Maschinenschriftliches Schreiben von Regierungssekretär Josef Ospelt, gez. ders., an den Leiter der Hofkanzlei, Hermann von Hampe [1]
12.2.1914
Euer Hochwohlgeboren, Hochverehrtester Hofrat!
Im Nachstehenden erlaube ich mir, über den Stand der hierlands eingeleiteten Notstandsaktion zu Gunsten der Landwirtschaft ergebenst zu berichten:
Im Laufe der letzten Jahre hat sich infolge der günstigen Absatzverhältnisse der Viehstand im Fürstentum durch grössere Nachzucht [2] bedeutend vermehrt, da die Landwirte bestrebt waren, ihre Betriebe möglichst nutzbringend zu gestalten.
Infolge dessen hat der hierländige Viehstand im Jahre 1913 eine Höhe erreicht wie kaum je zuvor.
Da nun aber im abgelaufenen Sommer hierlands die Maul- und Klauenseuche ausbrach, sich ziemlich stark ausbreitete und erst im Monate Jänner d.J. wieder erloschen ist, ist der Nutzviehhandel seit etwa 8 Monaten völlig lahm gelegt und hiedurch eine allgemeine Futternot hervorgerufen worden.
Durch das Stocken des Viehhandels, durch die schlechten landwirtschaftlichen Erträgnisse in den Jahren 1910, 1912 und 1913 sowie durch die allgemeinen wirtschaftlichen Rückgänge ist unter der hiesigen Bevölkerung eine ungewöhnliche Geldknappheit aufgetreten, welche eine besondere Hilfe geboten erscheinen liess. [3]
Über eine Anregung [4] des landwirtschaftlichen Vereines hat der verstorbene Herr fstl. Kabinettsrat [Karl von In der Maur] [5] Einleitungen für eine Notstandsaktion getroffen, [6] welche sich dem Antrage des landwirtschaftlichen Vereines und den vorliegenden Bedürfnissen gemäss auf Beschaffung von Futtermitteln für die landwirtschaftlichen Betriebe erstrecken sollte. Den von Herrn Kabinettsrat erhobenen Bedürfnissen entsprechend hat der Landtag in seiner Sitzung vom 18. Dezember 1913 zur Beschaffung von Futtermitteln einen Kredit von 50'000 Kronen zinsfrei für ein Jahr aus Landesmitteln bewilligt. [7] Am 19. Dezember 1913 habe ich mir erlaubt, Euer Hochwohlgeboren telephonisch von diesem Beschlusse in Kenntnis zu setzen und um die Ermächtigung zu bitten, wegen der Durchführung dieser Notstandsaktion unverzüglich eine Kommission einzuberufen und das weiter Erforderliche zu veranlassen. Ich habe sohin aufgrund einer Besprechung in einer Regierungssitzung den fstl. Landestierarzt Ludwig Marxer, die Landräte Meinrad Ospelt und Lorenz Kind, den Vorsitzenden des landwirtschaftl. Vereines Dr. Rudolf Schädler, sowie die auf dem Gebiete des Futtermittelhandels bewanderten Herren Franz Schlegel und Franz Josef Wachter aus Vaduz und Johann Wanger aus Schaan in diese Notstandskommission berufen und baldigst die Tätigkeit mit dieser Kommission aufgenommen. [8] Die Geschäftsführung dieser Kommission ist im Hinblicke auf meine anderweitige ungewöhnliche Inanspruchnahme und auf die hiezu erforderliche Erfahrung in landwirtschaftlichen Fragen dem Dr. Rudolf Schädler übertragen worden.
Die Notstandskommission hat zunächst Offerten für Kraftfuttermittel eingeholt, den im Inland vorhandenen Futtervorrat geprüft und soweit er entsprechend befunden und zu annehmbaren Preisen erhältlich war, aufgekauft. Durch das Eingreifen der Notstandskommission wurden die sonst unvermeidlichen Preistreibereien verhindert und den Landwirten unter Umgehung von Zwischenhändlern Futtermittel zu annehmbaren Bedingungen beschafft. Bis heute sind rund 1620 Meterzentner Heu, rund 1100 Meterzentner Mais, 95 Meterzentner Leinkuchenmehl und rund 437 Meterzentner Hafer bestellt und zum grösseren Teile bereits an die Landwirte zugewiesen worden. Der Aufwand hiefür beträgt rund 49'000 K.
