Franz Xaver Beck berichtet über die Hauptversammlung des „Liechtensteinischen Bauernbundes“


Artikel in den „Oberrheinischen Nachrichten“, gez. Franz Xaver Beck (Gasthaus Schäfle, Triesen) [1]

17.12.1919, Triesen

Vom Bauernbunde

Montag, den 8. Dezember, nachmittags 2 Uhr, ist im Gasthaus z. Linde in Schaan die Hauptversammlung des Liechtensteinischen Bauernbundes abgehalten worden.

Anwesend waren ca. 400 – 500 Personen.

Der Vorstand eröffnete die Versammlung mit folgenden Worten:

Meine Herren! Es freut mich sehr, dass Ihr so zahlreich erschienen seid. Weshalb wir hier sind, wird jedem bekannt sein. Ich will aber nichtsdestoweniger einige Worte über unsere schwierigen Verhältnisse im Lande zu Euch sprechen. Unser Land hat während des Krieges 14 Millionen oder noch mehr Schulden gemacht und wir Bauern haben grosse Opfer gebracht mit unserm Vieh und wenn ich heute das ganze Land durchreise und viele armen Familienväter frage: „Seid Ihr während des Krieges unterstützt gewesen?" so sagt mir der eine, er sei schlecht, und der andere, er sei gar nicht unterstützt worden. Betrachten wir beispielsweise den Briefmarkenhandel, also ein vielfaches Millionengeschäft: es ist uns verkauft worden um ein kleines Geld. Ein Beweis hiefür ist, dass auch zur Zeit, da ich dies zu Euch spreche, wieder ein kleiner Briefmarkenverschleiss im Gange sein soll und zwar mit Bezug auf eine Post nach der Schweiz. Da stellt ein gewisser Herr aus Vaduz ein Schema auf und sagt, man könnte, ausser dem bereits getätigten Markenhandel in 2 Jahren einen Reingewinn von ca. 4 Millionen Franken herausziehen und doch ist dies dem andern gegenüber sichtlich nur ein Bagatell. [2] Und wo bleibt oder ist unsere Viehverwertung? [3] Sie stellt uns mit unserm Vieh vor den Hungertisch, sie hat zwar einige Stücke gekauft, aber um welchen Preis! Wie ich gesehen habe, zahlt sie kaum 1/3 vom richtigen Wert. Z. B. hat sie einen Transport nach Italien verkauft, erstklassige Ware, zu ca. Kr. 28'000, und alles gegen Kompensation, sie bezahlt aber pro Kilo nur 17 – 18 Kronen, das macht eine Summe von 8000 – 9000 Kronen, also werden Kr. 20'000 zurückbehalten zur Fleischversorgung und weiss ich zu was. Und selbstredend alles das ohne irgendwelche Aufklärung dem Bauern gegenüber. Drum haltet fest zum Bauernbund! Aber nicht nur der Bauer allein hat Ursache, seine Existenz zu sichern, sondern auch andere Stände, besonders das Kleingewerbe. Dienstboten und Angestellte sind interessiert an der Erhaltung eines leistungsfähigen, gesunden Bauernstandes, denn dieser bildet die Grundlage des ganzen Landes und jeder gedeihlichen Landwirtschaft. Im allgemeinen gilt das Sprichwort: „Hat der Bauer Geld. Hat's die ganze Welt."

Nie gab es Zeiten, in welchen der Bauer so freie Hand hatte, sein Schicksal selbst in die, Hand zu nehmen, wie dies heute der Fall ist. Kein anderer Stand, keine andere Partei kann ihn hindern, sich sowohl wirtschaftlich als auch politisch frei und unabhängig zu stellen. Die Bauern haben es in der Hand, die mächtigsten Beschützer des Landes zu sein. Jeder heranbrausende Sturm würde an dieser Mauer zerschellen. Drum haltet fest zum Bauernbund, denn Ihr könnt doch nicht wollen, dass alle Fragen ohne Euch gelöst werden? Wollt Ihr denn wieder die Faust im Sacke machen, wenn eine Forderung die andere jagt, wenn man das Unmöglichste von Euch fordert? Wollt Ihr noch länger die Knechte jener bleiben, die Euer Brot essen, von Eurem Schweisse leben? Wollt Ihr noch länger die geschorenen Schafe jener Parteien bleiben, die Euch wohl bei den Wahlen kennen, vorher und nachher aber einen Pfifferling um Euch, um Euern Willen, um Eure Beschwerden sich kümmern? Drum haltet fest zum Bauernbund!

Mit den Zentralen kann man sich nicht mehr zufrieden geben. Dagegen gibt es aber kein besseres und treffenderes Mittel als den Bauernbund. Die Geschichte lehrt: Einigkeit macht stark!

