Der neugegründete „Liechtensteinische Bauernverein“ gibt sich Statuten


Maschinenschriftliche Statuten, nicht gez. [1]

o.D. (vor dem 14.2.1922), o.O.

Statuten des Liechtensteinischen Bauernvereins

I. Firma, Sitz und Zweck

Art. 1.

Der Verein nennt sich „Liechtensteinischer Bauernverein“ und hat den Sitz am Wohnorte des jeweiligen Vereinspräsidenten.

Derselbe ist im Handelsregister einzutragen.

Art. 2

Er stellt sich zur Aufgabe, die Landwirtschaft zu fördern durch:

1. Ausbreitung der Landw. Berufsbildung durch Vorträge, Versuche, Kurse u.s.w.;

2. gemeinsamen Bezug landwirtschaftlicher Bedarfsartikel;

3. gemeinsamen Absatz eigener Produkte;

4. Beratung und Unterstützung von wichtigen Veranstaltungen und zweckmässigen Einrichtungen landwirtschaftlicher Natur;

5. Stellungnahme zu wirtschaftspolitischen Fragen [im] Interesse der Landwirtschaft.

Durch Beschluss des Vereinsausschusses oder der Generalversammlung kann das Tätigkeitsgebiet erweitert werden.

Der Verein liefert seine Waren in erster Linie an die Mitglieder. Nichtmitglieder bezahlen einen jeweils von der Geschäftskommission festzusetzenden Zuschlag. Sollte ein Mitglied das Geschäftsgebahren (Käufe u. Verkäufe) auch für Nichtmitglieder in Anspruch nehmen, so kann es vom Vereinsausschusse aus dem Verein ausgeschlossen werden.

Art. 3

Mitglied des Vereins kann jeder unbescholtene In- und Ausländer werden, sofern er das 18. Lebensjahr vollendet hat und bei noch nicht erreichter Grossjährigkeit die Zustimmung seines gesetzl. Vertreters zum Eintritt in den Verein nachweist. Die Aufnahme der Mitglieder erfolgt durch den Vereinspräsidenten. Der Eintretende hat die Statuten eigenhändig zu unterschreiben oder in anderer Weise gestützt auf die Statuten seinen Beitritt zum Liechtensteinischen Bauernverein unterschriftlich zu erklären.

Art. 4

Der Ausschuss kann einen bescheidenen Eintrittsbeitrag festsetzen. Nur einer der Erben hat freien Zutritt, sofern er sich innert Jahresfrist nach Ableben eines verstorbenen Mitgliedes richtig zur Aufnahme meldet. Für minderjährige Erben ist der Vormund der rechtmässige Vertreter.

Art. 5

Der jährliche Mitgliederbeitrag sowie die Strafgelder für diejenigen Vereins- und Ausschussmitglieder, welche zu den Sitzungen und Versammlungen ohne begründete Entschuldigung nicht erscheinen, wird vom Ausschuss im Einvernehmen mit der Bezirksabteilung festgesetzt. Bruchteile eines Jahres werden als volles Jahr gerechnet.

Art. 6

Die Mitgliederschaft erlischt:

a) infolge Tod;

b) durch schriftliche Austrittserklärung;

c) infolge Ausschluss;

d) durch Verlust der zum Eintritt erforderlichen Eigenschaften.

Der freiwillige Austritt kann nach vorausgegangener vierteljährlicher, schriftlicher Kündigung auf den Schluss eines Rechnungsjahres erfolgen.

Der Ausschluss kann durch den Vereinsausschuss erfolgen.

Art. 7

Ausscheidende Mitglieder haben kein Anrecht auf das Vereinsvermögen.

Art. 8

Für die Verpflichtungen des Vereins haften die Mitglieder, soweit das Vermögen des Vereines zur Bestreitung der Verbindlichkeiten nicht ausreicht, persönlich und solidarisch.

II. Die Organisation und der Geschäftsbetrieb

Art. 9

Der Verein gliedert sich:

a) in eine oberländische und eine unterländische Bezirksabteilung;

b) in den für beide Bezirke gemeinsamen Anschuss [Ausschuss];

c) in die Ausschussabteilungen;

d) in die Geschäftskommission und Ortsgruppen-Obmänner;

e) in die Rechnungskommission;

f) in den Präsidenten.

Art. 10

Die in den Gemeinden eines Bezirkes gewählten Ausschussmitglieder und Ortsgruppenobmänner wählen aus der Zahl dieser Mitglieder für den Bezirk den Obmann, den Obmannstellvertreter und den Bezirksschriftführer.