Es hat sich nun herausgestellt, dass manche Landwirte zur Zeit, als die Bestellungen im Monat November aufgenommen wurden, ihr Bedürfnis an Futter nicht übersehen konnten, dass manche auf einen baldigen Viehabsatz hofften, mit ihrem Vorrat auszukommen glaubten und dass nunmehr noch in vielen landwirtschaftlichen Betrieben ein grosser Bedarf an Heu sich eingestellt hat. Die Notstandskommission hat hierüber das Ansuchen gestellt, es möchte ein neuerlicher Kredit von 10'000 K zur Verfügung gestellt werden. [9] In der gestern abgehaltenen Landesausschusssitzung ist beschlossen worden, [10] vorbehaltlich der Genehmigung durch den nächsten Landtag [11] den von der Notstandskommission nachgesuchten Kredit von 10'000 K zur Beschaffung von weiteren Futtermitteln zu gewähren und ich erlaube mir, Euer Hochwohlgeboren ergebenst zu bitten, für diesen Landausschussbeschluss die Höchste Genehmigung Seiner Durchlaucht [Johann II.] gefälligst einholen zu wollen. [12]
Ich habe unter einem Erhebungen über den wirklichen Bedarf an Futtermitteln im Wege der Ortsvorstehungen eingeleitet, [13] da die Fortführung der Aktion einerseits wegen des vorhandenen Bedürfnisses und andererseits wegen der für später zu erwartenden Preissteigerung möglichst keinen Aufschub erleiden soll. –
Wegen der Verrechnung der Kredite wurde bestimmt, dass jene Parteien, welche Futtermittel durch die Notstandskommission bezogen haben, die Rechnungsbeträge bis Ende März d.J. unter Abrechnung eines 4 %igen Rabattes bei den Ortsvorstehern einbezahlen können, dass bis Ende Februar 1915 die Beträge für solche Futtermittel, soferne sie nicht bar bezahlt werden, zinsfrei bei der fstl. Landeskasse in Vaduz abzuführen seien und dass für Beträge, welche bis zu letzterer Frist nicht bezahlt werden vom 1. März 1915 ab ein 5 %iger Verzugszins berechnet und unter Umständen die Zwangsbetreibung durchgeführt werden müsste. [14] Die Festsetzung dieser Termine hat auch die Gutheissung des Landesausschusses gefunden.
Die durch die Notstandskommission beschafften Futtermittel werden ohne jeden Zuschlag an die Landwirte abgegeben und es wird daher aus dieser ganzen Aktion für die Landeskasse eine Belastung von etwa 2400 K an Zinsentgang und von einigen Hundert Kronen für die Diäten der Kommissionsmitglieder erwachsen; die Belastung des Landes wird also verhältnismässig eine geringe sein.
Da nun wie bereits eingangs erwähnt, hierlands die Maul- und Klauenseuche gänzlich erloschen ist, darf erwartet werden, dass nach Ablauf der üblichen 40 tägigen Quarantäne seit Erlöschen des letzten Seuchenfalles der Viehhandel in Gang kommen wird, [15] wobei allerdings zunächst noch mit recht gedrückten Preisen zu rechnen sein wird. Immerhin dürfte die Erfüllung dieser Erwartung zur Folge haben, dass namhafte Beträge für die bezogenen Futtermittel bar eingehen werden. Sollte jedoch das Verhängnis es wollen, dass die Seuche neuerlich hier ausbrechen sollte, so würde die Notlage erst recht gross und die Geldknappheit auch in den öffentlichen Kassen schwer fühlbar werden. Die hiesige Sparkasse musste schon im November v.J. mit Rücksicht darauf, dass der Verkauf österreichischer Staatspapiere wegen des ungewöhnlich niedrigen Kurses untunlich war, zur Aufnahme eines Darlehens von 200'000 K, welches im Wege der Bank für Tirol und Vorarlberg bei einem Basler Bankinstitute untergebracht wurde, schreiten. Wenn nun durch den Viehhandel Geld ins Land gebracht werden könnte, wäre voraussichtlich mit den vorhandenen Mitteln auszukommen, andernfalls wird sich allerdings die Sparkassekommission mit der Frage des Verkaufes von österreichischen Staatspapieren, nach dem sich doch die Kursverhältnisse etwas gebessert haben, notgedrungen befassen müssen, aber wie gesagt ist vorläufig Aussicht, ohne eine derartige Aktion auszukommen. [16]
Ich benütze den gegenwärtigen Anlass, Euer Hochwohlgeboren ergebenst mitzuteilen, dass von den hiesigen zwei fürstlichen Dienstpferden, welche im Jahre 1906 von Feldsberg bezogen wurden, [17] das eine infolge einer Erkältung nicht unbedenklich erkrankt ist. Ich habe den das Tier behandelnden Landestierarzt Marxer angewiesen, einen zweiten Tierarzt beizuziehen. Gegenwärtig sollen die Heilungsaussichten nicht ungünstig sein, doch kann etwas bestimmtes über den Ausgang vom Tierarzte nicht gesagt werden. Die Pferde sind seit dem Ableben des Herrn Kabinettsrates und seit der Abreise des Herrn Leutnants [Gilbert] v. In der Maur nur zur Zeit, als Herr Ingenieur Ziegelmayr [Ziegelmayer] in Vollziehung eines Höchsten Auftrages hier weilte, dienstlich benützt, hiebei aber nicht im geringsten strapaziert worden. Auch werden sie vom Kutscher Hochenegger [Kassian Hohenegger] aufmerksam behandelt. Da die Tiere aber schon elf Jahre alt sind und das eine derselben, wie ausgeführt, ziemlich stark erkrankt ist, kann es allerdings möglich sein, dass die Frage der Beschaffung neuer Pferde vielleicht schon in näherer Zeit aktuell werden wird. Inzwischen werde ich selbstverständlich bestrebt sein, dass das erkrankte Tier so gut nur möglich zu retten versucht wird.
Genehmigen hochverehrter Herr Hofrat die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochschätzung, womit ich zeichne
Euer Hochwohlgeboren
ergebenster