Landesverweser Leopold von Imhof erkundigt sich über die diplomatische Vertretung Liechtensteins im Ausland und lehnt eine dauernde Vertretung durch die Schweiz ab


Maschinenschriftliches Schreiben von Landesverweser Leopold von Imhof, gez. ders., an den Chef der fürstlichen Hofkanzlei in Wien, Hermann von Hampe [1]

28.2.1918 

Euer Hochwohlgeboren, Hochverehrtester Herr Hofrat!

In den "Oberrheinischen Nachrichten" vom 9. und 23. Februar l.J. [2] sind die in Abschrift [3] beiliegenden Artikel erschienen, welche sich mit der Frage der Vertretung der Liechtensteiner im Auslande, besonders in Amerika, [4] befassen und von der fürstl. Regierung Auskunft darüber fordern, was in dieser Hinsicht von ihr veranlasst wurde.

Ich beabsichtige nun allerdings nicht, hierüber in der Presse des Landes eine offiziöse oder gar offizielle Notiz erscheinen zu lassen, da ich prinzipiell auf Zeitungsanfragen keine Antwort erteile.

Einer direkten mündlichen oder schriftlichen Anfrage von Personen, welche hiezu durch den Umstand legitimiert sind, dass sie Angehörige im Auslande haben, würde ich aber gerne erschöpfend entsprechen. Nun ist mir nur bekannt, dass die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland bisher auch die Interessen der Liechtensteiner vertreten haben, nicht aber, wessen Schutz die Österreicher und Liechtensteiner in jenen fremden Staaten, mit denen die Monarchie im Kriegszustand ist, anvertraut wurden.

Vielleicht ist dies – wie der Artikelschreiber wünscht – ohnehin die Schweiz.

Nachdem die diplomatischen Angelegenheiten des Fürstentums von der fürstl. Hofkanzlei besorgt werden, geht meine Bitte nun dahin, Euer Hochwohlgeboren wollen mir etwa auf Grund einer im Ministerium des Äussern im kurzen Wege eingeholten Information geneigtest eine Verständigung darüber zukommen lassen, welche ausländischen Vertretungsbehörden die Vertretung der im feindlichen Auslande, besonders in Amerika, lebenden Österreicher und Liechtensteiner nach Abbruch der österreichischen diplomatischen Beziehungen übernommen haben. [5] 

Die Schweiz um die dauernde Vertretung der Interessen der Liechtensteiner im Auslande anzugehen, wäre meines Erachtens nicht ins Auge zu fassen, da Liechtenstein vermöge seiner innigen Beziehungen zu Österreich und seiner monarchischen Regierungsform diesem Staate ungleich näher steht und an demselben auch die mächtigere Stütze findet.

Genehmigen hochverehrtester Herr Hofrat die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung und tiefsten Verehrung, womit ich zeichne als 

Euer Hochwohlgeboren 

ergebenster

______________

[1] LI LA V 003/0044 (Aktenzeichen der Regierung: 923. Aktenzeichen der fürstlichen Hofkanzlei: 2767). Das Schreiben ging bei der fürstlichen Hofkanzlei am 5.3.1918 ein.
[2] Vgl. O.N., Nr. 6, 9.2.1918, S. 1 ("Liechtensteiner im Auslande") sowie O.N., Nr. 8, 23.2.1918, S. 3 ("Unsere Interessen-Vertretung im Auslande"): Darin war die Übernahme der diplomatischen Vertretung Liechtensteins im Ausland durch die Schweiz gefordert worden.
[3] Beilagen zu LI LA V 003/0044 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 51).
[4] Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn, welche seit 1880 auch die Interessensvertretung Liechtensteins übernommen hatte, und der USA waren am 8.4.1917 abgebrochen worden. Am 7.12.1917 erklärten die USA Österreich-Ungarn den Krieg.
[5] Gemäss der von der fürstlichen Hofkanzlei beim österreichisch-ungarischen Aussenministerium eingeholten Auskünfte wurden die österreichischen Interessen im Ausland – und damit auch die Interessen der Angehörigen des Fürstentums Liechtensteins – wie folgt wahrgenommen (Beilage zu LI LA V 003/0044 (Aktenzeichen der Gesandtschaft: 51)): In den USA und Grossbritannien durch Schweden, in Frankreich und Rumänien durch die Schweiz, in Italien durch Spanien, in Russland durch Dänemark sowie in Ägypten, Griechenland, Siam und China durch die Niederlande. Die Vertretung in den mittel- und südamerikanischen Staaten verblieb bei den dortigen österreichischen Gesandtschaften; der Briefverkehr mit diesen Gesandtschaften war jedoch nicht möglich. Diese Auskünfte wurden Landesverweser Imhof von der fürstlichen Hofkanzlei mit Schreiben vom 5.3.1918 mitgeteilt (Beilage zu LI LA V 003/0044 (Aktenzeichen der Hofkanzlei: 2556/2767)).