Urteil des Obergerichts, gez. Obergerichtspräsident Jakob Eugster und Schriftführer Alois Beck [1]
10.2.1947
Urteil:
Im Namen seiner Durchlaucht, des Landesfürsten:
Das Fürstlich Liechtensteinische Obergericht
hat in seiner
öffentlichen Sitzung vom 10. Februar 1947,
an welcher teilnahmen die Herren Präsident Dr. Eugster, die Richter Dr. [Martin] Schreiber, [Hugo] Büchel, [Johann Josef] Malin und [Alois] Kind und Schriftführer Beck,
in der Strafsache
gegen
Dr. Alfons Goop, geb. 15.10.1910 in Schellenberg, dort zust., rk., verh., Sohn des Karl und der Seraphina geb. Marxer, früher Sekundarlehrer in Eschen,
Angeklagter und Berufungsgegner,
verteidigt durch Dr. Arthur Ender, Rechtsanwalt in Feldkirch,
wegen Verbrechens des Hochverrates nach § 58 St.G. [Strafgesetz] [2]
nach in Anwesenheit des Vertreters der Fürstl. Staatsanwaltschaft a.o. Staatsanwalt Dr. Karl Eberle, des Angeklagten und seines Verteidigers öffentl. durchgeführter Verhandlung über die Berufung der Staatanwaltschaft gegen das Urteil des fürstl. Land- als Kriminalgerichtes vom 25. Okt. 1946, [3] nach Prüfung der Akten
zu Recht erkannt:
1.) Der Berufung wird Folge gegeben, und in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils erkannt: Der Angeklagte
ist schuldig
er habe im Juni 1940 vorerst als Stellvertreter und dann als Nachfolger des nach dem Putschversuch vom März 1939 ausser Landes geflohenen Ing. Theo Schädler, die Landesleitung der Volksdeutschen Bewegung Liechtensteins (VDBL) übernommen und diese Tätigkeit ausgeübt bis zu seiner Ausreise nach Deutschland und seinem Eintritt in die Deutsche SS., also von 1940-43;
er habe die VDBL neu organisiert und deren bisherige Ziele, den wirtschaftlichen und politischen Anschluss an Deutschland weiter verfolgt;
er habe einen Führerstab gebildet, welchem er nach dem Führerprinzip vorstand und die massgebenden Entscheidungen selbständig, unter alleiniger eigener Verantwortung getroffen;
er habe durch die Weiterführung der früheren Tätigkeit der VDBL, durch Abhaltung von Versammlungen, Herausgabe von Schulungsblättern und Mitteilungsblättern, Schulungen in kleineren Zirkeln während dem Bestehen eines Versammlungsverbotes, die Mitglieder der Bewegung geistig und politisch für den Nationalsozialismus begeistert und für die Verbindung mit Deutschland vorbereitet;
er habe die Organisation von "Sportabteilungen" betrieben, welche die Funktion eines Sicherheitsdienstes hatten und welche für eventuell eintretende Notwendigkeit zur Verfügung stehen sollten;
er habe Verbindungen mit dem deutschen Nachbarland gesucht und angeknüpft, über die Ziele, Organisation und Arbeit der VDBL, Berichte nach Deutschland gegeben und am 7. März 1941 für die "glückliche und reibungslose Zusammenarbeit mit den Stellen des Reiches einen Stellvertreter in Auslandsangelegenheiten" ernannt; [4]
er habe durch Schaffung eines eigenen Kampfblattes "Der Umbruch", der Übernahme der Leitung des Redaktionsstabes und durch Verfassung der meisten politischen Artikel in dieser Zeitung die Bevölkerung Liechtensteins nationalsozialistisch beeinflusst und für den früheren oder späteren "Anschluss" reif zu machen versucht, in Kenntnis, dass ein Anschluss an Deutschland die Unabhängigkeit und Souveränität des Landes einschränken oder vernichten würde, also mit der Verfassung unvereinbar wäre. Dies geschah durch die Herausgabe und Mitarbeit in der Redaktion des "Umbruch" allgemein, als insbesondere und beispielsweise durch die nachfolgend bezeichneten Artikel in
