Die Anglo-österrreichische Bank ersucht die Regierung um eine Bankenkonzession


Schreiben der Anglobank an die Regierung, eingereicht über die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien, gez. Dr. N.N und Hugo Schwarz[1] 

Ohne Datum, vor dem 5.9.1919, Wien[2] 

An die
Hohe Regierung des Fürstentum Liechtenstein

zu Handen des Herrn Gesandten dieser Hohen Regierung in Wien
Sr. Durchlaucht des Prinzen Eduard von und zu Liechtenstein
Wien

Anglo–Österreichische Bank
Wien, I. Strauchgasse 1 

bittet um Erteilung der Konzession zur Errichtung eines Bankinstitutes in Vaduz

Wir haben in Gemeinschaft mit einigen befreundeten Schweizer Firmen den Plan gefasst, im Fürstentum Liechtenstein mit dem Sitze in Vaduz ein Bankinstitut ins Leben zu rufen und zwar unter dem Titel „Fürstlich Liechtenstein’sche Zentralbank“ und erlauben uns sowohl in unserem Namen wie im Namen unserer Schweizer Freunde an diese hohe Regierung das ergebene Ansuchen zu richten, uns die prinzipielle Bewilligung zur Errichtung dieses Bankinstitutes zu erteilen. Wir haben ein Kapital von K 12'000'000.- zu diesem Zwecke sichergestellt und es würde keinen Schwierigkeiten unterliegen, im Bedarfsfalle dasselbe entsprechend zu erhöhen. Die Zwecke, die das zu errichtende Bankinstitut zunächst verfolgen soll, wären unseren Plänen zufolge nachstehende: 

a) die Fürstlich Liechtenstein'sche Zentralbank würde das Recht und die Pflicht übernehmen, bei der Regulierung der derzeit im Lande geltenden Valuta bezw. bei der Einführung einer neuen Valuta mitzuarbeiten. Es würde demnach zu ihrem Geschäftskreis die Übernahme von Landes – und Gemeindeanleihen und zwar entweder allein oder in Verbindung mit anderen Instituten gehören, desgleichen der Handel in Münzen und Edelmetallen. Falls es zur Emission von Banknoten in Liechtenstein kommt, würde sie die Funktionen einer Notenbank zu erfüllen haben und das entsprechende Privilegium im Gesetzgebungswege erhalten. Sie würde des Weiteren in allen Finanzgeschäften, die ihr von der Fürstlich Liechtenstein’schen Regierung angeboten werden sollten, ihre Dienste der hohen Regierung bereitwilligst zur Verfügung stellen. Damit mit der Initiierung dieses besonders schwierigen und gerade in den nächsten Jahren lebenswichtigen Geschäftszweiges mit Aussicht auf Erfolg begonnen werden könnte, erschiene es notwendig, der Zentralbank die Zusicherung zu erteilen, dass für eine bestimmte Anzahl von Jahren, etwa 15 Jahre lang, kein anderes Bankinstitut im Gebiete des Fürstentum konzessioniert bezw. zum Geschäftsbetrieb zugelassen werden dürfte. 

b) Die Zentralbank würde sofort eine eigene Hypothekarabteilung einrichten oder auf Wunsch ein selbständiges Hypothekarinstitut unter ihrer Kontrolle ins Leben rufen. Hiedurch wäre die Zentralbank imstande, den Bedürfnissen des Landes auf Erteilung von billigen und entsprechend langfristigen Hypothekarkrediten Genüge zu leisten. Mit der in Vaduz bestehenden Sparkassa wäre ein Übereinkommen abzuschliessen und dieselbe in die Hypothekarabteilung bezw. das Hypothekarinstitut als Ganzes aufzunehmen, soferne der hohen fürstlichen Regierung dies wünschenswert erscheinen sollte. 

c) Zur Förderung des einheimischen Handels und Verkehrs erscheint es von grosser Wichtigkeit, an geeigneten Stellen im einheimischen Lande selbst öffentliche Lagerhäuser zu errichten und zwar mit dem Rechte auf Ausgabe von Besitzscheinen (Rezepisse) und Pfandscheinen (Warrants), so wie diese Rechte im geltenden Lagerhausgesetz vom 28. April 1889, R.G.Bl. Nr. 64 [3] umschrieben erscheinen. Wir erhoffen uns hievon, unter den für die nächste Zukunft zu erwartenden Verhältnissen, mehr denn je in Verbindung mit den anderen in dieser Eingabe skizzierten Entwürfen die Aussicht, einen entsprechenden Teil des Handels nach dem kontinentalen Mitteleuropa über das Fürstentum Liechtenstein leiten zu können, wozu naturgemäss angemessene Einrichtungen getroffen werden müssten. 

