Der Landtag wählt einen provisorischen Vollzugsausschuss


Handschriftliche Protokollnotizen der Landtagssitzung, ungez., verfasst von Wilhelm Beck [1]

7.11.1918

Präs. [Albert Schädler]: Nachdem der Sekretär Verschiebung des Protokolls auf ein andres Mal. Kommen heute aus zwingenden Gründen zusammen. Verschiednes in unser Nachbarschaft vorgegangen, anders verschiedenes im Nachbarland in Aussicht. Vorsicht. Österreichische Armee im Rückzug, Österreich Republik, Einmarsch zu leiden, Vorsorge treffen müssen. In erster Linie unterländisches Unterland. 2. Punkt: aussprechen über verfassungsmässige Änderungen, die im Zuge der Zeit und schon hier angeregt, in Krieg noch nicht verhandelt worden. In die Tagesordnung eintreten.

Chef [Leopold von Imhof]: Ernst der Zeit hier zusammengeführt. Frage des Verbleibens im Amte. [2]

Präs: Frage an, das Wort zu ergreifen.

Beck: Wir leben in einer sehr ernsten Zeit, dass Landeskinder an der Regierung teilnehmen, verdanke die Ausführungen des Landeschefs, wolle keine Vorwürfe dem Chef machen, wenn jemand anderer hätte vielleicht den gleichen Fehler getan, Ernst der Zeit zu gross, dass wir uns aufregen, müssen verlangen, dass Leute an der Regierung, die im Volke stehen, Bürger, möchte nicht erwarten, bitten, dem Chef ein Vorwurf machen, Antrag der Landtag solle provisorisch die Regierung zu wählen, bis neues geordnet, 3gliedriger Ausschuss.

Präs.: Nichts dagegen, dass wir diesen Antrag besprechen, Beschlussfassung nicht angebracht, was wir beschliessen wollen, wir ruhig wohlüberlegt, Antrag kommissionell behandeln, besonders betonen, dass andre Aspirationen in dieser Richtung vorhanden sind. Mit Ruhe nicht voreilig. Mit unsren Nachbarländern in bestem Einvernehmen. Auf die Ausführungen Imhofs zurückkommen, wir müssen ehrlich und gerecht sein, er hatte die ungünstigste Zeit beim Amtsantritt, doppelte, 3fache Arbeit, überangestrengt, Lebensmittelversorgung, Reg. auch bei Notstandskomiss. hatte die Exekutive, keine Notstandskommiss. allen es recht machen kann. Keine auch verschiedene Ansicht, oft zu scharfen Meinungsverschiedenheiten, aber wieder eine gemeinschaftliche Grundlage. Chef sich oft überarbeitet, wir müssen gerecht sein und nicht ins Horn allgemeinen Tadels blasen, halte jetzt den Augenblick nicht geeignet zum Wechsel der Regierung. Österreich Republick, aber vorläufig alle Ämter in Funktion. Von heute auf morgen kann man nicht alles, es ist notwendig, dass die Geschäfte nicht unterbrechen.

Kanonik. [Johann Baptist Büchel]: Stimme dem Herrn Präs. vollkommen zu. Dass Österr. zusammengebrochen, ist Folge des Krieges, politische Verhältnisse zertrümmert, bei uns nicht der Fall, bei uns kein Grund, hatten keinen Kriegszustand, wir sind ein kleines Volk, und wollen es bleiben, und wenn ein Liechtensteiner an der Spitze gewesen, kein Haar besser, ganz natürlich, nirgends wird mehr geschimpft als in der Schweiz. Ein Liechtensteiner an der Spitze der Reg. wünschte ich nur dann, wenn wir einen ausgezeichneten Mann hätten. Wer ein Haus baut an der Strasse, den kritisiert alles, muss immer so sein, Verfassungsänderung wäre ein Affront gegen Fürsten [Johann II.], der balld 60 Jahren regiert, in allen Ländern ist auch nicht alles Gloria, wenn man das Volk absichtlich unzufrieden macht ist es klar, was letzte Zeit geschehen, ist unglückliche Hetze. Nicht jeder eignet sich zum Landesverweser, ein tüchtiger Jurist ist noch nicht ein tüchtiger Verwaltungsbeamter. Ein Liechtensteiner ist gebunden, wäre nicht dafür, dass Landeskinder an die Stelle gestellt, haben wir aber keinen, dass die Regierungsräte (Landräte) vom Landtage gewählt wurden. Kann kein Votum abgeben in dieser Sache.

