Der Landtag debattiert über ein Wirtschafts- und Notstandsprogramm


Protokoll der nichtöffentlichen Landtagssitzung, gez. Wilhelm Näscher und Georg Frick [1]

11.10.1935

12. Wirtschafts- und Notstandsprogramm

Reg.Chef [Josef Hoop] verliest die Vorlage und stellt die einzelnen Punkte zur Diskussion, die sich rege entwickelt.

Ferd. [Ferdinand] Risch redet der Förderung des Feldfrüchtebaues das Wort, er sehe die Zukunft nicht im Weinbau.

Präsident [Anton Frommelt]: Wo es möglich ist, soll der Gemüsebau gepflegt werden, doch soll der Weinbau auch gefördert werden.

Risch Ferdi: Der Bauernverein sollte schauen, dass einzelne Mitglieder ihre Produkte gut absetzen können. Hierin ist gefehlt worden. Wenn Subventionen ausbezahlt werden, so sollten diese nicht durch den Bauernverein gehen, weil die anderen daneben kommen.

[Basil] Vogt: Ich habe auch kein Zutrauen zum Bauernverein, bisher hat er sich nicht bewährt.

[Peter] Büchel: Der Bauernverein ist nicht eine Commune, um jeden zu bekehren. Besser schaffen können die einzelnen Organisationen. Es fehlt aber vielfach das notwendige Interesse. Der Bauernverein hat eine gewisse Antipathie im Lande. Die Initiative muss hauptsächlich von einzelnen in einer Gemeinde ausgehen. Für den Triesenberg sollte man schauen, auch etwas zu erreichen.

Reg.Chef: Die Absatzschwierigkeiten sind nicht beängstigend. Der Bauernverein soll Ratschläge geben und in den einzelnen Gemeinden sollten Genossenschaften gebildet werden.

Risch Bern. [Bernhard]: Der Bauernverein hat schon viel getan. Es fehlt nur am Allgemeinsinn. Der Bauernberater [Franz Beck] bewirbt sich wohl, doch hat er das nötige Zutrauen nicht.

Präsident: Es ist natürlich auch ein Fehler, wenn ein Mann alles kennen und verstehen soll. Es sollte ein technisch vollkommener Ausbau getroffen werden.

Büchel: Er hat einen grossen Fehler begangen dadurch, dass er angefangen hat zu handeln. Ich habe das von Anfang an gesagt. Der persönliche Misskredit hat sich nun auch auf den Verein ausgedehnt.

Risch Ferdi: Ich will nicht sagen, dass der Bauernverein nichts getan hat, aber die Meinung habe ich, dass er noch viel mehr tun könnte.

Büchel: Zuviel Geschäfte soll der Bauernverein nicht machen, sondern erst dort eingreifen, wo der Privathandel versagt.

Vogt: Man sollte einen Mann haben, wie der [Albert] Schmidinger ist. Vielleicht könnte man denselben von Fall zu Fall rufen.

Reg.Chef: Am besten wäre es, wenn man den Schmidinger ein Jahr pumpen könnte, er könnte vielleicht die ganze Organisation der Landwirtschaft umkurbeln.

Büchel: Ob nicht ein Fachmann wie Schmidinger einmal auf den Triesenberg sollte und dort mit den Leuten reden sollte.

Reg.Chef: Es wird gut sein, wenn man dies einmal macht.

Mittagspause. Fortsetzung 2 Uhr

[Emill] Batliner beantragt, für Drainierungen rückwirkend Subventionen zu gewähren.

Reg.Chef: Alle diese vorgesehenen Massnahmen sind nicht rückwirkend gedacht, ebenso haben sie nur Geltung für zusätzliche Arbeiten. Die normalen Gemeindearbeiten gehören nicht dazu. Der Zweck ist, dass mehr geschieht als bisher. Was vorüber ist, kann nicht mehr unter diese Subventionierung fallen.

Präsident: Grundsätzlich geht man vom Standpunkte aus, Arbeit zu schaffen, um den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Warum sollte man nicht auch die private Bautätigkeit subventionieren. Warum sollte man nicht für einen Neubau, der im Winter erstellt wird, vielleicht auf fünf Jahre Steuerfreiheit gewähren. Das wäre ein Ansporn zur Bautätigkeit. Man muss der Krise wehren, die kommt.

Risch Ferdi: Warum pressieren jetzt die Arbeiten am Kanal nicht mehr?

Reg.Chef: Man hat mit den Arbeiten wieder begonnen.

Zu dem vorliegenden Gesetze müssen natürlich noch Ausführungsbestimmungen erlassen werden.

Risch Ferdi: Wie verhält es sich mit der Subvention für einen neuen Fahrweg im Streuegebiet.

