Die "Siebnerkommission" empfiehlt dem Landtag die Annahme der zivilprozessualen Gesetzentwürfe mit einigen Änderungen


Gedruckter Kommissionsbericht an den Landtag, nicht gez. [1]

o.D. (vor dem 14.11.1912) 

Bericht der Siebnerkommission [2] über die Gesetzentwürfe [3] zur Reform des Justizwesens im Fürstentume Liechtenstein 

(Referent: Dr. Albert Schädler

Gemäss dem vom Landtage in der Sitzung vom 11. Dezember 1911 gegebenen Auftrage hat sich die von Ihnen gewählte Siebnerkommission eingehend mit dem grossen Reformwerke beschäftigt und ist nun in der Lage bestimmte Anträge zu stellen. [4]

I. Gesetzentwürfe zur Reform des Zivilprozesses 

Über die bisherigen mit dem Zivilprozesse im Zusammenhang stehenden Gesetze und über die vom Landtage in den Jahren 1906 und 1907 gepflogenen Beratungen betreffend die Justizreform hat Ihr Referent bereits im Dezember vorigen Jahres berichtet. Zur Einführung in die Sache sei daher auch auf den damaligen vorläufigen Bericht [5] verwiesen. 

Bei den nun folgenden kommissionellen Beratungen, welche in den Sitzungen vom 23., 24., 26., 27. und 28. Februar 1912 stattfanden, wurden die Gesetzentwürfe einer Lesung unterzogen und dabei eine Reihe von Abänderungsvorschlägen gemacht. Diese Vorschläge fanden dann auch laut Protokoll vom 11. April 1912 [6] in den meisten Punkten die Zustimmung des fürstl. Appellationsgerichtes in Wien, wo unter Beiziehung unseres Regierungschefs und des Verfassers der Entwürfe, Sektionsrates und Universitätsprofessors Dr. Gustav Walker, eine Beratung stattgefunden hatte. Wir werden bei Mitteilung der von uns beantragten Gesetzesänderung auf diese Vorschläge zurückkommen. Ausserdem beschloss Ihre Kommission, ein Gutachten des Landesgerichtsrates Dr. Martin Hämmerle, [7] welcher früher längere Zeit substitutionsweise als Landrichter in Vaduz amtierte, [8] einzuholen. Das umfangreiche und gründliche Gutachten wurde dann in der Kommissionssitzung vom 24. Juli 1912 verlesen und mehrere von Dr. Hämmerle in seinem Elaborate gemachte Abänderungsvorschläge wurden auch sowohl von dem Verfasser der Gesetzentwürfe als auch von der Kommission als begründet erachtet und angenommen. Herr Dr. Hämmerle stimmt am Schlusse seines Gutachtens dem Urteil der Allgemeinheit bei und hält die Entwürfe für eine ausgezeichnete Arbeit, die mit vielem Geschick und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit die Bedürfnisse eines modernen Prozesses mit den Verhältnissen im Fürstentum in Einklang bringe. – Hingegen hält er eine Änderung des jetzigen Instanzenzuges angezeigt und schlägt vor, "dass das Appellationsgericht entweder das Kreisgericht in Feldkirch sein soll, oder dass es aus drei vom Landesfürsten ernannten für das Richteramt befähigter Juristen in Vorarlberg bestehen soll, welche gerade nicht aus dem Kreise der Richter entnommen sein müssten". Das Appellationsgericht hätte seinen Sitz in Feldkirch; wenn es aber zu einer mündlichen Verhandlung kommt, hätten sich die Appellationsrichter nach Vaduz zu begeben. Als dritte Instanz sollte das jetzige Appellationsgericht in Wien als Oberster Gerichtshof fungieren. – Ihre Kommission hat diesen Vorschlag neuerdings eingehend geprüft, konnte sich aber mit Rücksicht auf unsere dermaligen Verhältnisse und im Interesse der möglichsten Wahrung unserer Selbständigkeit nicht entschliessen, denselben anzunehmen. Zwar hat sich bekanntlich die Mehrheit des Landtages im Jahre 1907 für die Errichtung einer zweiten Instanz im Lande selbst ausgesprochen. [9] Für ein Appellationsgericht mit dem Sitze in Feldkirch, wie der Hämmerle'sche Vorschlag lautet, wäre aber auch der damalige Landtag sicher nicht eingetreten. Jedoch abgesehen hievon würde die Besetzung der zweiten Instanz mit Mitgliedern des Kreisgerichtes in Feldkirch eine Abänderung des Justizvertrages [10] voraussetzen, welche bei der jetzigen parlamentarischen Lage in Österreich schwer erreichbar wäre. Auch wäre die Kontinuität bei dem häufigen Personalwechsel im Kreisgerichte von Feldkirch nicht so gewahrt, wie eine solche bei dem Appellationsgericht in Wien besteht. Eine Besetzung mit Advokaten in Feldkirch ist aber schon deswegen untunlich, weil diese zumeist bei unserem Gerichte Parteien vertreten.