Art. 11

In jedem Bezirke finden jährlich unter dem Vorsitz des Bezirksobmannes wenigstens eine Bezirksversammlung statt, welche vom Obmann unter Bekanntmachung der Tagesordnung einberufen werden. Der Schriftführer führt die Sitzungsprotokolle, von welchem sofort nach jeder Versammlung eine Abschrift an den Vereinspräsidenten eingesendet werden soll. In besondern Fällen können auch ausserordentliche Bezirksversammlungen einberufen werden.

Art. 12

In den Bezirksversammlungen der Bezirke, welche abwechselnd in den verschiedenen Gemeinden der Bezirke abgehalten werden sollen, kann jedes Mitglied Beschwerden vorbringen und auch selbständig Anträge stellen. Anträge, welche von wenigstens 10 Mitglieder unterstützt sind, müssen als erheblich vom Ausschuss in Beratung gezogen werden.

Art. 13

Die Abhaltung der Bezirksversammlungen soll nicht gleichzeitig in jedem Bezirke stattfinden, sondern durch gegenseitige Verständigung der Obmänner in entsprechenden Zwischenräumen, damit jede Bezirksversammlung vor ihrem Zusammentritt über die Beschlüsse der andern unterrichtet werden kann.

Art. 14

Die Wahl der Mitglieder für den gemeinsamen Ausschuss für die Dauer von 3 Jahren geschieht so, dass von jedem Bezirke für jede Ausschussabteilung mit Ausnahme der Abteilungen für Bienenzucht, Herdebuch und Pferdezuchtgesellschaft für je 5 Mitglieder bestimmt werden; somit trifft es jeder Gemeinde für jede Abteilung je 1 Mitglied. Planken ist der Gemeinde Schaan angeschlossen.

Die Abteilung für Bienenzucht, Herdebuch und Pferdezucht wählt selbständig je 10 Mitglieder in den Ausschuss.

In jeder Gemeinde wählen also die dort wohnhaften Vereinsmitglieder aus ihrer Mitte den Ortsgruppenobmann und für jede der ersten 4 Ausschussabteilungen je ein Mitglied.

Art. 15

Die Mitglieder einer Gemeinde bilden eine Ortsgruppe. Sind in einer der Ortschaften Nendeln, Schaanwald oder Planken mehr als 10 Vereins-Mitglieder, so sind sie zur Gründung einer eigenen Ortsgruppe berechtigt und wählen aus ihrer Mitte einen Ortsgruppenobmann.

Die Ortsgruppenobmänner gehören dem gemeinsamen Ausschuss an. Sie halten nach Tunlichkeit Ortsgruppen-Versammlungen und berichten das Ergebnis dieser Versammlung dem Vereinspräsidenten.

Art. 16

Der gemeinsame Ausschuss gliedert sich in nachfolgende Abteilungen:

1. in die Abteilung der Viehzucht und Alpwirtschaft;

2. in die Abteilung für Obst- und Weinbau, Ackerbau, Gemüsebau;

3. in die Abteilung für Bienenzucht;

4. in die Abteilung für Schweine-, Ziegen- und Schafzucht;

5. in die Abteilung für das Herdebuch;

6. in die Abteilung für Pferdezucht.

Art. 17

Die Mitglieder dieser Abteilungen und die Ortsgruppenobmänner bilden den für beide Bezirke gemeinsamen Ausschuss, welcher aus seiner Mitte den Vereinspräsidenten, den Vizepräsidenten, den Schriftführer, den Kassier und aus der Gesamtzahl der Vereinsmitglieder 3 Rechnungsrevisoren wählt.

Alle Wahlen sollen in der Regel durch geheime Stimmabgabe erfolgen.

Art. 18

Dem Schriftführer und dem Kassier kann vom Ausschusse eine angemessene jährliche Entlohnung zuerkannt werden.

Der Vereinspräsident, die Bezirksobmänner, die Ortsgruppenobmänner sowie die übrigen Ausschussmitglieder wirken unentgeltlich, wenn es sich nicht um grössere Zeitaufwände und Barauslagen handelt. Diese Entschädigungen bestimmt der Vereinsausschuss.

Art. 19

Die einzelnen Abteilungen wählen aus ihrer Mitte einen Obmann und Obmannstellvertreter. Sie werden nach Massgabe der verfügbaren Mittel, die in ihr Gebiet fallenden landwirtschaftlichen Zweige zu fördern trachten.

Art. 20

Die Abteilungen werden jährlich in der Ausschusssitzung durch ihre Obmänner über die Tätigkeit des verflossenen Vereinsjahres Bericht erstatten, die nötigen Anträge stellen und die Gelderfordernisse für das neue Jahr in Voranschlag stellen. Die Jahresrechnungen d. Abteilungen unterliegen der Prüfung d. Ausschusses u. d. Revisoren.

