Schreiben von Lehrer Ernst Schädler, ehemaliger Leiter der Volksdeutschen Jugend, an den Landesschulrat [1]
15.11.1945, Vaduz
In Kenntnisnahme der Zuschrift vom 6. November 1945, zugestellt am 7. November, [2] mache ich von der mir gebotenen Möglichkeit einer schriftlichen Rechtfertigung zu dem gegen mich eingeleiteten Disciplinarverfahren Gebrauch und nehme im Nachfolgenden Stellung zu den einzelnen mir zur Last gelegten Punkten.
Da die Punkte 1, 3 u. 4 im engsten Zusammenhange stehen, weil sie meine Tätigkeit als Leiter der volksdeutschen Jugend in Liechtenstein betreffen und zur richtigen Beurteilung als Einheit beantwortet werden müssen, stelle ich diese vorerst zurück und nehme Punkt 2: "Parteifunktionär der VDBL" voraus.
Ich gebe zu, dass ich von der Landesleitung der volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein als Leiter der volksdeutschen Jugend eingesetzt war. Zu dieser Tatsache gestatte ich mir die Feststellung, dass ich durch die Mitgliedschaft u. aktive Betätigung in der volksdeutschen Bewegung gegen keine Bestimmungen der bestehenden Gesetze od. Verordnungen verstossen habe, da die volksdeutsche Bewegung einerseits bei d. Fürstl. Regierung ordnungsgemäss gemeldet war u. ihre Statuten [3] vorgelegt hat und die Regierung ihrerseits das Bestehen der volksdeutschen Bewegung als liechtensteinische Partei anerkannte. Auch der Hohe Landesschulrat, dem meine Zugehörigkeit zur volksdeutschen Bewegung bekannt war, hat daran keinen Anstoss genommen.
Beweis: Anmeldung und Statutenhinterlegung der VDBL bei der Fürstlichen Regierung;
Keinerlei diesbezügliche Verwarnung oder Verbote durch den Hohen Landesschulrat.
Meine Tätigkeit war also einwandfrei legal und stand offen unter der Aufsicht der beiden Behörden. Ich stehe nicht an, in diesem Zusammenhange zu erklären, dass ich niemals einer illegalen Organisation beigetreten wäre und dadurch gegen die Interessen des Staates gearbeitet hätte. Ein Zugehörigkeitsverbot durch eine meiner vorgesetzten Behörden hätte ich sofort befolgt.
Zu Punkt 1: "Leiter der volksdeutschen Jugend in Liechtenstein" habe ich oben Stellung genommen. Den Zusatz aber "also der liechtensteinischen HJ" muss ich als absolut unrichtige Bezeichnung bezw. Schlussfolgerung entschieden ablehnen.
Die volksdeutsche Jugend in Liechtenstein war ein Teil der volksdeutschen Bewegung und hatte mit der HJ im Reich keine Verbindung. Der Beweis hiefür liegt schon in dem früheren deutschen HJ-Gesetz, das jede Verbindung oder Arbeitsgemeinschaft der HJ mit ausländischen Jugendorganisationen strikte untersagte. [4] Selbst also, wenn, wie es die Gegner der volksdeutschen Jugend gerne wahrhaben möchten, liechtensteinischerseits Bestrebungen im Sinne einer Verbindung mit der HJ beabsichtigt gewesen wären, hätten diese scheitern müssen. Zudem leuchtet wohl die Tatsache ein, dass sich die damalige Riesenorganisation der HJ nicht um das kleine Grüppchen der liechtensteinischen volksdeutschen Jugend interessierte.
