Schreiben von Alfons Goop, Landesleiter der Volksdeutschen Bewegung, an Hermann Walser [1]
o.D. (Mitte April 1941), Eschen
Lieber Kamerad Walser.
Dein Brief beweist mir, dass ich gottlob nicht der einzige bin, der in vermehrtem und starken Masse gerade seit den unliebsamen Ereignissen der vergangenen Wochen [2] sich selber über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seines politischen Wollens Rechenschaft zu geben versucht. Es ist dies umso verständlicher, weil es sich nicht nur um für sich gehaltenes geistiges Eigentum, sondern um die Willensprägung weiterer Volksschichten einerseits und das Geschick unserer Heimat andererseits dreht.
Wenn ich mich jeder nur gefühlsmässig bedingten inneren Einstellung zunächst entkleide und nur verstandesmässig die Dinge betrachte, den Vorgang einer politischen Willensbildung und ihrer Auswirkung mir vor Augen halte, so muss ich von drei Faktoren ausgehen: dem Ziel, den vorhandenen Voraussetzungen und dem zwischen beiden gelegenen Faktor des "Mittels" zur Erreichung des Zieles.
Und es stellt sich weiter die Frage, ob das Ziel unabhängig ist von den Voraussetzungen und ob die Voraussetzungen konstante sind und somit auch das Ziel ein konstantes sein kann.
Ich sage, für den Politiker ist Ausgangspunkt das Volk und Ziel die Wohlfahrt dieses Volkes.
Das Ziel als solches muss unverändert bestehen. Auf dem Weg zu diesem Ziel kann die Notwendigkeit praktischer Teilziele entstehen, doch dürfen sie nicht ausserhalb der Gesamtrichtung des Hauptzieles liegen. Das Ziel des politischen Wollens und Handelns darf trotz der Veränderlichkeit der Voraussetzungen nicht wanken.
Die Voraussetzungen unseres politischen Handelns, um nun auf unser besonderes Problem zu kommen, sind: den Stoff, den wir bearbeiten, das heisst unser Volk mit seiner Eigenart, seiner Geschichte, seiner Mentalität, seiner Reaktionsart auf äussere Einflüsse, seiner religiösen Einstellung, seiner kulturellen und wirtschaftlichen Situation, nicht zu vergessen die politische Situation durch Geschichte und Gegenwart bedingt.
Eine weitere Voraussetzung der nun einmal absolut und in den platonischen Ideenbegriff versetzten "Handlung" sind wir selber, als Vollzieher und Bestimmer dieser Handlung.
Und schlussendlich unsere stets sich ändernde Umwelt.
Das konstante Element in diesen Voraussetzungen ist das rassisch und blutmässig, von Natur aus deutsche Völklein Liechtensteins.
Rein verstandesmässig formuliert stelle ich als Voraussetzung und teilweise schon Inbegriff der Volkswohlfahrt dar: Bewusste Besinnung auf unser innerstes Wesen, auf unser deutsches Wesen, auf die Verbundenheit mit unserem grossen deutschen Kulturvolke. Vollständige Ablehnung des völkischen Begriffes "Liechtensteiner", weil er nie den Rahmen für die hohen Schwingungen, die schon allein der einzelne seelisch braucht, abgeben kann.
Als weitere Voraussetzung und schon Inbegriff der Volkswohlfahrt nenne ich das nach nationalsozialistischen Grundsätzen orientierte Privat- und Gemeinschaftsleben.
Und innerlich verbunden mit Voraussetzung und Ziel stehen wir und unser Handeln, wenn wir uns als Politiker betrachten und ausweisen. Ich und Du und unsere Volksdeutsche Bewegung mit unserem Ziel und unserem Handeln und Wollen.
Unsere Anhänger und Gegner und wohl auch viele unter uns sind indessen wenig geneigt, sich nur theoretisch über diese Dinge zu unterhalten, sondern man stellt sich auf unserer Seite vielfach die einfache Frage, ob dieses oder jenes richtig war. Trotzdem scheint es mir wichtig, unsere Politik auf Grundtatsachen zurückzuführen, um rein logisch und unter Ausschaltung der übrigen Faktoren, das Wesentliche zu erörtern. Unsere Bewegung muss das frühere besprochene Mittel darstellen, um von den Voraussetzungen zum Ziele zu gelangen. Sie muss daher, koste es was es wolle, am Ziele festhalten. Ferner hat sie sich Beschränkungen aufzuerlegen, weil sie nicht allein in der Lage ist, das Ziel zu erreichen, sondern weil hier die Politik des Reiches mitspielen wird. Was sie aber anstreben kann und muss, ist das von mir schon anfangs festgelegte Ziel: offenes Bekenntnis zum Deutschtum, Predigen des Nationalsozialismus, Gestaltung des Privat- und Bewegungslebens nach nationalsoz. Grundsätzen, soweit möglich Hineintragen auch in das öffentliche Leben. Hinweis aber auch darauf, wie das Endziel einst erreicht werden kann, nämlich durch einen Anschluss an das deutsche Reich. Ich könnte niemals mit gutem Gewissen vor meine Leute hintreten, wollte ich behaupten, ich halte an der Selbständigkeit des Landes fest. In der Propaganda aber wird die letzte Frage nur mir Vorsicht behandelt werden dürfen, vor allem was die Art und den Zeitpunkt betrifft, wird man hier an die Mentalität der meisten Anhänger und der auch gut gesinnten Bevölkerung eine gewisse Konzession zu machen haben. Nicht prinzipiell, sondern taktisch.
Ich stimme dir vollständig bei, wenn Du sagst, viele Menschen sind gegen die besten Gedanken vollständig taub, wenn man ihnen sagen wird, wir sehen die Möglichkeit der Erfüllung unseres Zieles in einem mindestens wirtschaftlichen Anschluss an Deutschland.