Art. 21

Die vom Ausschusse und den Abteilungen getroffenen Wahlen haben die gleiche Amtsdauer wie der Ausschuss selbst.

Die nach einer Wahlperiode austretenden Ausschussmitglieder sind wieder wählbar, können aber für die nächste Amtsdauer ablehnen.

Art. 22

Zur Giltigkeit der Beschlüsse des Ausschusses, der Geschäftskommission und der Abteilungen ist die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende.

Art. 23

Verhandlungsgegenstände des Ausschusses können sein:

a) die von den Revisoren geprüften Jahresrechnungen;

b) die Verfügung über die dem Vereine zufliessende Subventionen nach Massgabe der denselben anhaftenden Bestimmungen;

c) die von den Bezirks- und Ortsgruppenversammlungen als erheblich eingebrachten Anträge;

d) Festsetzung der Entschädigungen für den Geschäftsausschuss etc.;

e) Genehmigung von Verordnungen (Reglementen) und Verträgen, sowie die Bewilligung des notwendigen Kredites;

f) Beschlussfassung über die Jahresbeiträge und allfällige Eintrittsgebühr im Einvernehmen mit den Bezirksversammlungen oder der Generalversammlung;

g) endgiltige Entscheidung über Ausschluss von Mitgliedern;

h) Wahl des Geschäftsführers, die Anfertigung des Anstellungsvertrages und die Festsetzung der Kaution für denselben.

Art. 24

Der Vereinspräsident, der Vizepräsident, der Schriftführer, der Kassier, die beiden Bezirksobmänner und der Geschäftsführer bilden zusammen die Geschäftskommission.

Der Geschäftskommission obliegt der Geschäftsverkehr, sie beratet und beschliesst auch über Vereinsangelegenheiten, die nicht von besonderer Wichtigkeit sind und rasch erledigt werden müssen.

Sie ist für Vollzug der Beschlüsse des Ausschusses und für die regelrechte Geschäftsführung nach Gesetz und Statuten verantwortlich.

Sie hat die Pflicht, die Geschäftstätigkeit des Geschäftsführers zu kontrollieren, die abgeschlossene Rechnung zu prüfen ohne Rücksicht auf die Prüfung der Rechnungskommission und soll oft von Geschäftsbüchern, Kasse und Warenlager Einsicht nehmen.

Mitglieder, die ein ähnliches Geschäft betreiben, sind nicht in die Geschäftskommission wählbar und können auch nicht mit der Geschäftsleitung betraut werden.

Der Geschäftsführer und Kassier haben bis Ende Jänner ihre Rechnung abzuschliessen und den Rechnungsrevisoren und dem Ausschuss zur Überprüfung vorzulegen.

Das Rechnungsjahr schliesst mit dem 31. Dezember ab.

Für den Geschäftsverkehr wie Post, Bahn, Bank etc. kann der Ausschuss dem Geschäftsführer das Recht der rechtsverbindlichen Unterschrift gewähren.

Art. 25

Die Rechnungskommission von 3 Mitgliedern hat die Aufgabe, alljährlich die Rechnung zu prüfen, die für einen geordneten Geschäftsbetrieb notwendigen Bücher zu kontrollieren und dem Ausschuss schriftlich Bericht zu erstatten. Sie hat das Recht, von Büchern, Kassen und Warenlager jederzeit Einsicht zu nehmen.

Art. 26

Ein direkter Gewinn wird nicht beabsichtigt. Überschüsse, die sich aus der Tätigkeit des Vereines ergeben, dürfen nicht verteilt werden. Sie müssen als Unteilbares Vermögen des Vereines erhalten bleiben.

Art. 27

Die Mitglieder sind verpflichtet, die durch den Verein vermittelten Waren von diesen zu beziehen. An der Barzahlung ist festzuhalten.

Art. 28

Der Verein kann seine Lieferungen an säumige Zahler verweigern. Wenn die Schuldbetreibung gegen ein Mitglied angewendet werden muss, berechtigt dies zum Ausschluss des betreffenden Mitgliedes.

Art. 29

Zuwiderhandlungen gegen Beschlüsse des Vereines, gegen die Statuten sowie eine die Interessen des Vereines schädigende Tätigkeit anderer Art kann mit dem Ausschluss des fehlbaren Mitgliedes geahndet werden.

Art. 30

Der Vereinspräsident vertritt den Verein nach aussen und bleibt für seine Gebahrung dem Ausschusse verantwortlich. Er ist Vorsitzender des Ausschusses, der Geschäftskommission und der Generalversammlung und hat in jeder dieser Versammlungen gleich den übrigen Mitgliedern eine Stimme. Er eröffnet dieselben und gibt wenigstens 3 Tage vorher in ortsüblicher Weise kundgemachte Tagesordnung an, nach deren Erschöpfung die anwesenden Mitglieder ihre eigenen Anträge zur Verhandlung bringen können.

