Maschinenschriftliche Instruktion des designierten liechtensteinischen Gesandten in Wien, Prinz Eduard von Liechtenstein, gez. ders., gedacht als Verhaltensanweisung für den designierten liechtensteinischen Spezialbevollmächtigten an der Pariser Friedenskonferenz, Emil Beck, mit handschriftlichen Ergänzungen und Korrekturen eines Unbekannten [1]
6.3.1919, Wien
Information für Dr. Emil Beck
Dr. Beck hätte bei der Friedenskonferenz in Paris unbedingt die Neutralität des Fürstentums während des Krieges zu betonen und die volle Souveränität auch gegenüber der bestandenen österreichisch-ungarischen Monarchie nachdrücklichst hervorzuheben. [2] Er hätte darauf hinzuwirken, dass diese Souveränität des Landes und des Landesfürsten von der Konferenz ausdrücklich anerkannt werde, ebenso die Neutralität. Zur Begründung sei insbesondere darauf hingewiesen, dass die čechoslovakische Regierung die Anerkennung der Exterritorialität des Schlosses zu [3] Eisgrub von einer Anerkennung der Neutralität und Souveränität des Fürstentums durch die Pariser Konferenz abhängig machen zu sollen glaubt.
Die Anerkennung der Souveränität des Fürsten [Johann II.] bedingt aber in hohem Grade die ausnahmsweise Behandlung des fürstlichen Besitzes bei den bevorstehenden Vermögensabgaben und insbesondere Güter-Enteignungen, hat daher für die Familie und rückwirkend für das Land eine hohe Bedeutung. Dieses Argument ist aber nach Aussen, insbesondere dem Vertreter der čechoslovakischen Republik Bennesch [Edvard Beneš] gegenüber, [4] nicht zur Geltung zu bringen, sondern dient nur zur eigenen Information.
Besonderer Wert ist auf die einen Teil des Familienfideikommisses bildenden Kunstschätze wie Galerie, Bibliothek und Kupferstichsammlung zu legen. Es ist zu betonen, dass das Hauptfideikommiss der Familie dem jeweiligen Regierer des Landes zuzufallen hat und dass es sohin die Grundlage für die Lebensführung des Landesfürsten, der keine Zivilliste erhält und im Gegenteil für das Land viel Aufwände macht, bildet und aus diesem Titel einen besonderen Schutz und eine exzeptionelle Behandlung jedenfalls verdient.
Mit dem čechischen Minister des Äussern, Bennesch, [5] der ständig in Paris ist, und mit Präsident [Woodrow] Wilson sowie den Franzosen sehr gut stehen soll, wäre eine freundschaftliche Verbindung zu suchen und ihm auseinanderzusetzen, dass die Sequestrationen, welche sein Staat in den letzten Tagen über die Grenzgüter Lundenburg und Eisgrub ausgesprochen hat, gegen das Völkerrecht sind und die Souveränität verletzen. Speziell hinsichtlich Eisgrub gilt dies, dessen Exterritorialität als Wohnsitz des Fürsten mit dem Erlasse des k. u. k. Ministeriums des Äussern vom 24. Oktober 1880, Z: 18702, ausdrücklich anerkannt worden ist. [6]
Sollte Bennesch auf die Enteignung des landw. Besitzes zu sprechen kommen, so kann der Standpunkt vertreten werden, dass derartige Schritte gegen einen Souverän nicht usuell sind und der internationalen Höflichkeit zuwiderlaufen. Zur persönlichen Information wird bemerkt, dass Präsident [Thomas] Masaryk dem Prinzen Alois [von Liechtenstein] gegenüber ausdrücklich und zwar spontan bemerkte, dass das Enteignungsgesetz [7] den regierenden Fürsten als Souverän nicht berühre. Diese Äusserung des Präsidenten ist aber Bennesch gegenüber besser nicht preiszugeben. In einzelnen Ämtern und Regierungsstellen Prags wird sie nicht gebilligt und geteilt.