Nr. 1 "Umbruch und Neuordnung" [5]
11 "Wir stehen vor der Entscheidung"
11 "Die VDBL fordert sofort" [6]
16 "Vielleicht einander Mal, warten wir ab" [7]
19 "Die Rede unseres Führers" [8]
27 "Der Gruss in Liechtenstein ist der deutsche Gruss" [9]
29 "Auch Jugoslavien ist mit Deutschland verbündet" [10]
33 "Dies liebe Heimatland" [11]
35 "Neutralität oder dumme Frechheit" [12]
39 "Liechtenstein und die Neuordnung" [13]
39 "Dem Siege entgegen" [14]
46 "Niemand entrinnt der Entscheidung" [15]
47 "Die verblendeten Nachläufer" [16]
47 "Deutsche Jugend" [17]
48 "An die Unbelehrbaren und Dunkelmänner" [18]
50 "Als Gemeinschaft sind wir stark" [19]
51 "Volksdeutsche Prinzipien von gestern und heute" [20]
55 "Liechtenstein erwache" [21]
57 "Wir stehen zu Deutschland" [22]
62 "Lehrer im Volksdeutschen Kampf" [23]
80 "Hoffnungsloser Fall" [24]
93 "Theorie und Praxis" [25]
100 "Die Front grüsst die Heimat" [26]
121 "Also doch" [27]
161 "Unser Beitrag" [28]
162 "Unser Beitrag" [29]
180 "Sehen wir ihn genau an" [30]
184 "Die völkische Idee des Volksdeutschen" [31]
195 "Die ideelle Vollwertigkeit" [32]
196 "Was soll noch werden" [33]
Er habe dadurch auf entferntere Weise etwas unternommen, was auf eine Herbeiführung oder Vergrösserung einer Gefahr für den Staat von aussen angelegt war und dadurch das Verbrechen des Hochverrates nach § 58 c StG. begangen.
Er wird hierfür gemäss § 59 lit. b Abs. 2 StG. unter Anwendung von § 210 StPO [Strafprozessordnung] [34] und Art. 31 Zl. 9 des Gesetzes vom 1. Juni 1922 LGBl. 21
zum schweren Kerker in der Dauer von 2 ½ Jahren,
verschärft durch ein hartes Lager halbjährlich, und zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens und des Vollzuges verurteilt. Auf die Strafe wird die erlittene Untersuchungshaft angerechnet.
Nach dem Gesetz vom 1. Juni 1922 LGBl. 21 wird die Kerkerstrafe in Zuchthaus umgewandelt. Sie ist in der Strafanstalt St. Gallen zu verbüssen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens bestehend in einer Urteilsgebühr von Fr. 100.-- und einem Tageskostenbeitrag von Fr. 200.-- bezahlt der Angeklagte.
Gründe:
1. Die Anklage gegen Dr. Alfons Goop erfolgte ursprünglich wegen Verbrechens des Hochverrates nach § 58 lit. b und c StG., wegen Verbrechens des politischen Nachrichtendienstes nach Art. 2 des Gesetzes vom 17. März 1937 [35] und wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe nach § 65 lit. c StG., begangen durch die im Anklagetenor näher bezeichneten Handlungen. Das fürstl. Kriminalgericht hat mit Urteil vom 25. Oktober 1946 den Angeklagten auf der ganzen Linie gemäss § 201 Zl. 3 StPO freigesprochen. Hinsichtlich der Tatbestände nach § 58 lit. b und c und § 65 lit. a und c StG. erfolgte der Freispruch mangels Tatbestandes, während der Tatbestand des Verbrechens des verbotenen Nachrichtendienstes nach Art. 2 des Gesetzes vom 17. März 1937 zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht als erfüllt, die Strafverfolgung dagegen nach § 227 StG. als verjährt erachtet wurde.