Ich persönlich fand in dem HJ-Bannführer, der ein Bregenzer ist, einen alten Bekannten und Freund. [5] Er machte mir das Angebot, die Arbeit der HJ-Führung im Gau Tirol-Vorarlberg aus eigener Anschauung zu studieren. Es wird mir als Lehrer kaum ein Vorwurf gemacht werden können, wenn ich in meinen Ferien die Gelegenheit wahrnahm, Einblick in den Betrieb der Jugendarbeit zu nehmen. Ich besuchte Schulen, Lager, sportliche und volkstümliche Veranstaltungen und interessierte mich für die Kursprogramme auf dem Gebiete der Leibesertüchtigung, der Kultur-, Volkstums- und Werkarbeit. Von einem Instruktionengeben und -nehmen, wie im Polizeibericht behauptet wird, [6] war und konnte keine Rede sein. Ich war Gast, nicht Untergebener. Ausserdem wären Instruktionen im Sinne der HJ für die volksdeutsche Jugend in Liechtenstein unangebracht und auch undurchführbar gewesen, weil unsere Organisation auf ganz anderen Grundsätzen und im Rahmen des liechtensteinischen Schulgesetzes aufzubauen war. Nicht um zu heucheln, sondern lediglich um der Wahrheit Ehre zu geben, stelle ich hiermit fest, dass die volksdeutsche Jugend in Liechtenstein im Gegensatz zur HJ den sittlichen und religiösen Grundsätzen nachlebte. Ich gebe in diesem Zusammenhang unter Beweis, dass die volksdeutsche Jugend bei jeder Bergwanderung die Messe in den Bergdörfern besuchte.
Wenn ich mich nun zur volksdeutschen Jugend und meiner Arbeit als deren Leiter weiter äussern muss, erlaube ich mir zum besseren Verständnis meiner Beweggründe und Zielsetzung weiter zurückzugreifen. Ich litt schon anfangs meiner Lehrtätigkeit darunter, dass unserer Jugend auf dem Gebiete der Körperertüchtigung und Berufsförderung durch Schule, Staat und Gemeinde viel zu wenig geboten wurden. Daher versuchte ich bereits im Jahre 1926 das damalige "österreichische neuzeitliche Turnen" auch unseren Schulen zugänglich zu machen. Ich führte mit Erlaubnis des damaligen Regierungschefes [Gustav Schädler] den Herren Kollegen die neue Methode praktisch vor, wurde belobt und - das alte Turnen blieb. Anfangs der 30iger Jahre machte ich den zweiten Vorstoss. Derselbe Einsatz meinerseits - und dasselbe Ergebnis. In der Folge setzte ich mich mit ganzer Kraft für die Förderung des Landessportes als Sekretär des Landessportvereins ein. [7] Nach einigen Jahren konnte ich mit [Friedrich] Schiller sagen: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen." Ich trat, wo es nur angängig war, für die Lehrlingsförderung ein, überall unübersteigbare Mauern. - Als mir nun der Landesleiter der volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein [Alfons Goop] die Betreuung der volksdeutschen Jugend anbot, griff ich zu. Ich sah ein schönes Arbeitsfeld vor mir. Auch die liechtensteinische Jugend, die parteigemäss nicht der Pfadfinderorganisation angehören wollte, war es wert, erfasst, gefördert und betreut zu werden. So baute ich denn mit dem Willen, der Jugend im besten Sinne Helfer zu sein, die volksdeutsche Jugend aus. Ich hielt mich dabei getreu und peinlich an die bestehenden Schulgesetze. Der Beitritt beispielsweise wurde von einer schriftlichen Erklärung der Eltern abhängig gemacht. Im übrigen gibt es nur einen Weg, die Jugend richtig und gut zu führen. Meine Arbeitspläne und Anweisungen wiesen denselben Weg, wie die in jeder guten Jugendorganisation. Wie die Pfadfinder steckten auch wir zum Ziel: Kameradschaft, Treue, Rechtlichkeit, Dienst am Nächsten, Körperertüchtigung, Pflege des Volksliedes, Werkarbeit und Liebe zur Heimat. Die volksdeutsche Jugend hat unter meiner Leitung Kameradschaftsabende abgehalten, sie hat im Dienste am Nächsten abertausende von Kilo Obst und Kartoffeln für die Bedürftigen gesammelt, sie führte Gymnastikkurse, leichtathletische Spiele und Skirennen durch, sie pflegte das Volkslied. An ihren Werkabenden bastelten sie gegen 4000 Spielsachen und stellten diese den Armen in Liechtenstein als Weihnachtsgabe zur Verfügung. Sie schnitten Liechtensteiner-Karten in kleine Vierecke und machten so Heimat-Zusammensetzspiele. Um der Jugend die Schönheit der Heimat nahe zu bringen und die Heimatliebe zu vertiefen, wurden jährlich 3 Ausflüge angesetzt. Sie übten alte Volkstänze, legten Dorfpläne an und trugen Material für die Dorfgeschichte zusammen.
