrat die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochschätzung, womit ich verbleibe [4]

Ew. Hochwohlgeboren ergebenster

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[1] LI LA RE 1914/0711. Einlaufstempel der Regierung vom 9.3.1914.
[2] Zur liechtensteinischen Volkszählung von 1911 vgl. LI LA RE 1911/2966, LI LA RE 1912/0008 sowie LI LA V 000/15/09 a ff.
[3] Vgl. etwa den Vertrag des Zamser Mutterhauses mit der Gemeinde Triesen vom 19.8.1910 betreffend die Armenanstalt in Triesen (LI LA RE 1910/1684).  
[4] Die Hofkanzlei ersuchte die Regierung mit Telegramm vom 13.6.1914 erneut um einschlägige Auskünfte. Fürst Johann II. wollte darüber orientiert sein, welche geistlichen Orden, insbesonders weibliche, sich in Liechtenstein befänden und ob speziell die Salesianerinnen eine Niederlassung im Lande hätten (LI LA RE 1914/1677 ad 0711). Landesverweser Leopold von Imhof antwortete der Hofkanzlei noch gleichentags, dass sich keine Salesianerinnen im Fürstentum aufhielten. Im Übrigen wiederholte er die im Schreiben vom 9.3.1914 getätigten Auskünfte (ebd.).