2. Gegen dieses Urteil hat die fürstl. Staatsanwaltschaft die Berufung ergriffen mit dem Antrage, der Angeklagte sei in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Hochverrates im Sinne von Ziff. 1 der Anklage (Verbrechen nach § 58 lit b und c StG.) schuldig zu sprechen und zu bestrafen. Als Berufungsgründe werden geltend gemacht unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige Anwendung des Strafgesetzes. Hinsichtlich des Ausspruches über die Anklage wegen verbotenen Nachrichtendienstes nach Art. 2 des Gesetzes vom 17. März 1937 und des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe nach § 65 lit a und c StG. ist das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten worden. Die Staatsanwaltschaft macht geltend, die Handlungen des Angeklagten seien auf eine gewaltsame Änderung der Regierungsform angelegt gewesen. Die Tatsache, dass der Angeklagte sich bei verschiedenen Gelegenheiten geäussert habe, der Anschluss an Deutschland habe auf dem Wege über die verfassungsmässigen Instanzen, Fürst [Franz Josef II.] und Volk, zu erfolgen, sei nichts anderes als eine geschickte Tarnung der eigentlichen Absichten, die auf einen gewaltsamen Anschluss gerichtet gewesen seien, gewesen. Sie seien aber auch entgegen der Annahme der Vorinstanz auf die Herbeiführung oder Vergrösserung einer Gefahr für den Staat von aussen oder eine Empörung im Innern angelegt gewesen.
Die Verteidigung des Angeklagten beantragt, das Obergericht wolle in nicht öffentlicher Sitzung die Berufung verwerfen, allenfalls nach durchgeführter Berufungsverhandlung und Vernehmung der beantragten Zeugen und Prüfung der weiter angebotenen Beweise der Berufung den Erfolg versagen und das erstrichterliche Urteil bestätigen. [36] Der Vertreter der Anklage habe im erstinstanzlichen Verfahren anerkannt, dass der Anklagepunkt in der Richtung, der Angeklagte habe auf eine gewaltsame Änderung der Regierungsform hingearbeitet, nicht aufrecht erhalten werden könne. Dr. Goop habe sich stets auf den Standpunkt gestellt, ein wirtschaftlicher oder politischer Anschluss könne nur mit dem Fürsten und im Rahmen der Gesetze und der Verfassung gelöst werden. Die Behauptung, es habe sich nur um eine geschickte Tarnung gehandelt, stehe beweislos da, das Verhalten des Angeklagten beweise das Gegenteil. Seine Bestrebungen seien auch nicht auf eine Herbeiführung oder Vergrösserung einer Gefahr gerichtet, und seine Handlungen mit Rücksicht auf die Tendenz des Dritten Reiches auch nicht geeignet gewesen, eine heute behauptete Gefahr von aussen zu vergrössern; es könnte mit derselben Berechtigung auf das Gegenteil geschlossen werden.
3. Die Ergebnisse des Beweisverfahrens sind in tatsächlicher Richtung im kriminalgerichtlichen Urteile objektiv zutreffend und erschöpfend wiedergegeben. Die Sachverhaltsdarstellung wird denn auch von der Berufungswerberin keineswegs als objektiv unrichtig angefochten, sondern lediglich die Schlussfolgerungen, welche des Erstgericht mit Bezug auf den objektiven und subjektiven Tatbestand daraus zieht. Es kann daher hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhaltes und die Sachverhaltsdarstellung auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen werden.
4. Nachdem die Berufung sich auf den Ausspruch des Erstgerichtes über die Tatbestände nach § 58 lit b und c StG. beschränkt, hat das Berufungsgericht lediglich zu untersuchen, ob der Angeklagte durch seine Handlungen etwas unternommen habe, was auf eine gewaltsame Veränderung der Regierungsform oder auf die Herbeiführung oder Vergrösserung einer Gefahr von aussen oder eine Empörung im Innern angelegt war. Das Erstgericht hat das Vorliegen beider Tatbestände verneint.