Ich darf anführen, dass alle Veranstaltungen und Ausflüge in vollster Ordnung und Disciplin und unter der Beobachtung der Schulgesetze abgewickelt wurden. Nie gaben sie Anlass zu Klagen wegen ungebührlichen Verhaltens. Auch das unter Punkt 2 angeführte Erntedankfest bedeutet keine Verletzung der Schulordnung. Es wurde bei der Regierung die Erlaubnis zur Abhaltung eingeholt. [8] Die Feier fand im geschlossenen Saale am Nachmittag und unter Beisein der Eltern der Schulpflichtigen statt. Wenn das Schulgesetz übertreten worden wäre, hätte der Hohe Landesschulrat bestimmt schon 1941 eingegriffen.
Auch wir fühlten und dachten als Liechtensteiner, auch unsere Jugendbewegung war als solche unpolitisch. Sie unterschied sich von der Pfadfinderorganisation dadurch, dass sie ihre Vorbilder in den Helden der deutschen Geschichte sah, dass sie mit dem deutschen Volke fühlte, also prodeutsch war, während sich die Pfadfinderorganisation international orientierte. Die volksdeutsche Jugend tat somit im guten Glauben lediglich das, was auch unsere Vorfahren machten, was unsere Volkshymne besingt und unsere Regierungschefs bei Gelegenheiten im In- und Auslande aussprachen. Man kann nach meiner Ansicht ein guter Liechtensteiner sein und seine Sympathien Deutschland entgegenbringen genau so wie die Pfadfinder gute Liechtensteiner sind und ihre Sympathien vielleicht mehr den westlichen Staaten entgegenbrachten. Ich darf bei dieser Gelegenheit übrigens auch erwähnen, dass ich zu wiederholten Malen bei patriotischen Anlässen die Festzüge etc. zusammen mit dem damaligen Herrn Regierungssekretär [Ferdinand] Nigg organisierte und dabei jeweils eine beträchtliche Arbeit und einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Gelingen leistete.
Heute weiss ich, dass ich hinsichtlich meines Idealismus fehlging. Ich stehe aber mit hunderttausenden in einer Linie, die sich durch die Enthüllungen, die die Nachkriegszeit gebracht hat, erschüttert sehen, dass die oberste Führung des Reiches Verbrecher waren und durch ihre Verbrechen all das Gute, welches das Volk in ungeheurer Anstrengung leistete, vergessen machten und in den Kot traten. Kann ich aber deshalb, weil ich an das Gute glaubte und versuchte, das Gute der liechtensteinischen Jugend nahe zu bringen, zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden?
Bezüglich des "Hitlergrusses" stelle ich fest, dass der Gruss der volksdeutschen Jugend "Deutsch voran" mit Handerheben war. Ich habe dies 1941 der fürstlichen Regierung in Beantwortung einer diesbezüglichen Verwarnung mitgeteilt. [9] Die Verwarnung betraf den mir zur Last gelegten Fall in Planken. [10] Die Fürstl. Regierung hat meine Richtigstellung offenbar zur Kenntnis genommen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sie mich zur Rechenschaft ziehen müssen.
Zu Punkt 4: Anlässlich der Hausdurchsuchung erklärte ich der Polizei das Herkommen dieser Bücher. [11] Da der Polizeibericht nichts davon erwähnt, wiederhole ich zu Handen des Hohen Landesschulrates den Tatbestand.