Gewählt wurden:

Vorstand: [Franz] Xaver Beck, zum „Schäfle", Triesen

Kassier: Pius Büchel, Ruggell

Schriftführer: Ludwig Beck, Schaan

Ersatzmann vom Vorstand: Eduard Batliner, Eschen

 

Rechnungskommission:

Alois Frick, Balzers

Emil Real, Vaduz

Konrad Öhry [Öhri], Mauren

 

Sektionsvorstände:

Balzers: Alois Frick

Triesen: Hermann Kindle

Triesenberg: Emil Beck, Nr. 218

Vaduz: Bernhard Risch

Schaan: Baptist Ouaderer

Eschen: Arnold Fehr

Mauren: Konrad Öhry

Gamprin: Franz Hasler

Schellenberg: Frz. Jos. [Franz Josef] Wohlwend

Ruggell: Frz. [Franz Josef] Hoop

Nendeln: Alfons Hasler

Am Schluss der Hauptversammlung wurden noch verschiedene freie Anträge erörtert, welch letztere sämtlich sehr gute Gedanken zeitigten und viel Erspriessliches zur gegenseitigen Aufklärung beitrugen.

Anmerkung. Manche Stellen aus vorstehender Rede sind inzwischen bereits überholt, das ersieht man aus den Erfolgen, mit denen sich gewisse Herren dank den Vorarbeiten und dem endlichen scharfen und unerschrockenen Eingreifen der Bauern selbst nunmehr brüsten. Der Erfolg den Bauern! Um sich hierüber selber Rechenschaft zu geben, braucht man bloss die Sümmchen der ersten Einkäufe zu vergleichen mit dem, was wir tatsächlich in Kronen bekommen, wenn man die Frankenerlöse in Kronen umrechnet. Zahlen und Tatsachen sprechen!

Zum Schlusse und wo diese Zeilen dem Drucke übergeben werden, mögen die Bauern noch folgendes beherzigen. Es sei jedem aus guter Quelle im eigenen Interesse angeraten, jetzt kein Vieh mehr an Unterhändler oder andere Behörden loszuschlagen, solange die Preise nicht vom Bauernbund aus veröffentlich sind. Es mag zwar eigentümlich berühren, den Ausdruck „aus guter Quelle“ anwenden zu müssen, wo doch der Bauernbund die einzige Quelle sein müsste. Begreift Ihr nun, Ihr Bauern, wo wir dann waren – am Gängelband!

Der Bauernbund ist es, der die Interessen der Bauern und damit die des ganzen Landes wahrnimmt. Dass er allen gerecht zu werden wünscht, springt ohne weiteres in die Augen, wenn man bedenkt, dass 5 Prozent den Armen unmittelbar abzugeben bereits beschlossene Sache ist. „Hat der Bauer Geld, hat's die ganze Welt! [4]

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[1] O.N., Nr. 96, 17.12.1919, S. 1-2. Vgl. auch O.N., Nr. 94, 10.12.1919, S. 2 („Bauernbund“). Vgl. auch die Statuten des Bauernbundes vom 9.11.1919 (LI LA RE 1919/5716). – Die Gründung des Bauernbundes war auch politisch motiviert, denn dem 1885 gegründeten „Liechtensteinischen landwirtschaftlichen Verein“, der noch im August 1919 seine Statuten revidiert hatte, wurde vorgehalten, er sein ein von Akademikern und Nichtbauern dominierter „Herrenverein“.
[2] Im Oktober 1919 hatte ein Konsortium, bestehend aus Luigi Kasimir, Gustav von Flesch-Brunningen, Eugen Nipp und Ferdinand Nigg, eine Eingabe an die Regierung gemacht. Ziel war die Übernahme des Weltvertriebes für liechtensteinische Briefmarken auf eigene Kosten bei Zusicherung eines Reingewinnes an den liechtensteinischen Staat. Ebenfalls im Oktober hatte der Münchner Berufsphilatelist Otto Bickel ein Briefmarkenprojekt bei der Regierung eingereicht. Vgl. in diesem Zusammenhang das Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung vom 11.11.1919 (LI LA LTA 1919/S04).
[3] Die Viehverkaufsstelle für Schlachtvieh und Schlachtschweine, auch Viehzentrale genannt, war im Oktober 1915 zur Lebensmittelversorgung der Bevölkerung eingerichtet worden. Von Seiten der Bauern war dieser gleich nach der Gründung Opposition erwachsen; nach Kriegsende wurde vor allem deren Verkaufspolitik kritisiert. 
[4] 1922 kam es zur Fusion des landwirtschaftlichen Vereins und des Bauernbundes zum „Liechtensteinischen Bauernverein“. Vgl. die von der Regierung am 15.2.1922 eingesehenen Statuten des Bauernvereins unter LI LA RE 1922/0691.