Der Vereinspräsident hat jährlich über die allgemeine Tätigkeit und Gebarung des Vereines einen Rechenschaftsbericht vorzulegen.

Dem Präsidenten steht ferner das Recht zu, allen Sitzungen der Abteilungen beizuwohnen und muss daher zu diesen eingeladen werden. Dagegen hat er bei diesen Beratungen kein Stimmrecht.

Art. 31

Der Präsident oder dessen Stellvertreter und der Kassier führen gemeinschaftlich (kollektiv) die rechtsverbindliche Unterschrift. Der Ausschuss kann dem Geschäftsführer für den Geschäftsverkehr Vollmachten für die verbindliche Einzelunterschrift erteilen.

III. Generalversammlung

(Statutenrevision u. Auflösung)

Art. 32

Der Vereinspräsident ist berechtigt, in besonderen Fällen eine gemeinsame Versammlung bei der Bezirksabteilungen, eine Generalversammlung, einzuberufen, bei welcher er den Vorsitz führt.

Die Befugnisse der Generalversammlung sind besonders:

a) über allfällige Änderungen der Statuten sowie über die Vereinsauflösung zu beschliessen, wobei zur Beschlussgiltigkeit eine Mehrheit von 2/3 der anwesenden Mitglieder erforderlich ist;

b) im Falle der Vereinsauflösung über das Vereinsvermögen zu Gunsten eines der Aufgabe des Vereines nahestehenden Zweckes zu verfügen, wobei die absolute Stimmenmehrheit genügt;

c) über andere sehr wichtige Vereinsangelegenheiten.

Art. 33

Im Falle der Vereinsauflösung soll die zur Zeit vorhandene Vereinsbibliothek erhalten werden.

IV. Schiedsgericht

Art. 34

Alle Streitigkeiten über den Sinn einzelner Bestimmungen dieser Statuten sowie über einzelne Vereinsbeschlüsse sowie solche zwischen dem Vereine u. den Mitgliedern [2] werden durch ein Schiedsgericht endgiltig ausgetragen, gegen dessen Ausspruch keinem Mitglied eine weitere Berufung offen steht und insbesondere der Rechtsweg ausgeschlossen ist.

Art. 35

Zu diesem Schiedsgericht hat jeder Streitteil ein Schiedsrichter zu wählen; die gewählten Schiedsrichter haben gemeinschaftlich eine dritte Person als Obmann zu bestimmen. Sollten sie sich über den zu bestimmenden Obmann nicht einigen, so wird dieser von der fürstlichen Regierung bestimmt.

Art. 36

Jedes Mitglied des Vereins ist verpflichtet, die auf seine Person entfallende Wahl als Schiedsrichter des liechtensteinischen Bauernvereins oder als Obmann des Schiedsgerichtes unweigerlich zu übernehmen, bei sonstiger Konventionalstrafe bis zu Frs. 50.- Sch.W. [Schweizer Währung], deren Höhe vom Ausschusse festgesetzt wird. 

V. Schlussbestimmungen

Art. 37

Vorliegende Statuten sind im Drucke zu vervielfältigen und jedem Mitgliede zuzustellen. [3]

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[1] LI LA RE 1922/0691. Eingangsstempel der Regierung vom 14.2.1922, von dieser bzw. von Regierungssekretär Josef Ospelt am 15.2. eingesehen. 4 entwertete Stempelmarken zu 30 bzw. zu 50 Rappen. Zur Fusion des „Liechtensteinischen landwirtschaftlichen Vereins“ und des „Liechtensteinischen Bauernbundes“ zum „Liechtensteinischen Bauernverein“ vgl.  L.Vo., Nr. 3, 11.1.1922, S. 2 („Liechtensteiner Bauernverein (Einges.)“). Vgl. ferner das Schreiben von Lehrer Johann Meier an die Regierung vom 23.1.1922 betreffend die Konstituierung des Bauernvereins und die Wahl von Franz Verling zum Vereinspräsidenten am 22.1. (LI LA RE 1922/0385 ad 0061). Vgl. auch die Statuten des Bauernbundes vom 9.11.1919 unter LI LA RE 1919/5716
[2] Handschriftlich eingefügt: „sowie solche zwischen dem Vereine u. den Mitgliedern“.
[3] Vgl. den Erlass der Regierung an den Bauernverein in Vaduz vom 15.2.1922 betreffend die Einsichtnahme in die Statuten und die Verpflichtung zur Vorlage dreier Exemplare nach der Drucklegung (LI LA RE 1922/0691).