Die Reichsjugendführung verhandelte mit der Fürstl. Regierung um Unterbringung von reichsdeutschen Kindern in sog. KLV [Kinderlandverschickung]-Lagern in Liechtenstein. [12] Anfänglich war die Rede von der Unterbringung von ca. 500 Kindern in den gesamten Alpenkurhäusern. Die Devisenfrage liess schlussendlich nur die Unterbringung von ca. 60 Jungen in Gaflei zu. Die volksdeutsche Jugend hatte mit dieser Frage nichts zu tun. Die Verhandlungen wurden geführt einerseits zwischen der Reichsjugendführung und der Fürstl. Regierung, andererseits zwischen Seiner Durchlaucht dem Fürsten [Franz Josef II.] und Baldur von Schirach. In der Zwischenzeit sandte die Reichsjugendführung an die Adresse Dr. Goop die Lehrbücher. Zweck war, mit diesen Lehrbüchern die geplanten KLV-Lager in Liechtenstein zu versorgen. Dr. Goop war mittlerweile eingerückt und sein Nachfolger in der Parteiführung, Dr. Sepp Ritter, dirigierte die Sendung an mich in der Absicht, die Bücher ihrem Bestimmungsort - den KLV-Lagern - näher zu bringen. Bei der Ankunft der deutschen Jungen in Gaflei stellte sich heraus, dass diese grossenteils mit Lehrbüchern versehen waren. Eine Rücksendung wäre wegen der Zollverhältnisse und Kosten auf gewisse Schwierigkeiten gestossen. Also blieben sie bei mir liegen. Über Vorschlag eines meiner Mitarbeiter erlaubte ich dann ohne Arg und propagandistische Absicht, einen Teil der Lehrbücher an jene Mitglieder der volksdeutschen Jugend als Anerkennung zu verteilen, die sich durch Wochen in der Anfertigung der Weihnachtsspielsachen zu Gunsten armer liechtensteinischer Familien eingesetzt hatten. Der Rest und zwar gut 3/4 der Sendung blieb weiter bei mir bis sie durch die Polizei beschlagnahmt wurde. Dies ist der wahre Sachverhalt. Jede andere Darstellung ist unterschoben und unrichtig.
Zeugen: Dr. Goop, Dr. Sepp Ritter.
Hätte ich verbotene Propaganda betrieben oder betreiben wollen, würde ich die Bücher, die als Beweismittel gegen mich zeugen sollen, wohl versteckt oder vernichtet haben. So aber standen sie die ganze Zeit offen im Stiegenhaus und dem anschliessenden Raum. Hausmitbewohner, Mitglieder des Kirchenchores Ebenholz, dem auch Herr Polizeiwachtmeister [Josef] Brunhart angehört, hatten lange vor der Hausdurchsuchung Gelegenheit in diese Kiste Einblick zu nehmen und es ist bekannt, dass sie von dieser Gelegenheit auch Gebrauch gemacht haben.
Beweis: Polizeiwachtmeister Brunhart,
Oberlehrer David Beck, als Zeugen.
Dass Propagandaschriften beschlagnahmt wurden, bestreite ich. Die einzelnen Jugendschriften waren mein Eigentum und lediglich für meinen persönlichen Gebrauch bestimmt. Die Gesanghefte benütze ich für den Kinderchor innerhalb der volksdeutschen Jugend. Ich bitte den Hohen Landesschulrat sich die Mühe nehmen zu wollen, diese zu sichten. Sie werden finden, dass es sich hiebei um tendenzfreie Volkslieder handelt.
Zu Punkt 6: Zum Polizeibericht Nr. 610 [13] führe ich, soweit vorstehend nicht bereits einzelne Punkte beantwortet sind, Nachstehendes aus:
a) Bei der Versammlung am 9. März 1941 in der "Post" in Schaan [14] handelte es sich um eine Besprechung mit dem Arbeitsamtsleiter von Bludenz, Herrn Josef Spirig, welcher die Leitung der volksdeutschen Bewegung ersuchte, liechtensteinische Arbeiter für Bludenz zu werben. Es handelte sich also um eine Angelegenheit im Interesse des liechtenst. Arbeiterstandes sowie um eine Frage der Entlastung des liechtenst. Arbeitsmarktes, was sich bestimmt nicht zum Nachteil des Landes ausgewirkt haben kann.
Beweis: Dr. Hermann Walser, Schaan,
Ing. Martin Hilti, Vaduz, als Zeugen.
b) Es ist richtig, dass ich am 2. Juni 1941 mit einem Teil der volksdeutschen Jugend eine Wanderung nach Gaflei unternahm und dabei, wie es auch bei anderen Jugendorganisationen üblich ist, nebst Turnspielen auch Marschübungen vornehmen liess. [15] Es waren keine Gäste in Gaflei und überdies fand die Veranstaltung im Beisein eines Polizisten, nämlich des Herrn Schutzmanns [Ernst] Kaiser statt, der mir versicherte, dass er absolut keinen Anstoss nehmen könne. Ich hatte vorher Herrn Wachtmeister Brunhart gebeten, er möge so freundlich sein und einen Polizisten nach Gaflei schicken, um sich davon zu überzeugen, dass es sich um eine rein sportliche Veranstaltung handle.
