Bericht von Martin Ritter, Vorsitzender des provisorischen Vollzugsausschusses, an Fürst Johann II. über die Vorbesprechung des Landtags vom 2.12.1918, verfasst am 3.12.1918 (handschriftliche Abschrift von Ida von Imhof, mit handschriftlichen Nachträgen von Alt-Landesverweser Leopold von Imhof) [1]
3.12.1918
Bericht über die Vorbesprechung des Landtages vom 2. Dezember 1918
Für die am obigen Tage in Aussicht genommene Landtagssitzung war als Tagesordnung in Aussicht genommen:
- Stellungnahme zu der vom gewesenen Landesverweser Baron Imhof bekannt gegebenen fürstlichen Entschliessung. [2]
- Beschlussfassung über eine Adresse an den Landesfürsten.
Vorher fand eine Vorbesprechung im kleinen Sitzungssaale statt. Bei derselben beteiligten sich während der ersten halben Stunde alle Volksabgeordneten mit Ausnahme der später erschienenen Peter Büchel und Karl Kaiser und der Vorsitzende des Vollzugsausschusses. Es wurde ein Telegramm an den Fürsten abzusenden beschlossen, welches im Wesentlichen folgenden Inhalt hat:
Der Landtag spricht sich gegen die Übernahme der prov. Amtsführung durch Herrn Baron Imhof aus, da der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung in der durch die Wahl des Vollzugsausschusses getroffenen Neuordnung der Regierung einverstanden ist, an derselben festhalten will und eine auch nur vorläufige Weiterführung der Geschäfte durch Baron Imhof die Untergrabung jeglicher Autorität im Lande herbeiführen würde. Wenn der Fürst durch irrig erteilte Informationen zur Überzeugung gelangte, dass die getroffene Neuordnung dem Mehrheitswillen des Volkes nicht entsprechen, bittet der Landtag den Fürsten seine Auflösung zu verfügen, um dem Volke Gelegenheit zu geben, seinen Willen kundzutun. Ausserdem sollte die Bitte ausgesprochen werden, dass bis zur Stellungnahme des neu zu wählenden Landtages der Vollzugsausschuss in seinem Amte belassen werde.
Die Gesichtspunkte, welche den Landtag zu dieser in Aussicht genommenen Stellungnahme bewogen, waren Folgende:
- Eine Wiedereinsetzung des Herrn Barons Imhof in die Amtsführung erschiene dem Volke unbegreiflich und wäre geeignet gewesen, schwere Ruhestörungen, ja sogar eine Gefährdung der Sicherheit des Herrn Barons Imhof herbeizuführen, da die Amtsführung von einem grossen entschlossenen Teil der Bevölkerung nicht geduldet worden wäre.
- Der Vollzugsausschuss hatte bisher keine Veranlassung gegeben, dass ihm die Führung der Regierungsgeschäfte abzunehmen wäre und hätte daher dessen, wenn auch nur teilweise Beiseitenstellung den Eindruck erweckt, dass der alte Zustand wieder herbeigeführt werden wolle. Bei der Stimmung der Leute, die vor Selbsthilfe nicht zurückgeschreckt wären, konnte daher der Landtag im Interesse der Ruhe und Ordnung die Höchste Entschliessung nicht ohne entsprechende Stellungnahme dazu hinnehmen.
Nachdem die vorläufig anwesend gewesenen 10 Abgeordneten über die Sache einig waren, kamen die Abgeordneten Kaiser und Büchel dazu, welche mitteilten, dass vom Unterland einige hundert Mann anmarschieren. [3] Vom Oberland waren auch 400-500 Mann im Regierungsgebäude anwesend und da der Abgeordnete Büchel sich auf den Standpunkt stellte, es müsse der Höchsten Entschliessung Rechnung getragen werden [4] und diesen Standpunkt auch in der offenen Landtagssitzung zu vertreten erklärte, [5] waren bei der äusserst kritischen Stimmung der angesammelten Menge, die zum Teil mit Schusswaffen versehen war, schwere Ruhestörungen zu erwarten, falls die Landtagssitzung abgehalten worden wäre. Die bezüglichen Amtsführungen des Abgeordneten Büchel im Landtage wären zweifellos von dem angesammelten gegenteilig gestimmten Publikum mit Gejohle aufgenommen worden, ja es wäre sogar zu fürchten gewesen, dass man sich an ihm vergriffen hätte und dann wäre ein blutiger Zusammenstoss zwischen beiden Parteien, wobei die Oberländer in weitaus überwiegender Mehrzahl waren, unvermeidlich gewesen. Es hätte zweifellos eine Reihe leichte und schwere Verletzungen, wenn nicht Tote abgegeben. Von dieser Erkenntnis ausgehend hat der Landtag beschlossen, die Sitzung nicht abzuhalten, die Leute vielmehr zu beruhigen und ihnen mitzuteilen, dass vor weiteren Beschlüssen die Ankunft des allerdings nur inoffiziell angekündigten Prinzen Liechtenstein abgewartet werde. So ist es möglich gewesen, vorläufig die Sache ohne die drohenden Ruhestörungen und Ausschreitungen zu vertagen. Es wurde lediglich der Agent David Bühler von Mauren einigermassen, jedoch nicht erheblich, traktiert, als er mit den gegnerischen Oberländer anbinden wollte. [6] Bei den Oberländern wurde, wie ich selbst hörte, allenthalben Stimmung laut, dass man auch einen Prinzen nicht als Landesverweser dulden wolle, man verlange eine Volksregierung
Von Dr. Ritter am 3.XII verfasster (und von Ida abgeschriebener) Bericht. Original S.D. [Seiner Durchlaucht] vorgelegt. [7]
Prinz Karl Liechtenstein ist am 6. Dezember 1918 hier eingetroffen und hat mit den Abgeordneten und anderen Personen verhandelt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen ist in einem Schreiben des Landtages vom 10. Dezember niedergelegt worden, [8] worüber ich im Auftrage des Prinzen dem Fürsten am 13. Dezember 1918 mündlich Vortrag erstattete. Hierauf wurde Prinz Karl am gleichen Tage zum Landesverweser bestellt. [9]
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[1] LI LA PA 001/0021/08.
[2] LI LA PA 001/0021/08, Erlass Johann II. an provisorischen Vollzugsausschuss, 23.11.1918. Der Fürst hatte mit diesem Erlass Imhof seines Amtes enthoben, ihn aber gleichzeitig beauftragt, bis zur Neubesetzung des Landesverweserpostens die Regierungsgeschäfte unter Mitwirkung des Vollzugsausschusses provisorisch fortzuführen.
[3] Vgl. L.Vo., Nr. 49, 6.12.1918, S. 2f. ("Unterland").
[4] Vgl. L.Vo., Nr. 49, 6.12.1918, S. 2 ("Eingesandt").
[5] Vgl. LI LA J 007/S 046/047/18, Zeugeneinvernahme Peter Büchel, 7.6.1919.
[6] Vgl. LI LA J 007/S 046/047/17, Zeugeneinvernahme David Bühler, 4.6.1919.
[7] Absatz handschriftlich nachgetragen von Imhof.
[8] LI LA SF 01/1918/44, Landtagspräsidium an Prinz Karl, 10.12.1918.
[9] Absatz handschriftlich nachgetragen von Imhof.