Schreiben von Alfred Bloch an die Regierung [1]
16.3.1940, Territet (Kt. Waadt, Schweiz), Hôtel d'Angleterre
Betreff: Einreise und Aufenthalts-Gesuch
Die Hohe Regierung bewilligte mir und meiner Ehefrau Martha geb. Erlanger am 19. November 1938 Einreise und Aufenthalt, wovon ich mit zweimaliger Verlängerung bis zum Ende August 1939 dankbar Gebrauch machte. [2]
Ich begab mich zu einem kurzen Aufenthalt nach Territet, nachdem ich durch vorherige Anfrage bei der dortigen Fremdenpolizei erfahren hatte, dass meinem Aufenthalt im Hôtel des Herrn E. Wolfinger nichts im Wege stehe. Für spätestens Mitte September 1939 war mir ab London ein Dauerpermit für England in sichere Aussicht gestellt und ich hatte mir bereits die Flugscheine Zürich-London besorgt, um nach Eintreffen der Permits abzureisen. Durch den Kriegsausbruch ist die Reise nach England unmöglich geworden. Permits werden nicht mehr erteilt.
Seit Ende August halte ich mich in Territet auf. Die dortige Fremdenpolizei und die Kantonale Fremdenpolizei in Lausanne haben sich mit meinem Verbleiben im Hôtel d'Angleterre und dem Aufenthalt in Territet einverstanden erklärt. Die oberste Fremdenpolizeistelle in Bern nahm jedoch den Standpunkt ein, dass ich mich um Aufenthaltserlaubnis in einem anderen Lande und insbesondere in Liechtenstein bemühen solle und versagte die Aufenthaltsgenehmigung.
Gegen diesen obersten Bescheid führte ich das Rekursverfahren durch. Die Berner Behörde hielt aber an ihrem Bescheid fest. Sie bewilligte mir aber bisher Aufschub und liess mir mit Zuschrift vom 23. Februar 1940 erklären, dass mir weiterer Aufschub bis zum 30. April des Jahres gewährt wird, um alle nützlichen Schritte für die Ausreise in ein anderes Land zu unternehmen und insbesondere die Wiederbewilligung für einen Aufenthalt in Liechtenstein zu erlangen.
Dem Verlangen der Berner Behörde bin ich bereits insofern nachgekommen, als ich bei dem Amerikanischen Generalkonsulat in Zürich Antrag auf Visumerteilung gestellt habe. Ich beabsichtige baldmöglichst nach U.S.A. auszureisen, wohin mein Sohn Heinz S. Bloch im April 1939 auswanderte. Er ist seit Anfang Oktober vorigen Jahres als Chemie-Assistent an der Columbia-Universität in New York angestellt.
Um nun dem Bescheid der obersten Fremdenpolizeibehörde in vollem Umfang gerecht zu werden, bitte ich die Hohe Regierung um Aufschluss, ob und unter welchen Bedingungen für mich und meine Ehefrau die Wiedereinreise und der Aufenthalt in Liechtenstein möglich ist. Vorsorglich stelle ich hiemit auch den Antrag auf diese Genehmigung. [3]
Ich erlaube mir, die Hohe Regierung um baldigen Entscheid zu bitten, damit ich gegebenenfalls bei den Schweizerischen Behörden rechtzeitig um weiteren Aufschub und Toleranzbewilligung nachsuchen kann.
In vorzüglicher Hochachtung dankbar ergebenster
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[1] LI LA RF 191/316/008.
[2] LI LA RF 185/169 (Aufenthaltsbewilligung), LI LA RF 191/316/001 (1. Verlängerung), LI LA RF 191/316/002 (2. Verlängerung).
[3] Die Regierung lehnte das Ansuchen mit Schreiben vom 21.3.1940 ab (LI LA RF 191/316/009).