Beweis: Wachtmeister Brunhart,
Schutzmann Kaiser,
Willi Ender, Ebenholz, als Zeugen.
c) Es ist weiter richtig, dass ich am 7. September 1941 einen Ausflug nach Gafadura unternahm. [16] Auch hier handelte es sich um eine rein sportliche Veranstaltung ohne jeden politischen Nebenzweck. Wenn dabei mit erhobener Hand gegrüsst wurde, so handelte es sich nur um den Gruss: "Deutsch voran".
d) Das Erntedankfest vom 9. November im Hotel "Adler" in Vaduz fand, wie bereits erwähnt, nach vorheriger Einholung einer Regierungsgenehmigung statt und zwar als geschlossene Veranstaltung, nachmittags und in Anwesenheit der Eltern.
e) Es ist richtig und selbstverständlich, dass ich die Sportprogramme ausarbeitete, welche auf dem Sportplatz in Vaduz zur Ausführung kamen. Ich muss jedoch die Bezeichnung "Hitlerjugend" ablehnen, ebenso war der Zweck der Veranstaltungen absolut unpolitisch, was sich schon aus der öffentlichen Durchführung derselben ergibt.
f) Die angeblichen Behauptungen des Herrn [Karl] Kriener sind zum Teil unrichtig oder widersprechen sich. Es scheint mir ein Widerspruch zu sein, wenn er behauptet, ich hätte für einen totalen Anschluss Liechtensteins an Deutschland gearbeitet und wollte zu gleicher Zeit scheinbar Vice-Chef werden. Unrichtig ist die Darstellung, dass ich von dem Hitlerjugend-Bannführer in Innsbruck Instruktionen erhalten hätte, ebenso unrichtig die Behauptung, dass ich Hitlerjungenscharen zu Schulungskursen nach Innsbruck und nach dem Bregenzerwald geführt habe. Richtig ist lediglich, dass einzelne Mitglieder der volksdeutschen Jugend, die aber nicht mehr schulpflichtig waren, an Schulungskursen in Werkarbeit und Körperertüchtigung teilnahmen. Wenn Herr Kriener sagt, ich hätte bei der Gestapo glaublich keine Decknummer gehabt, so ist das zweifellos der beste Beweis dafür, dass ich kein sog. Vertrauensmann oder Nachrichtenagent für die Gestapo gewesen bin. Mit dem Sicherheitsdienst in Bregenz stand ich in keiner Verbindung, wie es auch unrichtig ist, dass ich für einen totalen Anschluss Liechtensteins an Deutschland gearbeitet haben soll. Die Stellung des Herrn [Gottlob] Wandel, um den es sich hier offenbar handelt, war übrigens viel zu unbedeutend, als dass mit ihm derartige Fragen hätten erörtert werden können.
Beweis: Dr. Sepp Ritter, Schaan, als Zeuge.
g) Auf den Verkehr mit Herrn Wandel bezieht sich auch die angebliche Aussage von Fräulein [Brunhilde] Grutsch. [17] Ich war dreimal mit Herrn Dr. Sepp Ritter bei Herrn Wandel. Die Besprechungen drehten sich um die Gewinnung von Künstlern zur Durchführung von Konzerten in Vaduz, ähnlich denjenigen, die Herr [Hans] Blessin gegeben hatte. Die Verdächtigung über meine "anscheinenden" Absichten sowie die Behauptung, ich hätte eine Decknummer gehabt, muss ich als unwahr und erfunden zurückweisen.
h) Die Aussagen des Herrn Eberhart Stemmberger können von einer objektiven Behörde auch nicht als der Schatten eines Beweises gegen mich gewertet werden. Es handelt sich hier um reine Vermutungen, die offenbar vollständig aus der Luft gegriffen sind. [18]
i) Auch die Äusserung von Fräulein [Regina] Fleisch ist vollkommen bedeutungslos und kann in keiner Weise eine Belastung für mich im Sinne der Anklage darstellen.
k) Die am Schlusse des Polizeiberichts erwähnte Beschuldigung [von] N.N. ist nichts anderes als eine grundlose Verdächtigung, die ich entschieden zurückweisen muss. [19] Zur Feststellung des bezüglichen Sachverhaltes verweise ich Sie an die Firma Maschinenbau Hilti in Schaan.
