Der Gesetzentwurf betreffend die Arbeitslosenversicherung wird vom Landtag in erster Lesung behandelt


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Anton Frommelt, Franz Xaver Hoop und Bernhard Risch [1]

3.8.1931

11.) Gesetz betreffend Arbeitslosenversicherung

Präsident [Anton Frommelt]: Sie wissen, dass dies im Landtage bereits des öfteren behandelt worden ist [2], behandelt auch von der Finanzkommission. Es ist dieses Gesetz dann wiederholt von den Arbeiterverbänden neu angeregt und angefordert worden. Die Finanzkommission hat das Gesetz durchbesprochen und beschlossen, es mit einigen Umänderungen des Textes an den Landtag weiterzuleiten. Ich möchte den Abg. Franz Hoop ersuchen, vielleicht die Vorlage des Gesetzes zu lesen. Wir würden heute in dieser Landtagssitzung als erste Lesung das Gesetz durchbesprechen und zwar Artikel für Artikel vorläufig, wenn nicht irgend jemand Stellung nehmen will dazu.

(Es wird sodann der Gesetzentwurf verlesen.)

Abg. [Josef] Ospelt: frägt zu Art. 8, wo von einem Arbeitsamt die Rede ist, an, ob da gedacht sei, eine Stelle zu schaffen [3].

Präsident: Nach Annahme des Gesetzes würde selbstverständlich ein Arbeitsamt geschaffen werden müssen, in Auswirkung dieses Gesetzes.

Zu Art. 11 im dritten Absatze meint Rat Ospelt, es sollte dort vor den Worten ... auf 3.50 Fr. erhöht werden, das Wörtchen "bis" hineingeschrieben werden, weil auch vielleicht mit 3 Fr. das Auskommen gefunden werden könnte.

Präsident Frommelt klärt auf, dass das Ganze ganz im Sinne das Abg. Ospelt gemeint sei, diese zwei Zahlen sollten das Minimum und Maximum darstellen.

Es wird beschlossen, die angeregte Änderung des Abg. Ospelt mit Einschiebung des Wörtchens „bis" vorzunehmen.

Zu Art. 13 bemerkte Abg. Ospelt, dass er es etwas weit gegangen ansehe, wenn man gewissermassen den Streik gesetzlich gutheisse, weil es dort heisst: „Es darf ihm jedoch nicht zugemutet werden, in Betrieben Arbeit anzunehmen ... oder bei denen ein Streik oder eine Aussperrung anhängig ist."

Präsident: Ein Streik kann auch einmal unter gewissen Bedingungen das legitime Mittel sein, eine berechtigte Forderung durchzusetzen, ihre Erfüllung zu erreichen, in diesem Falle wäre die Anstellung eines Arbeitslosenversicherten eigentlich zwischen diese zwei im Rechtsstreite stehende hineingeschoben, als Mittelding. Ich glaube, dass diese Überlegung allein genügend ist, um den Wortlaut, wie er vorliegt, aufrecht zu erhalten. Der Streik ist hier zu nehmen als berechtigter Streik, nicht als willkürliche Arbeitseinstellung. Eine solche durch einen Streik hervorgerufene Rechtslage soll ungestört bleiben, bis sie rechtlich geklärt ist. Z.B. eine Fabrik hat 300 Arbeiter, diese erfahren eine ungerechte Behandlung oder es wird ihnen ungerecht eine Lohnverkürzung gemacht, nun treten sie in Streik, dann könnte jemand zum Staate kommen und sagen: Ihr habt Arbeitslose, meine Leute streiken, also müsst ihr diese hier in den Betrieb geben.

Rat Ospelt: Ich erkläre mich mit den Ausführungen des H. Präsidenten befriedigt und lasse meine Bedenken fallen.

Abg. [Ferdinand] Risch, Schaan: Nachdem zur Arbeitslosenversicherung die Gemeinden auch einen Teil beizutragen haben, erlaube ich mir die Anfrage, ob man die Gemeinden ohne weiteres verpflichten kann dazu.