a.) Hinsichtlich der Begehungsform nach § 58 lit b StG. hat das Kriminalgericht in durchaus zutreffender Würdigung des Beweisergebnisses als erwiesen angenommen, dass der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Landesleiter der VDBL, für welche er anerkannt hat, die volle Verantwortung zu tragen, soweit es sich nicht um Ausschreitungen derselben handle, den Totalanschluss Liechtensteins an das Deutsche Reich angestrebt hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichtes sind in diesem Punkt in objektiver wie in subjektiver Beziehung zutreffend und schlüssig. Der angestrebte Anschluss an Deutschland, auch wenn es sich nur um einen wirtschaftlichen Anschluss gehandelt hätte, hätte zweifellos die Aufgabe der Selbständigkeit des Landes, also eine grundlegende Änderung der Regierungsform, ein Totalanschluss a fortiori den Untergang der Souveränität des Fürsten und den Verlust der bisherigen verfassungsmässigen Rechte des Volkes zur unmittelbaren Folge gehabt. Dagegen erachtete es den Beweis dafür nicht als erbracht, dass das Unternehmen auf eine gewaltsame Änderung der Regierungsform angelegt gewesen wäre. Die Anklage erblickt hierhin eine unrichtige Beweiswürdigung und eine unrichtige Anwendung des Gesetzes.
Das fürstliche Obergericht schliesst sich indessen in diesem Punkte dem erstrichterlichen Urteile aus dessen zutreffenden Erwägungen an. Wohl waren die Handlungen des Angeklagten an sich durchaus geeignet, zu einer gewaltsamen Veränderung der Regierungsform zu führen, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass das vom Angeklagten angestrebte Ziel des Totalanschlusses an Deutschland keine Aussicht gehabt hätte, auf verfassungsmässigem Wege (Art. 111 und Art. 64 ff. der Verfassung) [37] erreicht zu werden. Es besteht auch der dringende Verdacht, dass das dem Angeklagten bewusst war, und dass er auch eine gewaltsame Veränderung der Regierungsform in Kauf genommen hätte. Dieser Verdacht drängt sich besonders auf aus ON [Ordnungsnummer] I D, wo der Angeklagte, der nachgewiesenermassen den Totalanschluss an das Deutsche Reich anstrebte, selbst ausführt, es sei die Forderung nach einem Wirtschaftsvertrag mit dem Reiche aufgestellt worden "um der Behörde gegenüber ein einwandfreies Statut zu besitzen". [38] Ähnliches ist zu entnehmen aus ON I G, wo er sagt, die Bewegung habe in ihrer schriftlichen Propaganda diesen Standpunkt (totaler Anschluss als Endziel) bisher nicht offen vertreten, weil nach Auffassung der Leitung der VDBL die Lösung der Liechtensteinerfrage in erster Linie eine Angelegenheit des Reiches sei; aus dem gleichen Schriftstück geht auch hervor, dass der Angeklagte erkannte, dass "bei einer starken Betonung des Anschlussgedankens sich gewaltsame Lösungen dieses Problems durch die VDBL herausschälen" könnten, "die eines Tages die Führung des Reiches zu irgend einer Stellungnahme zwingen müssten". Sodann führt er im gleichen Schriftstücke aus, der Bewegung sei eine öffentliche Tätigkeit auch mit einer Presse in dem Momente unmöglich, wenn sie den Anschlussgedanken in seiner endgültigen Formulierung als Totalanschluss vertrete, "weil das selbstredend gegen die Verfassung verstösst und als sogenannter 'Landesverrat' gewertet werden müsste". [39]
Diese Ausführung des Angeklagten vom Jahre 1941 scheinen in der Tat der Auffassung des Anklagevertreters recht zu geben, der es nur für eine geschickte Tarnung hält, wenn sich Dr. Goop bei anderen Gelegenheiten "auf den verfassungsmässigen Standpunkt gestellt" habe.