Reg.Chef: Wenn ein neuer Weg gemacht wird, wird diese Arbeit subventioniert werden.

Vogt: Wir sind am Drainieren und das Subventionsgesuch liegt vor. Da ist es doch gleich, ob man heute anfängt oder erst in 14 Tagen, das wird schon von heute an subventioniert werden. Sonst stellen wir die Arbeit ein, bis sie subventionsberechtigt ist.

Bei Art. 6 ergibt die Debatte die Streichung aus der Vorlage, damit die Subventionierung der Viehausfuhr [2] im Auslande nicht zu sehr auffällt. Der Landtag beschliesst sodann die Gewährung von Ausfuhrprämien für Vieh und zwar für Grossvieh: an den Verkäufer 15 Fr. [3] und den Käufer 10 Fr., für Rinder: an den Verkäufer Fr. 15 und den Käufer Fr. 10, für Rinder bis zu 2 Jahren: an den Verkäufer 10 Fr. und den Käufer 10 Fr., für Jungvieh bis zu einem Jahr: an den Verkäufer und den Käufer je Fr. 5 mit Wirkung vom 12. Oktober 1935 bis 12. Dezember 1935.

Ad Art. 7: Reg.Chef: Der Gewerbeverband könnte mit der Regierung schauen, dass die vielen Gemischtwarenhandlungen aufhören. In Wirklichkeit können sie eine Auswahl nicht bieten. Unsere Bilanz ist immer noch stark passiv. Darum auch die fortdauernde Verschuldung. Wenn man im Lande mehr Sachen herstellen würde, so würde sich der Import verringern. Das sollten die einzelnen Fachgenossenschaften mit der Regierung organisieren. Im Gewerbe ist der beste Wille vorhanden und wenn wir dasselbe unterstützen, so ist in kürzester Zeit manches zu erreichen. Es gehen enorme Summen ins Ausland, die man hier behalten könnte. Es kommen zwei Fragen in Betracht und zwar die Wahl einer allfälligen Kommission und andererseits Subventionierung des Gewerbeverbandes. Ich weiss, dass solche Subventionsgesuche bisher mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden sind. Der Biedermann Gust. [Gustav], der an der Spitze steht, ist sehr fleissig und hat auch Kenntnisse. Gerade von dieser Zentralstelle ist sehr viel zu erwarten. Einen Versuch muss man meiner Meinung nach machen. Es wird nicht im Handumdrehen ein voller Erfolg da sein, aber etwas lässt sich machen. Wir würden gewissermassen das Usego- und Migros-Prinzip auf unser Land anwenden.

Präsident: Ich habe auch Angst, dass es nicht so leicht geht, aber diese darf uns nicht abhalten.

Näscher: Ich glaube, es sollte zuerst etwas geleistet werden, bevor diese Subvention ausbezahlt wird.

Reg.Chef: Auch für die Landwirtschaft wird alljährlich eine viel höhere Summe ausgegeben und gerade das Gewerbe ist am ehesten die Stelle, die die Handelsbilanz verbessern kann.

Art. 8 & 9 werden genehmigt. Art. 10 Abs. a wird folgendermassen abgeändert:

"Zum Zwecke des Ersatzes ausländischer Hilfskräfte durch einheimische gewährt das Land:

a/ Lohnbeiträge für liechtensteinische Knechte im Alter von über 16 Jahren, soferne sie voll erwerbstätig sind. Der Lohnbeitrag beträgt für die Monate November bis und mit April Fr. 5.- pro Monat und für die Monate Mai bis und mit Oktober Fr. 10 pro Monat. Die Lohnbeiträge werden den Knechten halbjährlich im Nachhinein ausbezahlt. Wer den Posten innerhalb eines halben Jahres aus eigenem Verschulden verlässt oder verlassen muss, hat keinen Anspruch auf diese Prämie."

Bei Art. 11 entwickelt sich keine Diskussion.

Die Abg. Näscher und [Franz Xaver] Hoop verlassen das Konferenzzimmer, da sie in ihrem Amt noch durch die Ausstellung von Gesundheitsscheinen für den Markt in Anspruch genommen werden.

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[1] LI LA LTP 1935/063. Der Landtag verabschiedete das Wirtschafts- und Notstandsprogramm in der öffentlichen Landtagssitzung vom 23. Oktober 1935 (LI LA LTP 1935/072). Siehe LGBl. 1935 Nr. 10.
[2] Vgl. etwa die Landtagsbeschlüsse vom 14. November 1933 oder vom 4. September 1934 betreffend die Ausschüttung von Viehexportprämien (LI LA LTP 1933/130, LI LA LTP 1934/083).   
[3] Unsichere Lesung.