[Friedrich] Walser: Ich und viele Kollegen haben gegen Chef nichts einzuwenden. Er hats in redlichster Weise geführt, es ist ihm gegangen wie noch grösseren, ganze Bewegung von Vaduz aufwärts, habe nicht mehr geschlafen, Landtag nimmt die Sache in Hand, als wenn sie ihm entgleichen [!]. Liechtenstein den Liechtensteinern.

Präs.: Verbietet Beifallsäusserung.

Walser: Habe überlegt, es wäre nicht recht wenn sich der Landtag die Zügel entgleiten liesse, besser wäre es, das wäre heute nicht vorgekommen. Im Interesse der Ruhe des Landes ist es notwendig. Ich und viele kein Misstrauen, sind verpflichtet, dem Verlangen des Geistzeites nachgekommen. Den Dank des Landes dem Chef für das Opfer, das Chef mit seiner Person bringt und dem Fürsten das unterbreitet.

[Emil] Risch: Chef das Vertrauen in der Schweiz eingebüsst, komme nirgends vor, dass ein Fremder das Land regiert, bin einverstanden, das Land Reg. in Hand nimmt.

Chef: Allen jenen, die Gerechtigkeit wiederfahren liessen bestens danken. Alle welche meinen, dass ich für diesen Posten nicht mehr passe, möchten Vertrauensfrage.

Kanonik.: Möchte den Antrag verschieben.

Präs.: Vorgängig die Vertrauensfrage stellen, ob wir heute sollen oder nicht.

Kanonik.: Haben kein Recht dazu ein Vollzugsausschuss zu wählen. Wenn der Fürst einverstanden, sonst Verfassungsbruch.

Chef: Bezüglich meines Antrages herrscht Missverständnis, habe nur gemeint, bis vom Fürsten herabgelangt, Verfassungsbruch liegt nicht vor, Notwendigkeit lassen sich nicht bürokratisch behandelen. Es handelt sich um Tage (Postverbindung), habe immer das Wohl des Landes im Auge, auch jetzt, werde es gerne beim Fürsten vertreten. Es ist mir darum zu tun, dass die Herren bald schlüssig werden, hat auch keine Kommissionsberatung notwendig, ob sie mich im Lande lassen wollen oder nicht.

Beck: Die fürstl. Abgeordneten wissen nicht die Stimmung des Volkes. Unser Volk hat nichts zu sagen. Alles im Verordnungswege. Es ist keine künstliche Mache, habe ihm in der Seele weh getan, wir hätten keinen Mann, der unser Land regiere. Wenn gesagt wird, wir seien noch leibeignete Untertahne [!] des Fürsten. Liest ein Schreiben vom Präsident, Physikatsprüfung. [3] Man wolle nicht einmal, dass ein Beamter eine Liechtensteinerin heirate, er müsse unabhängig sein, sei der Wunsch des Präs. früher gewesen. [Arthur] Hoffmann sagte, Chef sei nicht der Mann, der mit der Schweiz verkehren könne. [4] Wir wünschen, dass das Volk zu regieren habe, kann nicht mehr ja sagen.

Kanonik.: Beck hat durchblicken lassen, dass Kan. nicht im Interesse des Volkes rede, er rufe Gott zu Zeugen an, dass er für das Volk arbeiten. In unserem Land gibts keine Leibeigene, wir sind Untertanen.