Nun ergibt sich aber aus dem übrigen Inhalte der Akten und dem Beweisergebnis, dass der Angeklagte sich bei verschiedensten Gelegenheiten eindeutig dahin geäussert hat, dass über einen Anschluss und über eine Veränderung der Regierungsform die verfassungsmässigen Instanzen, Fürst und Volk, zu entscheiden hätten. Das erhellt insbesondere aus dem Schriftwechsel zwischen dem Angeklagten und seinem Vertrauten Dr. [Hermann] Walser, I E und I F, in welchem der Angeklagte keinerlei Rücksicht auf Dritte zu nehmen hatte und wo er gefahrlos seiner wirklichen Überzeugung Ausdruck geben konnte. [40] In gleicher Weise, nämlich dass er legal vorgehen und nichts dem Gesetze Widersprechendes vornehmen werde, äusserte er sich gegenüber dem Zeugen Dr. [Alois] Vogt und in der interparteilichen Besprechung vom 12. Okt. 1940 (ON 44). [41] Das Erstgericht bemerkt mit Recht, dass auch keinerlei diesen Erklärungen widersprechende Handlungen nachgewiesen werden konnten. Es stehen sich demnach diese ihrem Sinne nach nicht ohne weiteres übereinstimmenden Äusserungen des Angeklagten gegenüber. Dabei ist zu beachten, dass die Ausführungen des Angeklagten in ON I D und G doch theoretischer Natur sind und jedenfalls nicht auf eine unmittelbar beabsichtigte, gewaltsame Aktion schliessen lassen. Da der Angeklagte überdies im ganzen Verfahren eine Absicht auf ein anders geartetes als verfassungsmässiges Vorgehen entschieden in Abrede stellt, ist der Tatbestand in subjektiver Beziehung nicht als zur vollen richterlichen Überzeugung erstellt anzusehen. Es bestehen diesbezüglich immerhin ernsthafte Zweifel, was nach dem Grundsatze in dubio pro reo dazu führen muss, den Tatbestand nach § 58 lit b StG. nicht als erfüllt anzusehen.
b.) Anders verhält es sich hinsichtlich des Tatbestandes nach § 58 lit. c StG. Darnach macht sich des Hochverrates schuldig, wer etwas unternimmt, was auf die Herbeiführung oder Vergrösserung einer Gefahr für den Staat von Aussen oder eine Empörung im Innern angelegt war.
Mit Recht hat das Erstgericht angenommen, dass der Beweis dafür nicht zu erbringen war, dass die Tätigkeit des Angeklagten auf eine Empörung angelegt war. Empörung ist begrifflich die gewaltsame Auflehnung gegen die gesetzmässige Staatsgewalt. Nun ist aber bereits oben ausgeführt worden, dass der Nachweis dafür nicht rechtsgenüglich erbracht ist, dass die Handlungen des Angeklagten auf eine gewaltsame Änderung der Regierungsform angelegt waren. Das gleiche gilt auch mit Bezug auf die Beweislage hinsichtlich der Bestrebungen im Innern des Landes. Im Zweifel muss auch hier zugunsten des Angeklagten angenommen werden, er habe seine innenpolitischen Ziele nicht unmittelbar auf gewaltsame Weise zu erreichen beabsichtigt.
Das Erstgericht hat auch angenommen, das zwar wohl das nationalsozialistische Deutschland an sich schon eine Gefahr von aussen für den Bestand Liechtensteins bedeutete, doch habe diese Gefahr ganz unabhängig von der VDBL und ihrem Landesleiter bestanden, ohne dass dieser zu ihrer Herbeiführung etwas tun musste oder konnte. Auch sei diese Gefahr nach Überzeugung des Gerichts nicht vergrössert worden, denn das Deutsche Reich sei an den Vorgängen in Liechtenstein nicht derart interessiert gewesen, wie die Vorkämpfer für den Anschluss geglaubt und gewünscht hätten. In diesem Punkte kann das Berufungsgericht der Vorinstanz nicht folgen.