Übrigens hat, wie der Verfasser der Gesetzentwürfe ausführt, die Wiederholung des mündlichen Verfahrens nur für eine geringe Anzahl von Fällen Wert, die zudem bei unserer Gerichtsorganisation nur äusserst selten vorkommen dürften. Um aber auch in solchen Ausnahmsfällen entsprechen zu können, ist in dem Gesetzentwurfe durch besondere Bestimmungen vorgesorgt. Es sei in dieser Hinsicht auf die dem Entwurfe beigegebenen Erläuterungen zu den §§ 449 und 450, Seite 227, verwiesen. 

Unter diesen derzeitigen Umständen glaubte Ihre Kommission sich für die Beibehaltung der bisherigen zweiten Instanz aussprechen zu müssen, wenn auch damit die Forderung einer idealen Rechtspflege betreffend das öffentliche und mündliche Verfahren bei der Berufungsinstanz vielleicht nicht ganz erfüllt wird. Ohne ein ziemliches Stück unserer Selbständigkeit zu opfern, wäre der Hämmerle'sche Vorschlag nicht durchführbar. Wenn wir auch ein kleines Land sind, so liegt uns gerade die möglichste Wahrung unserer Selbständigkeit besonders am Herzen.

In der Kommission wurde allgemein die Ansicht vertreten, dass unser Land mit seiner stetig fortschreitenden Entwicklung und Hebung der Intelligenz mit der Zeit in die Lage kommen werde, die Berufungsinstanz mit dem öffentlichen und mündlichen Verfahren im Lande selbst und möglichst mit eigenen Kräften einzuführen, dass aber jetzt, wo nur ein direkter oder indirekter Anschluss an das Kreisgericht in Feldkirch in Frage stehe, von einer Änderung der bisherigen zweiten Instanz im Interesse der Wahrung unserer Selbständigkeit abgesehen werde.

Was nun die Gesetzentwürfe selbst betrifft, so wird damit in der Hauptsache das österreichische Zivilprozessrecht, [11] das allgemein als mustergültig bewertet wird, rezipiert. Jedoch wurden verschiedene Änderungen und Streichungen im österreichischen Gesetzestexte notwendig, weil die Gerichtsbarkeit in Zivilsachen bei unserem Landgerichte nur durch einen Einzelrichter ausgeübt wird, weil ferner der in Österreich geltende Anwaltszwang bei uns in Wegfall zu kommen hat und endlich weil durch die oben besprochene Beibehaltung des Appellationsgerichtes in Wien die mündliche Berufungsverhandlung in der Regel entfallen soll. Der neue Zivilprozess ist als ein erfreulicher Fortschritt zu bezeichnen, er beseitigt das bisherige langwierige, so umständliche und unvolkstümliche schriftliche Verfahren und verhindert die Prozessverschleppung. So gibt es eine einverständliche Terminverlegung nur aus bestimmten gesetzlichen Gründen. Ein ruhendes Verfahren kann nicht vor Ablauf von 3 Monaten wieder aufgenommen werden, was zur Folge hat, dass das Ruhenlassen der Sachen nur aus ernsthaften Gründen erfolgt. Auf diese Weise spielt sich das ganze Verfahren in einem oder doch nur in wenigen Terminen ab. Wichtig ist mit Rücksicht auf obige Ausführungen über die zweite Instanz, dass das Tatsachenmaterial schon in erster Instanz endgültig abgegrenzt wird und neue Ansprüche und Einreden in der Berufung nicht erhoben werden dürfen. 

Nach diesen einleitenden Bemerkungen Ihres Referenten mögen nun die von der Kommission beschlossenen Abänderungen folgen. Dieselben wurden zum Teil laut Protokoll vom 6. November 1911 [12] vom fürstl. Appellationsgerichte in Wien einvernehmlich mit dem fürstl. Landesverweser und dem Verfasser der Entwürfe, zum Teil von der Siebnerkommission und zum Teil von Herrn Landgerichtsrat Dr. Hämmerle vorgeschlagen. Zur Orientierung über die Quelle der einzelnen Abänderungen füge ich jeweils ein Buchstabenzeichen bei: A. bedeutet auf Vorschlag des fürstl. Appellationsgerichtes in Wien: SK. = auf Vorschlag der Siebnerkommission; H. = auf Vorschlag des Landesgerichtsrates Dr. Hämmerle. Die wichtigeren Abänderungen werden auch in Kürze motiviert.

