Alt-Landesverweser Leopold von Imhof verteidigt die Gehaltsreduktion für den in russischer Kriegsgefangenschaft befindlichen F.L. Landrichter Franz Josef Erne


Maschinenschriftlicher Bericht von Alt-Landesverweser Leopold von Imhof, gez. ders., zuhanden der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien [1]

18.9.1919, Wien

Betreffend: Dr. [Franz Josef] Erne

Dr. Franz Erne war als Landrichter sehr tüchtig. Ich habe denselben stets sehr geschätzt und mit ihm in durchaus freundschaftlicher Weise verkehrt. Auch unsere Beziehungen zu seiner Frau [Berta Erne] waren anfänglich gut. Nach seiner Einberufung habe ich mir alle Mühe gegeben seine Enthebung zu erwirken und seiner Frau bis dahin seine vollen Bezüge zur Auszahlung bringen lassen. Leider langte seine Enthebung aber erst ein, als Przemysl, [2] zu dessen Besatzung Erne gehörte, bereits zerniert [3] war und konnte daher nicht mehr in Vollzug gesetzt werden. – Als mit dem Falle dieser Festung [4] und dem Abtransporte Ernes in die Kriegsgefangenschaft jede Aussicht auf seine baldige Rückkehr geschwunden war, konnte ich es nicht mehr auf mich nehmen, seiner Frau weiterhin seine vollen Bezüge [5] auszahlen zu lassen, zumal schon früher hierüber abfällig gesprochen worden war. Um ihr jedoch das möglichste Entgegenkommen zu erweisen, versicherte ich mich der Zustimmung der führenden Abgeordneten, dass ihr doch noch die Hälfte seiner Dienstbezüge belassen bleibe. Ihrem fortgesetzten Drängen um Wiederausfolgung der ganzen Bezüge konnte ich leider nicht nachgeben. Dass ich ihr mit der Entziehung der Amtswohnung drohte, wie sie in ihrer Eingabe vom 6. März 1917 [6] an die Hofkanzlei sagte, ist unwahr. Da sie mir immer wieder vorhielt, dass sie sich in Österreich besser stünde, bemerkte ich ihr lediglich, dass dann die Rückversetzung ihres Mannes in den österreichischen Justizdienst in Erwägung gezogen werden müsste, was aber für sie den Verlust der Amtswohnung zur Folge hätte. Ihre volle Feindschaft zog ich mir dadurch zu, dass ich es nicht angehen liess, dass sie heimlich auf meine Rechnung Wild bezog. Sie teilte hierin die etwas übertriebene Empfindlichkeit der Damen Schädler, die es mir auch nie verzeihen konnten, dass ich sie in schönster Weise darauf aufmerksam gemacht hatte, es gehe nicht an, dass sie – wie dies während meiner Abwesenheit geschehen war – ohne mein Wissen meine Dienstequipage zu Tagesausflügen nach Feldkirch benützen. Wie ich in meinem Schreiben an Hofrat Dr. [Hermann] von Hampe vom 17. März 1917 [7] geschildert habe, hatte sich übrigens das Benehmen Frau Erne mittlerweile auch in anderer Hinsicht so gestaltet, dass ein Verkehr zwischen ihr und meiner Frau [Ida von Imhof] nicht mehr möglich war. Trotz aller dieser Vorkommnisse habe ich gegen Frau Erne nach meinem Empfinden gewiss alle Rücksicht walten lassen und deren Anfeindungen und Gehässigkeiten nicht zu vergelten gesucht. Als aus den in meinem untertänigsten Vortrage von 21. Mai 1917, Zahl 39 [8] (Hofkanzlei Zahl 6332) angeführten Gründen mit höchster Genehmigung Seiner Durchlaucht [Fürst Johann II.] [9] die Rückübernahme ihres Mannes in den österreichischen Justizdienst veranlasst wurde, bin ich vielmehr dafür eingetreten, dass ihr die bisherige Amtswohnung noch so lange als irgend möglich belassen bleibe und dass sie auch die Früchte ihres Gartens bis zum Herbst beziehen könne. Auch habe ich, als mir nahe gelegt wurde, jene Personen namhaft zu machen, die sich an der in Liechtenstein in den früheren Jahren durchgeführten Aktion zur Beschaffung von Kälteschutzmitteln in erheblichem Masse beteiligt haben, für Frau Erne die silberne Medaille vom Roten Kreuze erwirkt, wie wohl dagegen nachträglich gewiss manches gesprochen hätte. [10]

Untertänigst

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[1] LI LA V 003/1332 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: Nr. 77/3). Eingangsstempel der Gesandtschaft vom 19.9.1919. Verweis auf die Beilage: HK [Hofkanzlei] 10532 mit Vorakten (liegt nicht mehr bei). – Vgl. in diesem Zusammenhang den Auszug eines Schreibens von Landesverweser Leopold von Imhof an Hofkanzleileiter Hermann von Hampe vom 29.5.1915 (LI LA SF 01/1915/20) sowie das Antwortschreiben der fürstlichen Hofkanzlei vom 2.6.1915 (LI LA SF 01/1915/21). Vgl. auch L.Vo., Nr. 21, 25.5.1917, S. 1-2 („Zur Abberufung Erne's").
[2] Öst. Festung in Galizien.
[3] Zernieren: einschliessen, einkesseln.
[4] Am 22.3.1915.
[5] Jährlich 6000 Kronen.
[6] Nicht aufgefunden.
[7] Nicht aufgefunden.
[8] Vgl. LI LA SF 01/1917/39.
[9] Vgl. das Schreiben von Hampe an die Regierung vom 30.5.1917 (LI LA SF 01/1917/43 (Aktenzeichen der Hofkanzlei: No. 6491)).
[10] Erne, der erst im März 1920 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte, ersuchte die liechtensteinische Regierung am 7.11.1920 um die Auszahlung der von ihm beanspruchten restlichen Gehaltsbezüge in der Höhe von 6750 Kronen. Am 25.2.1921 orientierte ihn Landesverweser Josef Peer über den Beschluss der Finanzkommission des Landtages, ihm zur gänzlichen Begleichung seiner Ansprüche 20'000 Kronen zu bezahlen. Dabei wurde die inflationäre Entwicklung der Kronenwährung berücksichtigt (LI LA RE 1921/0670).