Der Leseverein Triesen nimmt nach den Sommerferien seine Tätigkeiten mit einem Vortrag von Pfr. Franz von Reding zum Thema: „Kultur und Barbarismus" (bzw. über die katholische Kirche als Trägerin der Kultur) wieder auf


Zeitungsbericht, verfasst wohl von der Pfarrei Triesen, gez. „eingesandt“ [1]

9.11.1917

Triesen.

(Eingesandt.) Mit dem vergangenen Sonntag hat der löbl. Leseverein [Triesen] wieder seine Versammlungen und Unterhaltungsabende eröffnet, nachdem er den Sommer hindurch Ferien gemacht hatte. Eine schöne, respektable Zahl aus der jungen und alten Garde war dem ersten Rufe gefolgt. Als Referent konnte hochw. Herr Pfarrer [Franz] von Reding aus Triesenberg gewonnen werden. In wohldurchdachter Rede sprach er über das Thema: „Kultur und Barbarismus". Der hochw. Hr. Referent zeigte in zwei Bildern, was die Kultur ist, wie sie eingeteilt wird, und wie es geht, wenn nicht alles durchdrungen ist von der sittlich religiösen Kultur. Wo diese fehlt, wuchert der Barbarismus. Der gegenwärtige Weltkrieg ist der grösste Barbarismus, den die Weltgeschichte kennt. Dass die katholische Kirche die Trägerin der Kultur ist und war, wird auch gegnerischerseits zugestanden. So stellte am 11. November 1894 der Professor Geheimer Oberregierungsrat Dr. [Bernhard] Hübler – eine anerkannte Grösse der Berliner Universität – in der Vorlesung die folgende Behauptung auf: „Das Pontifikat ist eine der grossartigsten Erscheinung[en], die je in die Welt gekommen. Ohne das Papsttum wäre das Mittelalter eine Beute der Barbarei geworden. Noch heute würde ohne das Papsttum die Völkerfreiheit auf das äusserste gefährdet sein. Es ist das beste Gegengewicht gegen die alles beherrschende Staatsgewalt. Wäre es nicht da, man müsste es erfinden." Der Historiker Gregororius [Ferdinand Gregorovius] – ebenso wenig Katholik wie Hübler – sagt in seiner Geschichte der Stadt Rom: „Die Geschichte hat nicht Herrentitel genug, um mit ihnen die weltumfassende Wirksamkeit, die grossen schöpferischen Taten und den unvergänglichen Ruhm der Päpste auch nur annähernd zu bezeichnen. Ihre lange Reihe wird am Himmel der Kulturgeschichte ein System bilden, dessen Glanz alle andern Reihen von Fürsten und Regenten der Zeiten überstrahlt".

Nach diesem gehaltvollen und schön durchgeführten Referat, das bestens verdankt wurde, sprach noch hochw. Herr Pfarrer [Urban] Marok einige Worte der Aufmunterung zu eifriger Tätigkeit in unserm Vereine. Der Leseverein bietet den Mitgliedern durch Unterhaltung und Gesellschaft, und wer sollte sich diese gemütlichen Stunden, die dazu dienen, Abwechslung in das Sorgen und Mühseligkeiten bringende Alltagsleben zu pflanzen, nicht zu gönnen wissen. Möge daher der löbl. Leseverein Triesen aufs neue blühen und gedeihen!

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[1]L.Vo. 9.11.1917, S. 2.