I. Im Entwurfe der Zivilprozessordnung [13] 

§ 42. Absatz 2. Statt dem "Advokaten- oder Notariatsstande" ist zu setzen "dem Stande der berufsmässigen Parteivertreter". SK. 

Unter die berufsmässigen Parteienvertreter wären auch die in Liechtenstein ansässigen, von der Behörde konzessionierten Geschäftsagenten zu rechnen, andernfalls würde derzeit das in § 42 statuierte Privilegium nur Ausländern zugut kommen. 

§ 57. Absatz 2. Punkt 2. Statt im "Geltungsgebiete des Gesetzes" ist zu setzen im "Fürstentume". H. 

§ 82. Absatz 1. Statt "innerhalb drei Tagen" zu setzen "innerhalb dreier Tage". SK.

 § 85. Absatz 1. Statt "dreier Tage" ist "acht Tage" zu setzen. A.

§ 88. 3. Zeile. Statt "Gemeindevorstehers" ist "Ortsvorstehers" zu setzen. H. 

Diese Bezeichnung entspricht dem amtlichen Ausdrucke, wie er sich schon im Gemeindegesetze vom Jahre 1864 [14] vorfindet. 

§ 94. Absatz 1 und § 95, 3. Zeile statt "in Vaduz" ist "im Lande" zu setzen. SK. 

§ 96. 1. Zeile. Ist "auch dann" zu streichen. SK. 

§ 119. Ist zu streichen, da der Fall der Zustellung an einen Exterritorialen im Fürstentume kaum vorkommen wird. A. 

Der § 120 ist nun als § 119 zu bezeichnen und in der 4. Zeile statt "durch den Landesverweser" zu setzen "im Wege des fürstlichen Landesverwesers durch die Hofkanzlei". A. 

§121. Absatz 1 ist als § 120 zu bezeichnen und 2. Zeile statt "im § 120" nun "im § 119" zu setzen. Absatz 2 ist als § 121 zu bezeichnen. A. 

§ 122. Absatz 1. Statt "nach den §§ 119 bis 121" ist infolge der Streichung des § 119 zu setzen "nach den §§ 120 und 121". A. 

§ 191. Absatz 2. Statt "der Senat" ist zu setzen "das Gericht". A. 

§ 220. Absatz 3. Statt "Gegen Bevollmächtigte aus dem Stande der Advokaten, Advokaturs-Kandidaten und Notare findet die Umwandlung in Haft nicht statt" ist zu setzen "Gegen berufsmässige Parteienvertreter findet die Umwandlung in Haft nicht statt". SK. 

Diese Änderung entspricht der im § 42 vorgeschlagenen Änderung. 

§ 227. Absatz 1. Die Worte: "in welcher der Betrag oder Wert des Streitgegenstandes 1000 Kronen nicht übersteigt" sind zu streichen, weil nach Ansicht der Kommission die Beantragung eines Vergleichsversuches auch noch bei höheren Beträgen den Parteien offen stehen soll. SK.

§ 257. Absatz 1 letzte Zeile. Zwischen "Schriftsatz" und "mitteilen" ist einzufügen "dem Gerichte". A.

§ 270. 3. Zeile. Statt "denselben" ist zu setzen "ihn". H. 

§ 324. Absatz 2. Der erste Satz: "Bei etwaigen Verhandlungen ... zu lassen". ist ganz zu streichen. Statt des darauffolgenden "Hat er" ist zu setzen "Hat der Zeuge". H. 

Die Streichung versteht sich von selbst, da im Gesetze kein Advokatenzwang vorgesehen ist. 

§§ 336. Dem 6ten Absatze ist beizufügen: "Angehörige der helvetischen Konfession schwören ohne Kruzifix und Kerzen". H. 

Nach § 350 hat es statt "Fünfter Teil" zu heissen "Fünfter Titel". H. 

§ 413. Als Absatz 1 ist zu setzen: "Das Urteil ist im Namen Seiner Durchlaucht des Landesfürsten zu fällen und zu verkündigen." 

Die folgende Seite hat mit dem Worte: "Dasselbe" zu beginnen. A.

