Deutschland lehnt den Einbezug Liechtensteins ins deutsch-schweizerische Transferabkommen ab


Schreiben von Adolf Jöhr, Generaldirektor der Schweizerischen Kreditanstalt, an Bundesrat Guiseppe Motta (Kopie) [1]

10.2.1934, Zürich

Hochgeachteter Herr Bundesrat,

Ihrem mir mit Schreiben vom 8. Januar ausgesprochenen Wunsche nachkommend, habe ich bei den gestern und vorgestern in Berlin geführten Verhandlungen über die Erneuerung des Transfer–Abkommens für das erste Halbjahr 1934 [2] die Einbeziehung des Fürstentums Liechtenstein in die Vorteile des Transfer-Abkommens unter Berufung auf Ihre Weisung verlangt. Auf deutscher Seite bestanden aber dagegen wegen der Erfahrungen, die sie mit der deutschen Steuerflucht nach Vaduz gemacht hatte, grosse Bedenken.

Ich habe indessen insistiert und darauf hingewiesen, dass die Liechtensteinische Regierung damit zufrieden wäre, wenn das Transferprivileg den beiden Liechtensteinischen Banken, nämlich der Sparkasse des Fürstentums Liechtenstein und der Bank in Liechtenstein, beide in Vaduz, für ihre eigenen Forderungen und für diejenigen ihrer Deponenten zugestanden würde, [3] dass die Gesamtsumme dieser Zins– und andern Forderungen für das Halbjahr nur ca. Fr. 60’000, der über Transferkonto zu leistende Betrag somit höchstens Fr. 21'000 ausmachen würde.

Trotzdem lehnten es die deutschen Unterhändler ab, eine sofortige Zusage zu machen. Sie beriefen sich insbesondere darauf, dass es alle diejenigen in Liechtenstein niedergelassenen Personen, welche ihre Forderungen oder Titel nicht durch die beiden Banken verwalten liessen, nicht begreifen würden, wenn ihnen nicht dieselben Vorteile zugestanden würden, und dass sie nach wie vor Misstrauen dagegen hätten, dass auch bei den Liechtensteinischen Banken die Depots von deutschen Steuerfluchtgesellschaften liegen.

Das letztere konnte ich leider nicht dementieren, weil in den Aufstellungen der beiden Liechtensteinischen Banken selbst gewisse Posten von Titeln aus dem Besitz von Holding-Gesellschaften und Stiftungen enthalten waren.

Das Ergebnis der Verhandlungen war, dass die Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Reichswirtschaftsministeriums sich momentan als unzuständig erklärten, in dieser Frage bindende Abmachungen zu treffen. Sie sind aber der Auffassung, dass die ganze Frage auf diplomatischem Wege dem Auswärtigen Amte unterbreitet werden müsse. Ich benützte die Gelegenheit, wenigstens die anwesenden Vertreter dieser Ministerien im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Transferbetrages für die endgültige Erledigung der Frage günstig zu stimmen.

Wenn es mir auch nicht gelungen ist, die deutsche Zusage sofort zu erhalten, so hoffe ich doch, durch meine Diskussionen mit den Vertretern beider Ministerien einen günstigen Boden für die offizielle Behandlung der Angelegenheit geschaffen zu haben. [4]

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Bundesrat, die Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung und Ergebenheit. 

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[1] LI LA RF 136/459/043. Das Schreiben wurde der liechtensteinischen Regierung durch das Eidgenössische Politische Departement mit Note vom 13.2.1934 übermittelt (LI LA RF 136/459/042).
[2] Deutschland und die Schweiz schlossen am 7.10.1933 ein befristetes Transferabkommen ab (DDS, Bd. 10, Nr. 339). In diesem Abkommen sagte Deutschland der Schweiz zu, die schweizerischen Zinsforderungen trotz des Transfermoratoriums vom 9.6.1933 weiterhin vollständig zu transferieren, sofern die dafür benötigten Devisen durch zusätzliche Exporte deutscher Waren in die Schweiz beschafft werden können. Dieses für die Schweiz günstige Sonderabkommen - die übrigen Gläubiger konnten lediglich 75 % der Kapitalerträge transferieren - wurde am 16.2. 1934 verlängert (DDS, Bd. 11, Nr. 46).
[3] Liechtenstein hatte ursprünglich auf einen vollständigen Einbezug ins Transferabkommen gedrängt (LI LA RF 136/387/002, LI LA RF 136/459/015, 025, 026). Aufgrund der schweizerischen Vorbehalte gegen eine Einbeziehung der liechtensteinischen Sitzunternehmen (LI LA RF 136/459/017, 029) erklärte sich Liechtenstein schliesslich mit dem Einbezug lediglich der Banken einverstanden (LI LA RF 136/459/032-034, 040).
[4] Zu den weiteren Verhandlungen vgl. LI LA RF 136/459/045, 047, 048, 050, 051. Liechtenstein versuchte daneben auch informelle Kontakte zu nutzen, vgl. LI LA RF 136/459/054.