Du kommst mit mehr Leuten in Berührung als ich, aber so weit ich sehe, ist es nicht eine ehrliche Angst vor dem Verluste einer in Wirklichkeit ja heute auch nicht bestehenden Selbständigkeit, sondern sie argumentieren in Wirklichkeit damit, dass sie sagen, es geht uns ja heute doch ganz gut und wir wollen nicht in den Krieg und einen Wirtschaftsanschluss gibt es sowieso nicht und wir wollen unsere Eigenart auf jeden Fall behalten. Wenn sie es noch halbwegs ehrlich meinten, redeten sie so, in Wirklichkeit sind ihre Argumente noch viel tiefer zu hängen. Wir werden bestimmten Menschen nie freiwillig und rein vernunftsmässig zu einer inneren seelischen Umstellung bringen. Denn das eine ist sicher: Nationalsozialismus ist die bewusste und freiwillige Aufgabe der egoistischen Seele an die grosse Idee der Gemeinschaft. Auf viele Menschen werden wir also von vorne herein verzichten müssen. Wir können sie allmählich moralisch ins Unrecht versetzen, indem wir ihnen beweisen und auch vorleben, dass unsere Idee schlussendlich die richtige und ideale ist: Bekehren, wirklich gewinnen werden wir nur einen Prozentsatz und ich glaube, wir haben vielfach diesen Prozentsatz schon gesammelt. Wir dürfen den Argumenten unserer Gegner kein Konzessionen machen. Etwas aber können wir, stärker als bisher betonen, wie unsere innere Einstellung, besonders zu dem Problem des Anschlusses aussieht.
Und haltbar vor uns selber, unserem Volke und vor der Vernunft und auch der Geschichte schaut diese Einstellung wohl so aus und, was die Bewegung betrifft, möchte ich sie so formulieren.
Wir erstreben einen Anschluss an das deutsche Reich. Die Art des Anschlusses sowie den näheren Zeitpunkt bestimmen die hierzu zuständigen Machtfaktoren: Auf der einen Seite das Grossdeutsche Reich auf unserer Seite die durch die Verfassung zuständigen Instanzen (Volk und Fürst).
Genauer und rein programmatisch näher erörtert heisst dies:
Wir streben danach, dass das deutsche Volk in Liechtenstein und sein Fürst [Franz Josef II.] zusammen mit dem deutschen Reiche jene politische Grundlage schaffen, die für uns als Teil des deutschen Volkes und dem ganzen deutschen Volke am zweckdienlichsten ist. Aus praktischen Erwägungen heraus wird voraussichtlich diese politische Grundlage erst nach dem jetzigen Kriege geschaffen werden können.
Diese Einstellung darf nicht geändert oder geleugnet werden, weil wir uns dabei selber untreu würden.
Das ist unsere Zielsetzung.
Die Volksdeutsche Bewegung als handelndes Mittel zu diesem Ziele wird auch die "Voraussetzungen" berücksichtigen.
Das heisst. die Volksdeutsche Bewegung muss ihr Handeln nach den praktischen Umständen einrichten. Es darf hier kein Schema geben, sondern Anpassung an die Umstände.
Aus den bisherigen Erfahrungen heraus hat sich nun folgendes Bild ergeben.
Die Organisation der Bewegung hat sich durchwegs bewährt.
Die Auswahl der Funktionäre hat sich ebenfalls mit wenigen Ausnahmen bewährt.
Die Propaganda durch die Presse war auch nach ausländischen Urteilen eine gute, wenn auch kleine Fehler und Unkorrektheiten vorgekommen sind. Man wird jedoch in Zukunft gerade diesem Instrument mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt zuwenden müssen und es voll auf das Ziel und die momentanen Umstände abstimmen müssen.
Die Schulungen haben sich teilweise bewährt, teilweise nicht, weil einzelne Schuler zu wenig mit dem wahren Ziele der Bewegung vertraut waren. Als hervorragendes Instrument hat sich die N.S.V. [Nationalsozialistische Volkswohlfahrt] erwiesen und es wird zu überlegen sein, ob hier nicht ein weiterer Ausbau möglich sein wird.
Unvollkommen sind noch Frauenschaft und Volksdeutsche Jugend.
So sehe ich die gegenwärtige Situation.
Unser Gefühl und unsere Wünsche sich nicht so zergliedert und nicht so nüchtern. Sie treiben mit starkem Streben und geradlinig und rücksichtslos unserem Ziele zu. Und zwischen Verstand und Gefühl ist aber das Verhältnis dies. Das Gefühl ist der Motor unseres Handelns, der Lenker aber muss der nüchterne Verstand bleiben. Die richtige Synthese gibt den Erfolg.
So treffen wir uns am Schluss auf derselben Linie:
Mit Klugheit und Zähigkeit dem Ziele zustreben.
Was aber den Kernpunkt Deines Schreibens betrifft, so möchte ich ihn am Schluss unter Zusammenfassung von Überlegung und Gefühl, in Übereinstimmung zwischen Umständen und Endziel für die praktische öffentliche Erörterung so festlegen.
Die Frage des Anschlusses ist zunächst für die Bewegung eine zweitrangige. Die Frage wird hoffentlich bald geklärt werden können. Aller Voraussicht nach aber kaum vor Ende des Krieges. Ob Totalanschluss oder Teilanschluss ist in letzter Linie unwesentlich, es kommt darauf an, was am zweckdienlichsten sein wird.
Wesentlich ist die auch auf unseren Raum sich ausdehnende nationalsoz. völkische Neuordnung.
In diesem Sinne hoffe ich, verschiedene Unklarheiten beseitigt zu haben.
Vielen Dank für Deinen ausführlichen Brief und
Heil Hitler