Auf den Einwand, der Fürst sei ein Reichsdeutscher und daher čechischfeindlicher Souverän, der in Böhmen gerne erhoben wird, wäre auf die Geschichte des Landes und darauf hinzuweisen, dass das Fürstentum seit 1866 [8] nicht zu Deutschland gehört habe, sondern selbständig und nur mit Österreich-Ungarn im Zollverbande [9] war. Der Fürst hat niemals auf seinen Gütern gegen čechische nationale Interessen zu verstossen gesucht und wiederholt [10] bei Verpachtung [11] von Meierhöfen und Fabriken, des Lundenburger Brauhauses, der dortigen Mühle, und noch jüngst eines Meierhofs bei Olmütz, bei Verkauf des Lundenburger Meierhofs [12] čechische Interessen gefördert, ebenso in kultureller Beziehung, z.B. Überlassung eines Baugrundes im damals überwiegend [13] deutschen Lundenburg für eine čechische Bürgerschule, für deren Bestehen infolge der [14] čechischen [15] Umgebung ein [16] Bedürfnis bestand, obwohl [17] die Gemeinde Lundenburg dies [18] nicht erkennen wollte. Erst durch Überlassung des Baugrundes konnte die Schule gesichert werden. Die Museen in Prag, Brünn u. Troppau wurden in ziemlich analoger Weise ohne Rücksicht auf die Nationalität munificent unterstützt, ebenso die Academie in Prag. [19]
Ebenso war der Fürst in der zu Niederösterreich gehörigen, aber überwiegend von Čechen bewohnten Gemeinde Themenau stets bemüht, den gerechten Wünschen der čechischen Bevölkerung Förderung angedeihen zu lassen. Dass er auf seinen deutschen Besitzungen deutsche Beamte anstellte, kann ihm wohl nicht verübelt werden. Es trat eben überall sein Bestreben zu Tage, den nationalen Wünschen je [20] nach den nationalen Verhältnissen auf den einzelnen Besitzungen möglichst gerecht zu werden.
Für Deutschösterreich sind die zu vertretenden Fragen noch nicht genügend geklärt. Es werden spätere Informationen gegeben werden müssen. Die Anerkennung der Exterritorialität des Palais in der Bankgasse, in dem der Fürst wohnt und die mit dem obigen Ministerialerlass anerkannt war, dürfte zweifellos wieder erfolgen. [21] Angestrebt wird die Ausdehnung der Exterritorialität auf Feldsberg [22] als dem hauptsächlichsten Landsitz des Fürsten in Deutsch-Österreich [23]. Weiters auch auf das sogenannte Rossauer Palais, in dem sich die Gemäldegalerie, die Bibliothek und ein Grossteil der Kupferstichsammlung befindet. Diesbezügliche Schritte wären in Paris im Bedarf zu unterstützen, soferne in dieser Hinsicht telegraphisches Ersuchen an Dr. Beck ergehen sollte. Ebenso sind Verhandlungen im Zuge, um grössere Vermögensteile nach Vaduz oder die Schweiz befördern zu können, um die Existenz des Fürsten vor bolschewistischen oder selbst radikal-sozialistischen Richtungen und volkswirtschaftlichen Experimenten zu sichern.
Jedenfalls wird mit den deutschösterreichischen Vertretern freundschaftliche Beziehung zu suchen sein, und wird es zweckentsprechend sein, ihnen gegenüber [24] die Souveränität des Landes entsprechend zu betonen. Konkrete Forderungen sind im gegenwärtigen Augenblick aber nicht zu stellen, da diesbezüglich freundschaftliche Verhandlungen hier eingeleitet sind.
Bei den Verhandlungen sowohl mit der Prager wie mit der Wiener Regierung soll versucht werden, ein direktes gütliches Einvernehmen zu erzielen, und ist die Einbringung von Protesten wegen Verhängung der Sequester in Eisgrub bei den Ententestaaten und namentlich den neutralen Staaten [25] oder sonstiger Ansuchen und deren Unterstützung in diesem oder jenem Belange erst beabsichtigt, wenn die Verhandlungen mit den Regierungen keinen guten Verlauf nehmen.
Hinsichtlich der das Land betreffenden Zoll- und handelspolitischen Fragen sowie hinsichtlich des künftigen Anschlusses des Fürstentums an Deutschösterreich, Vorarlberg oder die Schweiz dürfte Dr. Beck von der Landesregierung selbst Informationen erhalten.