Prinz Eduard bittet den französischen Gesandten in Wien, Henri Allizé, sich dafür einzusetzen, dass Liechtenstein zur Pariser Friedenskonferenz eingeladen wird


Maschinenschriftliches Schreiben von Prinz Eduard, designierter liechtensteinischer Gesandter in Wien, an Henri Allizé, französischer Gesandter in Wien [1]

23.4.1919, Wien

Euere Excellenz!

Auf Grund meiner gestrigen Unterredung mit Euerer Excellenz beehre ich mich Euerer Excellenz Nachstehendes mitzuteilen.

Das souveräne Fürstentum Liechtenstein hat sich zu Beginn des Krieges neutral erklärt und wurde diese übrigens allgemein verlautbarte Erklärung seitens des k.u.k. Ministeriums des Äussern in Wien, welches bekanntlich die Vertretung der diplomatischen Interessen des Fürstentumes übernommen und seinen Angehörigen den diplomatischen und konsularischen Schutz Österreich-Ungarns vertragsmässig gewährte, über deren Anfrage der amerikanischen Botschaft in Wien mit Verbalnote Z: 76617/7 ex 1914 notifiziert. [2] Ob eine direkte Verständigung der kriegsführenden Staaten seitens der fürstlichen Landesregierung in Vaduz erfolgte, ist mir nicht bekannt, es dürfte dies aber nicht der Fall sein, da die diplomatische Vertretung des Fürstentums vor dem Kriege in den Händen Österreich-Ungarns lag und im Fürstentum selbst eine Behörde für auswärtige Angelegenheiten nicht bestand. Jedenfalls hat die englische Regierung die Neutralität des Fürstentums dem englischen Parlamente ausdrücklich mitgeteilt. [3]

Die Bewohner des Fürstentums haben nun in lebhafter Weise wiederholt den Wunsch geäussert, bei der Friedenskonferenz in Paris als Neutrale vertreten zu sein, zumal ihre Interessen durch die Regelung der Verhältnisse in Österreich und in Deutschland wesentlich berührt werden. [4]

Im Wege der fürstlichen Hofkanzlei in Wien wurde ein diesbezügliches Begehren, dessen Abschrift ich mir beizuschliessen erlaube, bereits im Februar beim liquidierenden Ministerium des Äussern in Wien gestellt und urgiert. [5] Soweit dort erfahren werden konnte, [6] wurde das Ansuchen des Fürstentumes im Wege der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in Bern und der schweizerischen Regierung in Bern nach Paris geleitetet und durch den Schweizer Gesandten [Alphonse Dunant] den Delegierten in Paris überreicht. Seither ist jedoch eine Antwort nicht erflossen.

Die Angelegenheit erscheint nunmehr auch für die Interessen des souveränen Fürsten [Johann II.] und seiner Familie für umso wichtiger, als die čechoslovakische Regierung anlässlich des ihr übermittelten Wunsches des Fürsten, die Exterritorialität des fürstlichen Schlosses Eisgrub, welche im alten Österreich bestanden hatte, anzuerkennen, dahin beantwortete, dass die čechische Regierung dies von der Anerkennung der Souveränität des Fürsten durch die Pariser Friedenskonferenz abhängig mache. Diese Anerkennung des Fürsten als Souverän, die völkerrechtlich vollkommen begründet erscheint, kann auch in Deutschösterreich von wichtigen Folgen in vermögensrechtlicher Beziehung begleitet sein und soll in nächster Zeit durch die Errichtung diplomatischer Vertretungen des Fürstentums in Wien, Prag und Bern zu lebendigem Ausdrucke gebracht werden.

Im Auftrage des regierenden Fürsten bitte ich Eure Excellenz daher die Freundlichkeit haben zu wollen, die Angelegenheit der Pariser Konferenz vorzulegen und sich für die Zuziehung eines Vertreters des Fürstentums Liechtenstein, als welcher ein in Zürich wohnhafter Universitätsprofessor liechtensteinischer Staatsbürgerschaft Dr. [Emil] Beck in Aussicht genommen ist, [7] gütigst verwenden zu wollen.

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[1] LI LA V 003/0042/01. Aktenzeichen der Gesandtschaft Wien: 6/1. Weiteres Aktenzeichen, wohl der Hofkanzlei: 5652, 4995. Am Kopf des Schreibens handschriftliche Vermerke von Prinz Eduard: "Ohne Zahl expediert, aber mit Zahl einlegen"; "An Allizé, franz, Botschafter". Die französische Fassung sowie ein Entwurf unter LI LA V 003/0042/02; eine Abschrift unter LI LA SF 01/1919/ad 17.
[2] LI LA V 003/0040/1, Verbalnote des k.u.k. Ministerium des Äussern an die US-amerikanische Botschaft in Wien, 25.9.1914.
[3] The Times, Nr. 40’700, 18.11.1914, S.12 ("The prince of Liechtenstein").
[4] Vgl. z.B. O.N., Nr. 23, 5.4.1919, S. 1 ("Landeswochenschau").
[5] LI LA RE 1919/0979 ad 589, Hofkanzlei an Ministerium des Äussern, o.D. (Mitte Februar 1919). Eine Nachfrage von Prinz Eduard, wohl im März 1919, ergab, dass "der bezügliche Akt in Verstoss geraten sei", worauf die österreichische Gesandtschaft in Paris angewiesen wurde, der Angelegenheit nachzugehen (LI LA SF 01/1919/ad 15a, Prinz Eduard an Franz Klein, stellvertretender Staatssekretär im österreichischen Ministerium des Äussern, 14.4.1919).
[6] LI LA V 003/0042/02, Aktenvermerk der Gesandtschaft Wien, 19.4.1919.
[7] Vgl. LI LA RE 1919/0838 ad 589, Hermann von Hampe an Emil Beck, 10.2.1919; LI LA RE 1919/0838 ad 589, Prinz Karl an Beck, 15.2.1919; LI LA RE 1919/0979 ad 589, Telegramm Beck an Hofkanzlei, 15.2.1919; LI LA RE 1919/0980 ad 589, Beck an Prinz Karl, 20.2.1919.