Präsident: Nach Annahme des Gesetzes ist jede Gemeinde indirekt dazu verpflichtet. Es wäre dies eine selbstverständliche Konsequenz des Gesetzes. Hingegen etwas anderes ist es, dass zur Abklärung dieses Gesetzes gleich diese Umfrage hätte geschehen sollen. Nachdem das Gesetz eine Volksabstimmung vorsieht, glaube ich, dass die Sache in der Gemeinde in der Volksabstimmung besprochen wird und zum Ausdruck kommen kann. In der Vorlage, wie das Gesetz den Abgeordneten vorgelegt worden ist, beantragt die Finanzkommission, es Ihnen zur Kenntnis zu geben, um dann vielleicht in der nächsten Sitzung eine zweite Lesung vorzunehmen und endgültigen Beschluss zu fassen über das Gesetz. Ich möchte daher jeden der Abgeordneten recht ersuchen, dieses in die Volkswirtschaft sehr einschneidende Gesetz etwas genauer durchzugehen und sich zu überlegen, damit in der nächsten Sitzung in aller Ruhe mit reiflicher Überlegung eine Beschlussfassung erfolgen kann.

[Ferdinand] Risch, Schaan: Ich möchte beantragen, dass in allernächster Zeit der Landtag wieder zusammentritt, indem voraussichtlich die Arbeitslosigkeit sehr fühlbar wird, dann soll der Landtag wieder darüber Beschluss fassen, was zwischen Ruggell und Balzers noch für Notstandarbeiten zu verrichten sind.

Reg. Chef [Josef Hoop]: Ich habe einen Landtagsbeschluss, eine Vorlage ausarbeiten lassen, die den Herren Abgeordneten heute noch übergeben wird, die eine Ergänzung des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung darstellt und ungefähr das ist, was Abg. Risch vermeint hat. Es sind dort gewisse Arbeiten vorgesehen [4], die im Interesse der Arbeitslosenbekämpfung in der heurigen Winterbauperiode durchgeführt werden sollen, ferner Schaffung einer Arbeitsnachweisstelle, die im Zusammenhang mit der Schaffung des Arbeitslosengesetzes unerlässlich ist. Ich möchte ebenfalls ersuchen, die nächste Sitzung auf einen möglicht baldigen Zeitpunkt anzuberaumen. Es ist sehr wichtig, dass heuer voraussichtlich die Arbeitslosigkeit sehr frühe eintreten wird. Es sind jetzt schon Arbeiter aus der Schweiz zurückgekommen. Man wird also schon jetzt Vorsorge treffen müssen, dass die bedürftigsten Arbeitslosen entweder Arbeit bekommen oder Unterstützung. Wir werden dem Landtage für die nächste Sitzung eine Ergänzung dieses Gesetzes vorlegen, dessen Bestimmungen Hand in Hand gehen sollen mit der Arbeitslosengesetzgebung. Hoffentlich wird die Arbeitslosigkeit auf ein sehr erträgliches Mass herabgemindert.

 

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[1] LI LA LTP 1931/156. Siehe die Vorlage des Gesetz über die Arbeitslosenversicherung beim Referendum vom 22. November 1931 (LI LA RF 118/137/093). Der Gesetzenturf wurde vom Landtag am 1. September 1931 einstimmig verabschiedet (LI LA LTP 1931/169). Das Volk verwarf das Gesetz mit 653 Ja- zu 1152 Nein-Stimmen (Stimmbeteiligung 84,9%).  
[2] Beispielsweise in den öffentlichen Landtagssitzungen vom 7. Mai 1931 (LI LA LTP 1931/055) oder vom 7. Juli 1930 (LI LA LTP 1930/116).   
[3] Siehe die Genehmigung eines Kredites für ein Notstandsprogramm sowie für die Schaffung eines Arbeitsamtes in der öffentlichen Landtagssitzung vom 30. September 1931 (LI LA LTP 1931/193).     
[4] Siehe FN 3.