§ 417. Dem Absatz 2 ist beizufügen: "Statt der Darstellung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann jedoch auf die Akten verwiesen werden". A. 

Zu dem im Entwurfe enthaltenen Verfahren in Ehesachen (§§ 516 – 534) wurden keine Änderungen beantragt, weil durch die vorgeschlagenen Bestimmungen in unserer bisherigen Rechtspraxis in Ehesachen nichts geändert wird. Unsere Ehegesetze kennen keine Notzivilehe, sondern erklären nur die konfessionelle Ehe als rechtsgültig. Dementsprechend wurden auch die neueren österreichischen Gesetze in Ehesachen, nach welchen Österreich die im Auslande nach dortigem Rechte abgeschlossene Ehe als gültig anerkennt, bei uns nicht rezipiert. – Bei Scheidungsbegehren vor Gericht ist bei uns auch künftig wie bisher das Zeugnis des ordentlichen Seelsorgers über die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes vergeblich vorgenommenen Versöhnungsversuches beizubringen. 

Um irrigen Auffassungen vorzubeugen, sei dies hier ausdrücklich bemerkt.

§ 548. Absatz 1, 2. Zeile ist nach dem Worte "kann" in Klammer zu setzen (§ 587. Absatz 2.). SK.

§ 560. Punkt 3 ist in der 5. Zeile statt "vierzehn Tage" zu setzen "einen Monat", und in der 6. Zeile statt "acht Tage" richtig "vierzehn Tage". H.

Bezüglich des Mahnverfahrens (§§ 577 ff.) verlangte die Siebnerkommission mehrere Änderungen des Entwurfes auf Grund folgender von ihr vertretenen Auffassung. Unser Schuldentriebsgesetz vom Jahre 1865 [15] hat sich durch seine Einfachheit, Klarheit und praktische Anpassung in unsere Verhältnisse sehr gut bewährt. Dabei ist das auf dieses vorzügliche Gesetz sich gründende Verfahren im Interesse einer gerechtfertigten Schonung des Schuldners ein sehr billiges. Die im Entwurfe enthaltenen Bestimmungen lassen dem Gläubiger die Wahl frei, bei Beträgen auch unter 1000 Kronen einen Zahlbefehl zu erlassen oder sofort die Klage einzureichen. Von letzterer Befugnis würde nun voraussichtlich von Advokaten und Geschäftsagenten vorherrschend Gebrauch gemacht, schon wegen der damit verbundenen höheren Sporteln. Tatsächlich würde dadurch das bisher durch seine Billigkeit ausgezeichnete Verfahren bedeutend verteuert, was als ein bedauernswerter Rückschritt bezeichnet werden müsste. Etwas anderes ist es, wenn es sich um Beträge über 1000 Kronen handelt, oder auch ausnahmsweise bei Beträgen unter 1000 Kronen, wenn der Gläubiger glaubhaft dartun kann (z.B. durch ein Schreiben des Schuldners), dass der Schuldner die Forderung nicht anerkennen will. Ihre Kommission schlug daher vor, zur Eintreibung von Forderungen als Regel die Erlassung des Zahlbefehles im Sinne des bestehenden Gesetzes beizubehalten mit Ausnahme der beiden oben genannten Fälle. Ferner wird dem hier längst eingewohnten Sprachgebrauche gemäss der Ausdruck "Zahlbefehl" statt des im Entwurfe enthaltenen "Zahlungsbefehl" gewünscht.

In Würdigung dieser von der Siebnerkommission vorgebrachten Gründe hat dann auch das Appellationsgericht in Wien unter Beiziehung unseres Regierungschefs und des Sektionsrates Dr. Walker folgende Abänderungen des Mahnverfahrens empfohlen, welche unseren Wünschen entsprechen und von Ihrer Kommission angenommen wurden.

§ 577. Absatz 1 des Entwurfes ist demnach in folgender Weise zu ändern:

"Zur Eintreibung von Forderungen an Geld oder anderen vertretbaren Sachen hat der Gläubiger im Wege des Mahnverfahrens die Erlassung eines bedingten Zahlbefehls zu begehren, wenn der geforderte Betrag oder der Wert der in Anspruch genommenen Sachen ohne Hinzurechnung von Zinsen und Nebengebühren die Summe von eintausend Kronen nicht übersteigt oder wenn der Gläubiger nicht urkundlich dartun kann, dass der Schuldner die Schuld nicht anerkenne." SK. und A. 

