Artikel im "Volksrecht" [1]
9.3.1943
Ihr seid mir scheene Republikaner
Der jugendliche Fürst von Liechtenstein [Franz Josef II.] hat am Samstag und Sonntag [2] in Vaduz Hochzeit gehalten. Es war das sein gutes Recht, denn zuletzt ist auch er nur ein Mensch. Seine Frau [Gina] hat er sich aus einem Grafenhaus geholt, das an Reichtum fast dem der fürstlich-liechtensteinischen Familie gleichkommt, was bei solchen Heiraten ja Voraussetzung des Glücks ist. Nach den Bildern zu schliessen, hat die neue Fürstin nicht nur Geld, sondern auch eine ganz hübsche Figur und ein von den Sorgen der Welt noch völlig unberührtes Gesicht. Wir mögen das ihr gönnen.
Wenn die Liechtensteiner das Ereignis feierten, so haben wir dafür angesichts der geringen Steuern, die ihnen der Fürst abnimmt, auch Verständnis. Denn letzten Endes war es nicht immer so, dass die Fürsten ihren Untertanen die Lasten abnahmen, wie das in Liechtenstein Wirklichkeit ist. Bei dem immensen Reichtum des Hauses Liechtenstein (dessen Güter im alten Österreich, in Wien und in der ehemaligen Tschechoslowakei bis jetzt von allen Umwälzungen verschont geblieben sind, so unangetastet wie sein internationaler Aktienbesitz) und der relativ kleinen Bevölkerung Liechtensteins war das möglich, ohne dass der Fürst deswegen selbst in Bedrängnis kam. Die Liechtensteiner jubelten mit Recht ob ihrer geringen Steuern und der Tatsache, dass sie von jedem Militärdienst befreit sind und sie hoffen vom Fürsten, dass er ihnen wenigstens diese Tradition erhalte.
Zur Hochzeit waren auch schweizerische Presseleute geladen, samt Kameramannen und "Wochenschauern". Was wäre zuletzt eine fürstliche Hochzeit, ohne diese Propagandisten des Wortes und des Bildes? Der Fürst geruhte sie persönlich zu empfangen und jedem die durchlauchte Hand zu reichen. Die biedern Schweizer fühlten sich als stolze Republikaner mächtig gebauchpinselt und sie schrieben, telephonierten und telegraphierten drauflos, was die Papiere und Drähte hielten. Wilhelm II. hätte an diesen Republikanern seine helle Freude haben können. Lesen wir zum Beispiel was die "Basler Nachrichten" sich aus Vaduz berichten liessen: [3]
"Das ganze liechtensteinische Volk jubelte begeistert der neuen jugendlichen Landesmutter zu ... Die Trauung des hohen Paares, seiner Durchlaucht des Fürsten mit ihrer Hochgeborenen Gräfin, vollzog der hochwürdigste Landesbischof Exzellenz Dr. Christian [Caminada], Bischof von Chur. Unter den Festgästen bemerkte man den Prinzen [Alois] von und zu Liechtenstein, ihre kaiserliche Hoheit die Erzherzogin Elisa[beth] Amalia, die erlauchten Verwandten der Brautleute, darunter ihre königlichen Hoheiten, den Herzog [Duarte Nuno] und die Herzogin [Maria Francisca] von Braganza ..."
(Sperrung von uns. Red.)
Ja, die demokratischen Reporter werden nicht müde in der Schilderung der strahlenden Schönheit, Güte und Milde der 22 Jahre alten Landesmutter und ihres fürstlichen Gemahls, der als erster seines Geschlechts geruhte mitten unter seinem Volke Hochzeit zu halten und Wohnsitz zu nehmen. Damit das hohe Paar wisse, welche Uhr es stets geschlagen hat, hat ihm der schweizerische Bundesrat eine alte Neuenburger Pendule geschenkt. Ein besonders aufmerksamer Journalist aus Basel legte sich angesichts des Hochzeitszuges die schwerwiegende Frage vor, wie lange wohl die Schleppe gewesen sein möge und berichtete auch diesen Geistesblitz seiner Zeitung! Ein anderer forschte "in den vorüberziehenden distinguierten Gesichtern" - wie distinguiert demokratisch und republikanisch ausgedrückt - "und Gestalten nach den dominierenden Zügen der Familie Liechtenstein, Habsburg und Wilczek". Leider vergass er seinen Lesern das Resultat seiner rassenforscherischen Anstrengungen gleich mitzuteilen. Das hätte die Auflage der Nummer auf einige hundert mehr hinaufschnellen lassen. Der gleiche offenbar ebenfalls distinguierte Beobachter hat kurz nachher auf dem Gabentisch eine feingeschliffene Flasche mit der Aufschrift "Baselbieter Kirsch" gesichtet und war darob in der Fremde heimatlich beglückt. [4] Es sage niemand die Schweizer hätten keinen Sinn für fürstliche Angelegenheiten.
Wenn das fürstliche Paar in spätern Jahren einmal die Berichte der schweizerischen republikanischen Reporter nachliest, wird es sich eines Lächelns über diese Demokraten nicht erwehren können, sofern es dannzumal für Fürstlichkeiten überhaupt noch etwas zu lachen gibt. Was angesichts der stürmischen Zeiten, denen die Welt entgegengeht, nicht so ganz sicher ist.
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[1] Volksrecht, Nr. 57, 9.3.1943, S. 5. Das "Volksrecht" war das Publikationsorgan der Sozialdemokratischen Partei des Kantons Zürich. Der Artikel erschien gleichentags auch in der "Arbeiterzeitung" aus Winterthur (Arbeiterzeitung, Nr. 57, 9.3.1943, S. 3).
[2] Am 6. und 7. März.
[3] Basler Nachrichten, Nr. 65, 8.3.1943, S. 7 ("Die Vermählung des Fürsten von Liechtenstein mit der Gräfin von Wilczek").
[4] Die Herkunft der Zitate konnte nicht eruiert werden.