Der ganze Polizeibericht bietet nicht die geringste Handhabe dafür, dass ich eine gesetzwidrige Handlung begangen hätte mit Ausnahme der darin erwähnten Übertretung des Marschverbotes, für die ich jedoch bereits bestraft worden bin, sodass nach normalen Rechtsgrundsätzen eine neuerliche Bestrafung nicht in Frage kommen kann.
Aus meinem obigen Tatsachenbericht ergibt sich zusammenfassend im Gegensatz zur Anklage, dass es als Leiter der volksdeutschen Jugend stets mein Bestreben war, Helfer der abseits gedrängten Jugend zu sein, dass ich bemüht war, sie unter strikter Beobachtung der bestehenden Gesetze und unter Wahrung von straffer Disziplin und Ordnung zu fördern und im Sinne der Bodenständigkeit und Heimatliebe zu erziehen. Die Behauptung, dass ich die gesamte liechtenst. Jugend zum Nationalsozialismus zu verführen suchte, ist abwegig. Dies ergibt sich aus meinen Ausführungen und aus der Tatsache, dass ich nie den Versuch machte, weder bei Gross noch bei Klein, für unsere Organisation zu werben. Der Beitritt erfolgte ausnahmslos freiwillig.
Ich muss es als ungerecht empfinden, wenn der Hohe Landesschulrat mich für meine Arbeit innerhalb der volksdeutschen Jugend, die er damals billigte, längst nach der Auflösung der Organisation zur Rechenschaft zieht, ohne mir eine tatsächliche Verletzung der bestehenden Gesetze zur Last legen zu können.
Ich ersuche daher den Hohen Landesschulrat höflichst, bei der Würdigung meiner Rechtfertigung sich von dem tatsächlichen Sachverhalt zu überzeugen. Es wäre ein Unrecht, mich nach 26jähriger treuer Pflichterfüllung im Dienste der liechtensteinischen Schule ein Opfer der gegenwärtigen politischen Strömung werden zu lassen, mich wirtschaftlich zu ruinieren und damit nicht nur mich, sondern auch meine Familie vor ein Nichts zu stellen. Ich muss es ohnehin als eine unverdiente und grosse Härte empfinden, dass mir der Hohe Landesschulrat als Erstem und Einzigem in der liechtenst. Lehrergeschichte trotz guter Schulführung die Oberlehrerzulage verweigert hat. Dies bedeutet für mich nebst der materiellen Schädigung eine moralische Zurücksetzung. Die Vernichtung einer Familie aus in unserem Lande absolut nicht gegebenen "Vergeltungsgründen" entspräche auch nie den Grundsätzen des Rechts und der Religion in Liechtenstein.
Nach Art. 40 der liechtensteinischen Verfassung [20] hat jedermann das Recht, durch Wort und Schrift innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit seine Meinung frei zu äussern und seine Gedanken mitzuteilen. Meine Zugehörigkeit zu einer politischen Partei und meine Betätigung in derselben kann mir also nicht zum Vorwurf gemacht werden, solange ich nicht eine bestehende gesetzliche Bestimmung übertrete. Ich bin mir nicht bewusst, durch mein Verhalten eine Gesetzesverletzung, welche für die Einleitung eines Disciplinarverfahrens notwendige Voraussetzung ist, begangen zu haben. Und zwar auch nicht eine Übertretung des Art. 113 Ziff. 3 des Schulgesetzes. [21] Denn mein Bestreben war es immer, durch Wort und Beispiel die Erziehung und Charakterbildung der Jugend zu fördern und es kann mir kein Tatbestand vorgeworfen werden, welcher eine Übertretung nach Art. 113 Ziff. 3 bedeuten würde.
Im Vertrauen auf eine gerechte Beurteilung und objektive Würdigung meiner Ausführungen, [22] zeichne ich
in vorzüglichster Hochachtung