Das Reglement dieses Lagerhauses würde der Genehmigung der fürstlichen Regierung unterliegen. Daneben könnte auch im Bedarfsfalle an die Errichtung von Privatlagerhäusern und Freilagern geschritten werden. 

d) Ein besonderes Augenmerk würde das zu schaffende Institut der Hebung der produktiven Tätigkeit des Landes auf industriellem Gebiete zuwenden. Es würde demgemäss die Holzgewinnung und Verarbeitung, die Papierfabrikation, die Stickereiindustrie und Manufaktur nach Kräften zu fördern trachten und zu diesem Zwecke Kredite zur Verfügung stellen, bestehende Unternehmungen fördern, neue ins Leben zu rufen trachten und ein Hauptaugenmerk der technischen Ausgestaltung des industriellen Betriebes zuwenden. Die motorische Kraft für diese und andere Anlagen ist durch Hebung der im Fürstentum vorhandenen Wasserkräfte und durch die daran schliessende Ausnützung derselben zu gewinnen. Auch für diese Aktionen bildet die finanzielle Fundierung eine der allerwichtigsten, vielleicht die wichtigste Voraussetzung. Ebenso würde sich die Bank die Förderung der Landwirtschaft, insbesondere durch eine ausgiebige Riedentwässerung, angelegen sein lassen. 

e) Insbesondere soll mit Hilfe der vorhandenen Wasserkräfte an die Errichtung einer elektrischen Bahn geschritten werden, welche von Balzers mit Anschluss an die Schweiz ausgehend über Vaduz und Schaan eventuell über Eschen und sodann über Mauern [!] nach Feldkirch zu leiten wäre. Diese Bahn, um deren Konzessionierung die Bank im Verein mit Freunden einzukommen beabsichtigt und deren Errichtung sie sodann in Angriff nehmen würde, müsste einerseits sowohl für den Handel als für das industrielle Aufblühen des Landes von ausserordentlicher Bedeutung sein und wäre des Weiteren imstande, zur Hebung des Fremdenverkehrs in grossem Masse beizutragen.

f) Dem gleichen Zwecke würde die Ausgestaltung des Verkehrs nach dem Hotel Gaflei, durch Drahtseilbahn von Vaduz, und dem herrlichen Malbunertale dienen. Das in diesem Tale herrschende Klima, welches jenem von Davos sehr ähnlich ist, lässt die Aussicht auf Einrichtung und Ausgestaltung eines internationalen Kurortes, der jenen in der Schweiz und in Tirol ebenbürtig an die Seite treten könnte, für begründet erscheinen. Ein Hotel in Vaduz mit Autobusverkehr nach Schaan, Buchs und Sevelen würde dem Fremdenverkehr die weitesten Perspektiven eröffnen. 

g) Neben diesen speziellen Zwecken, die einige der Projekte andeuten, die wir im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des Fürstentums im Auge haben, würde die Bank das normale Bankgeschäft einer Giro-, Depositen-, Diskont- und Lombardbank pflegen und nach Vereinigung mit der Sparkassa unter den entsprechenden von der Regierung festzusetzenden Kautelen das Spareinlagengeschäft intensiv aufnehmen. Hingegen erscheint das Börsenspiel aus dem Kreise der Geschäfte, die die Bank zu pflegen beabsichtigt, ausgeschlossen. 

Die unseren Zwecken entsprechenden Statuten sind in Ausarbeitung begriffen und werden, wenn wir die prinzipielle Genehmigung der hohen fürstlichen Regierung erhalten haben, in kürzester Frist deren Genehmigung unterbreitet werden. In dieselben wird eine Bestimmung Aufnahme finden, derzufolge die Bank verpflichtet sein wird, bei Vergebung von Beamten- und sonstigen Posten in erster Linie fürstlich Liechtenstein’sche Staatsangehörige zu berücksichtigen. 

Wir hoffen, dass unsere Bestrebungen, die durchaus auf das Emporblühen der Volkswirtschaft dieses schönen Landes gerichtet sind, sich mit den Intentionen der hohen Regierung begegnen und erbitten eine möglichst baldige zustimmende Erledigung unseres Ansuchens. 

Anglo – Österreichische Bank

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[1] LI LA RE 1919/4776 ad 3339
[2] Datum des Eingangs bei der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien. Dort mit dem Aktenzeichen 272/2.
[3] Gesetz vom 28. April 1889 betreffend die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Lagerhäuser und die von denselben ausgestellten Lagerscheine. Online-Version in: Historische Rechts- und Gesetzestexte Online.