Die Schweiz verlangt, dass Liechtenstein künftig Hilfsaktionen zugunsten von Liechtensteinern in Österreich in Schweizer Franken bezahlt


Dringliche Note des Eidgenössischen Politischen Departements an die Gesandtschaft in Bern [1]

15.4.1947, Bern

Unter Bezugnahme auf die seinerzeit geführte Korrespondenz betreffend die Frage der Lebensmittelversorgung der liechtensteinischen Staatsangehörigen im Ausland [2] beehrt sich das Eidgenössische Politische Departement, der Fürstlich Liechtensteinischen Gesandtschaft folgendes mitzuteilen:

Auf Wunsch der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung hatte die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz– und Polizeidepartements bereits im Oktober 1944 den in Betracht kommenden schweizerischen Auslandsvertretungen die Weisung erteilt, die in deren Amtskreis niedergelassenen liechtensteinischen Staatsangehörigen bei der Abgabe von Lebensmitteln, Kleidern, Schuhen und Medikamenten, die aktionsweise aus der Schweiz geliefert wurden, gleich zu behandeln wie die Schweizerbürger. Die liechtensteinischen Empfänger bezahlten den Schweizerischen Auslandsvertretungen für die in Schweizerfranken erworbenen und an sie verteilten Waren einen Kaufpreis in der Währung des betreffenden Landes; sofern es sich um bedürftige Personen handelte, stellte die Polizeiabteilung der Fürstlichen Regierung, die sich mit Schreiben vom 3. November 1944 ganz allgemein bereit erklärt hatte, für die Kosten dieser Hilfsaktionen aufzukommen, [3] Rechnung in Schweizerfranken.

Wie sich inzwischen bei der Durchführung dieser Hilfsaktionen in Österreich herausstellte, hat der zur Anwendung gelangende Verrechnungsmodus zu verschiedenen Unzukömmlichkeiten geführt. Vor allem sind dabei Auslandsguthaben entstanden, die für die betreffenden schweizerischen Behörden keine oder nur sehr beschränkte Verwendungsmöglichkeiten bieten. Abgesehen davon sind aus der Berechnung des Verkaufspreises zum Kurs von 1 Schilling = 1 Schweizerfranken, der in keiner Weise den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprach, nicht unbeträchtliche Verluste erwachsen. Nach Auffassung der schweizerischen Behörden kann daher eine Fortführung der Hilfsaktionen für liechtensteinische Staatsangehörige in Österreich nur verantwortet werden, wenn die Leistung des vollen Gegenwerts der für den Ankauf der fraglichen Waren ausgelegten Frankenbeträge sichergestellt würde. Sie würde es daher begrüssen, wenn ab 1. Mai 1947 folgender Verrechnungsmodus angewendet wird: Für sämtliche an liechtensteinische Staatsangehörige in Österreich zur Verteilung gelangenden Waren wird schweizerischerseits der Fürstlichen Regierung Rechnung in Schweizerfranken gestellt werden, ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei den liechtensteinischen Empfängern um bedürftige Personen handelt oder um solche, die in der Lage sind, die erhaltenen Waren zu bezahlen. Die Schweizerischen Auslandsvertretungen sind indessen bereit, bei den liechtensteinischen Empfängern nach wie vor das Inkasso in Schillingen zu besorgen und die eingenommenen Beträge der Fürstlichen Regierung gutzuschreiben. Die schweizerischen Stellen hätten andererseits nichts dagegen einzuwenden, wenn die Fürstliche Regierung die Schillingbeträge durch eigene Vertrauensleute einziehen lassen möchte.

Das Politische Departement wäre der Fürstlichen Gesandtschaft verbunden, wenn sie ihm das Einverständnis der Fürstlichen Regierung zu Vorstehendem bestätigen wollte. [4]

Anlässlich einer Kontrolle wurde festgestellt, dass an die schweizerischen Vertretungen in Österreich wiederholt von der Fürstlichen Regierung oder ihren Vertrauensleuten Schillingbeträge für die an liechtensteinische Staatsangehörige verteilten Waren überwiesen worden sind. Im Sinne der seinerzeitigen schweizerischen Mitteilungen behalten sich die zuständigen schweizerischen Behörden vor, gegebenenfalls für die diesen Beträgen entsprechenden Warenlieferungen, die nicht von den liechtensteinischen Empfängern selbst bezahlt wurden, der Fürstlichen Regierung in Schweizerfranken Rechnung zu stellen und ihr andererseits die einbezahlten Schillingbeträge wieder zur Verfügung zu stellen.

Das Departement benützt gerne auch diesen Anlass, um die Fürstliche Gesandtschaft seiner ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

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[1] LI LA V 143/2523 (b). Aktenzeichen: B.24.Liecht.23.- UN. Eingangsstempel der Gesandtschaft: 17.IV., No 526/47. Handschriftlicher Vermerk der Gesandtschaft: "Antwort Reg. abwarten". Die Gesandtschaft sandte der Regierung am 17.4.1945 einen Durchschlag der Note zu (LI LA V 143/2523, Gesandtschaft an Regierung, 17.4.1945; LI LA RF 235/236, Gesandtschaft an Regierung, 17.4.1945).
[2] Vgl. LI LA V 143/2523 (a).
[3] LI LA RF 226/454/011.
[4] Zur Antwort der Regierung vgl. LI LA V 143/2523 (c).