Wohl ist es richtig, dass vom nationalsozialistischen Deutschland dem Lande eine ernste Gefahr für seinen Bestand drohte, auch unabhängig von der VDBL und ihrem Landesleiter. Dagegen kann es einem Zweifel nicht unterliegen, dass das Bestehen einer nationalsozialistischen Organisation und deren Tätigkeit im Innern des Landes mit den bekannten Zielen der Angleichung der politischen Verhältnisse und der gesamten Gesetzgebung an jene Deutschlands mit dem Endziel des Totalanschlusses parallel und neben der schon bestehenden Gefahr ebenfalls eine solche bedeutete, zum mindesten aber auf eine Vergrösserung dieser bereits bestehenden Gefahr angelegt war, ja dieselbe tatsächlich auch vergrösserte. Das ganze Unternehmen war jedenfalls darauf angelegt, den totalen Anschluss durch die Schaffung günstiger Voraussetzungen leichter zu ermöglichen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Existenz solcher Bewegungen und Bestrebungen mit ihren Neben- und Folgeerscheinungen vom nationalsozialistischen Deutschland wiederholt zum äussern Anlasse genommen wurde, andere Länder und Gebiete sich anzuschliessen und sich dienstbar zu machen, so Österreich, das Sudetenland, die Tschechoslowakei, Polen, Norwegen, Dänemark. Bei dem allgemein bekannten Machtanspruche des Reiches in jener Zeit musste daher schon die Existenz einer solchen Organisation die bereits bestehende Gefahr vergrössern. Der geringste wirkliche oder scheinbare Zwischenfall oder Reibungen mit dem vaterlandstreuen Volksteile konnten vom Reich zum äusseren Anlass für ein Einschreiten genommen werden, wie das andernorts auch tatsächlich geschah. Nun kommt aber dazu, dass zur Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich ist, dass die Gefahr tatsächlich herbeigeführt oder vergrössert wurde. Es genügt, wenn die Handlungen auf die Vergrösserung der Gefahr auch nur angelegt sind, auch wenn sie ohne Erfolg geblieben wären.
Der Angeklagte musste sich aber auch bewusst sein, dass seine Handlungen geeignet und darauf angelegt waren, die bestehende Gefahr zu vergrössern. Es kann ein Zweifel darüber nicht bestehen, dass er dank seiner Bildung und seiner Intelligenz diese Einsicht hatte und haben musste, ergibt sich doch aus seinen eigenen Depositionen, dass er sich in eingehender Weise mit dem Problem des Anschlusses und mit dem politischen Geschehen jener Zeit beschäftigte und dass er auch über die politischen Vorgänge im Auslande durchaus im Bilde war. Dass er sich bewusst war, durch die VDBL den Anschluss, der zum Untergang des Landes als selbständiges Staatswesen führen musste, mindestens zu erleichtern, geht u.a. auch unzweideutig hervor aus seinem Aufsatz "Liechtenstein das letzte Reichsfürstentum" ON I G. Dort schreibt er auf Seite 7, warum die Bewegung in der schriftlichen Propaganda den Totalanschluss bisher nicht offen vertreten habe, nämlich, weil die Lösung der Liechtensteinerfrage in erster Linie Sache des Reiches sei, dass dieses nicht durch die VDBL, etwa durch eine starke Betonung des Anschlussgedankens, eines Tages zu einer Stellungnahme gezwungen würde und dass die innere Vorbereitung für den Zeitpunkt, wo die Entscheidung wirklich fallen werde, wichtiger sei. Er fügt dann bei, dass diese im Februar 1941 bestehende Situation sich je nach den Umständen ändern könne. Hieraus erhellt klar, dass die ganze Tätigkeit des Angeklagten in der VDBL darauf angelegt war, die Bedingungen für den Anschluss zu verbessern, denselben auf eine je nach den Umständen geeignet scheinende Weise zu fördern und eine solche Entscheidung zu erleichtern.
Der Angeklagte war das geistige Haupt der VDBL und deren verantwortlicher Leiter. Diese Bewegung aber war nichts anderes als die Fortsetzung der im Jahre 1938 gegründeten gleichnamigen Bewegung. Dr. Goop hat vorerst deren Leitung als Stellvertreter des Ing. Schädler übernommen. Ing. Schädler war aber Landesleiter der im Jahre 1938 gegründeten Bewegung, die auch im Jahre 1939 den bekannten Putschversuch durchführte. Nach dem Rücktritte Schädlers übernahm der Angeklagte selbst die Landesleitung. Die Zielsetzung der Bewegung war auch unter seiner Leitung und Verantwortung durchaus dieselbe und im wesentlichen auch die Organisation. Noch im Jahre 1939 sprach man von einem wirtschaftlichen Anschluss, während unter der Leitung des Angeklagten das nachgewiesenermassen angestrebte Ziel eindeutig der totale Anschluss war. Was geändert wurde, war lediglich die Taktik. Es sei in diesem Zusammenhange verwiesen auf die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu diesem Punkte.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Einrichtung eines Sicherheitsdienstes in Form einer Sportabteilung, um sie für eventuelle eintretende Notwendigkeit zur Verfügung zu haben (ON I D).