Präs: In allen Parlamenten wird es nicht geschickt bezeichnet, wenn man e. Abg. einen Privatbrief verliest, habe den Brief, wenn ich nicht irre 1895, geschrieben, schäme mich nicht. [Friedrich] Stellwag [von Carion] sich geäussert, dass höherer Beamter hier Ausländer sei und nicht Liechtensteinerin heirate. Dieser Brief würde eher für mich sprechen. Erkläre gegen Wirtshausgespräche, dass für ernste Männer keine Klatschbasen. Ist möglich, dass ich das einmal ausgesprochen. Wer könnte dann bestehen. Sache möchte protokollisch genau gegeben werden. Bedaure, dass man damit die Zeit vertrödelt. Vielleicht noch Liebesbrief, ist nicht ziemlich.

Walser: Beantragt Schluss der Debatte.

Präs.: Abstimmung über Vertrauensfrage.

[Franz Josef] Marxer: Haben bis heute nichts gewusst, haben im Unterlande kein Misstrauen.

Öffentlich abstimmen.

[Peter] Büchel: Antrag nicht recht klar, haben nichts gewusst ich persönlich und Mitbürger haben das vollste Vertrauen. Sache nicht miteinander verquickt werden.

Präs.: Nach meiner Ansicht ist Becks Rede Vertrauensvotum

Chef: Sehe, dass Abg. gegen meine Person keine Vorwürfe. Ihm wird das Vertrauen ausgesprochen und künftig ein Landeskind an die Regierung.

Präs.: Antrag angenommen

Walser: Wir brauchen eine starke vom Volke getragene Reg., es ist notwendig, dass

Kanonik.: hat verfassungsmässig Bedenken. Glaube, wir sind nicht berechtigt, wenn verfassungsmäss möglich, dann bin ich auch dafür, in Österreich ist etwas anderes, Kaiser [Karl I.] es gestattet.

Präs: Vollzugsausschuss mit provisorischem Charakter ist nur dann gemeint.

Kanonik.: Wenn der Fürst einverstanden, dann bin ich dafür.

Walser: Wenn man die Bedenken des Kanonik. in Betracht zieht, so muss man.

Vollzugsausschuss angenommen.

Chef: Sie dürfen sich nur von einem Gesichtspunkt leiten lassen, der tüchtigste gehört jetzt auf den ersten Platz.

Walser: schlägt vor Dr. [Martin] Ritter, Dr. Beck und Emil Batliner.

Ritter 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Schädler 1 2 3

Marxer 1 2 3

Beck 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Landrat Batliner 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Walser 1 2 3 4 5 6 7

Peter Büchel 1

Kanonik. Büchel 1

Präs: Haben uns vorzusorgen wegen Invasion. Vorschläge sollen gemacht werden. Unterland der Gefahr am meisten ausgesetzt. Die Sache besprechen.

Walser: Schutz unserer Grenze dringlich. Vom Vintschgau eine Armee in Landeck. Vorarlberg Auftrag für Quartier zu sorgen, Vieh schlachten und Rüben zu liefern in Vorarlberg, Österr. dringend bittet um Vieh, können keine Kompensation geben. Zweite Teil der Beratung ob Vorarlb. zu Hilfe zu kommen, erster Teil, Grenzschutz von der Schweiz auf unsre Kosten, Schweiz vielleicht nicht eingehen, Oberland und Unterland müsste Leute stellen.

Beck: Unterstützt Walser, dass die Schweiz unsere Grenzen schütze auf unsere Kosten oder Waffen, den Vorarlbergern etwas lassen.

Marxer: Wucher bitter büssen müssen, würde Vorarlberg 200 Stück Vieh lassen.

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[1] LI PA Quaderer, Nachlass Wilhelm Beck. Ebd. ein stenographisches Protokoll. Vgl. auch den Bericht in L.Vo., Nr. 46, 15.11.1918, S. 3f. ("Zur Landtagssitzung vom 7. des Monats"). Ein offizielles Protokoll der Sitzung existiert nicht.
[2] LI LA PA 001/0021/08, Text der Rede Imhofs in der Landtagssitzung vom 7.11.1918.
[3] Nicht aufgefunden.
[4] Imhof hatte 1916 mit Hoffmann über Lebensmittellieferungen aus der Schweiz verhandelt, vgl. LI LA SF 13/1916/0567 ad 31, Imhof an Hermann vom Hampe, 7.2.1916.