Dem gleichen Zwecke diente ferner die Ernennung eines Stellvertreters in Auslandsangelegenheiten für die "glückliche und reibungslose Zusammenarbeit mit den Stellen des Reiches". Ganz besonders aber auch die Abgabe von Berichten über Arbeit, Ziele und Organisation der VDBL nach Deutschland (ON I B, I D und I G). [42] Auch diese Berichte waren zweifellos auf eine Vergrösserung der bestehenden Gefahr angelegt und liegen in der gleichen Linie wie die übrige Tätigkeit des Angeklagten in der VDBL.
In den gleichen Zusammenhang gehört aber auch die Tätigkeit des Angeklagten als Redaktor und massgebender Mitarbeiter beim Kampfblatt "Der Umbruch". Die von ihm verfassten und dort veröffentlichten Artikel bezweckten offensichtlich nichts anderes, als die Bestrebungen der VDBL zu fördern, die geistigen Grundlagen für die Bestrebungen derselben zu schaffen und zu verstärken und die Leser für den früheren oder späteren Anschluss reif zu machen, wenn auch die darin enthaltene Kritik nicht als eigentliche Aufreizung gegen die bestehende Ordnung und gegen die Regierung angesehen werden mag. Die Mitarbeit am "Umbruch" darf nicht isoliert für sich, sondern im Zusammenhang mit der übrigen Tätigkeit und Bestrebungen des Angeklagten betrachtet werden. So betrachtet war auch diese Tätigkeit auf die Vergrösserung der für den Staat von aussen bestehenden Gefahr angelegt und auch dazu geeignet.
Dass die VDBL mit ihrer bekannten Zielsetzung eine Vergrösserung der bestehenden Gefahr bedeutete oder zum mindesten auf eine solche angelegt war, und somit auch die Tätigkeit des Angeklagten in dieser Bewegung, ergibt sich auch daraus, dass die Bewegung schon im Jahre 1939 zu dem bekannten Putschversuche geführt hatte, eben weil die weniger gewandten Anhänger derselben in primitiver Weise aus den Bestrebungen der Bewegung ihre Schlussfolgerung zogen, und allerdings zu einem für diesen Zweck ungünstigen Zeitpunkte das Ziel der Bewegung erreichen wollten. Da sich im Grunde auch nach Übernahme der Leitung durch den Angeklagten nichts wesentliches an der Bewegung änderte, musste die gleiche Gefahr auch später weiter bestehen, zumal der Angeklagte nicht damit rechnen konnte, gegebenenfalls die Entwicklung zu beherrschen und in der Hand zu behalten. Der intelligente, geschichtlich und politisch geschulte Angeklagte musste sich aber auch in Kenntnis der Vorgänge bei Einverleibung anderer Staaten in das nationalsozialistische Deutschland bewusst sein, dass ein solcher Anschluss sich unmöglich auf verfassungsmässigem und gesetzlichem Wege und frei von äusserem Drucke von Seite des Reiches würde vollziehen können.
Gestützt auf diese Erwägungen erachtet das Berufungsgericht den Tatbestand des Hochverrates nach § 58 lit c StG. als erfüllt. Da es sich indessen bei den Handlungen des Angeklagten um entferntere Vorbereitungshandlungen handelte, war der Strafsatz nach § 59 Abs. 2 anzuwenden.
Strafmindernd wurde der bisher gute Leumund des Angeklagten berücksichtigt sowie der Umstand, dass er in einer gewissen Verblendung durch die nationalsozialistische Propaganda gehandelt haben mag und daher die Verwerflichkeit zu seiner Handlungsweise nicht im vollen Umfange zu ermessen vermochte, wie denn auch die Verhandlung vor dem Obergerichte gezeigt hat, dass er auch heute noch in nationalsozialistischen Gedankengängen befangen ist. Eine Strafe von zweieinhalb Jahren schweren Kerkers schien daher dem Gerichte angemessen.
Der Kostenspruch stützt sich auf § 285 StPO.
Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Revision an den Obersten Gerichtshof offen. Dasselbe wäre innert 10 Tagen nach Zustellung dieses Urteils beim Landgericht einzubringen. [43]