§ 587. Absatz 2 ist in folgender Weise zu fassen: "Wird infolge des Widerspruchs Klage erhoben oder die Einleitung des Mandatsverfahrens begehrt, so ist über die angesprochenen Kosten des Mahnverfahrens wie über einen Teil der Kosten des Rechtsstreites zu erkennen". SK. u. A. 

Dementsprechend wurde auch, wie es bereits weiter oben angeführt ist, im § 548 auf diese Änderung Bezug genommen. 

Mit den beiden Änderungen in den §§ 577 und 587 ist die von der Kommission gewünschte Festlegung der obligatorischen Natur des Mahnverfahrens zur Genüge gekennzeichnet. 

In den §§ 578, 579, 580, 581, 582, 583, 584, 585, 587, 589, 591, 592 und 593 ist statt des Ausdruckes "Zahlungsbefehl" jeweils "Zahlbefehl" zu setzen. 

§ 591. Als Absatz 3 ist diesem Paragraphen zuzufügen: "Unterlässt der Gläubiger vor Ablauf von drei Jahren nach Zustellung des Zahlbefehls an den Schuldner die Exekution gegen denselben zu begehren, so tritt der Zahlbefehl in Ansehung dieses Schuldners unbeschadet der nach § 589 eingetretenen Unterbrechung der Verjährung ausser Kraft." H. 

Diese begründete Bestimmung ist bereits im § 8 der Exekutionsnovelle vom 16. August 1892, L. G. B. Nr. 4, [16] enthalten und gehört daher auch in den vorliegenden Gesetzentwurf. In drei Jahren kann der Gläubiger Ordnung machen, und wenn er durch den Verlust des Exekutionstitels dazu gezwungen wird, auf Zahlung oder Sicherstellung zu dringen, so ist das auch im Interesse des Schuldners gelegen. 

§ 593. Absatz 2, 4. Zeile ist nach "finden werde" in Klammer zu setzen "(§ 256)". H.

§ 598. Absatz 3 und § 609, Absatz 1 sind die Worte "oder einen Notar" bezw. "oder durch einen Notar" zu streichen. SK.

II. In der Jurisdiktionsnorm [17] 

§ 5. 5. Zeile. Statt "welche" ist "welcher" zu setzen. 6. Zeile: Statt "bestehen" ist "besteht" zu setzen. A. 

§ 24. Abs. 2. Es ist hinzuzufügen: "Dieser Antrag ist vom Landesverweser im Wege des Appellationsgerichtes zu stellen." A. 

§ 26. Abs. 1. Statt "sind dem Landesverweser anzuzeigen" ist zu setzen: "sind durch den Landesverweser der fürstlichen Hofkanzlei anzuzeigen." Statt "dessen Erklärung" ist "deren Erklärung" zu setzen. Abs. 2 hat zu lauten: "Die Erklärung der Hofkanzlei ist für das inländische Gericht bindend." A. 

§ 30. Statt "im Inlande" ist zu setzen "im Fürstentume". H. 

§ 32. u. 33. Statt "im Inlande" oder "im Geltungsgebiete dieses Gesetzes" ist jeweils zu setzen "im Fürstentume". H. 

§ 43. Abs. 2 u. 3 (Fakturengerichtsstand) wurde gestrichen im Interesse und zum Schutze der heimischen Bevölkerung, die den Wunsch nach Beseitigung eines derartigen Gerichtsstandes zum Ausdrucke gebracht hat. A. 

Die Streichung dieser beiden Absätze entspricht auch der Stellungnahme des Landtages im Jahre 1891 und 1897, [18] wo er bei Beratung der Gesetze betreffend die Vollstreckung auswärtiger zivilgerichtlicher Urteile in Liechtenstein auf Schutzbestimmungen drang, die dann auch zustande kamen, aber mit der Annahme der obigen beiden Absätze wieder illusorisch geworden wären. 

§ 57. Diesem Paragraphen ist der folgende zweite Absatz beizufügen: "Wenn der minderjährige oder pflegebefohlene liechtensteinische Staatsangehörige seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen im Auslande hat, der ausländische Staat aber die Besorgung der vormundschafts- und kuratelsbehördlichen Geschäfte verweigert, so ist hiefür das Landgericht zuständig." H. 

III. Im Einführungsgesetze [19] 

Art. I. Abs. 1. Statt "5. Oktober 1912" wäre zu setzen "mit dem ersten Tage des zweiten auf die Kundmachung folgenden Monates". A. 

Art. III. Punkt 5. "Die Vorschriften der Ziviljurisdiktionsnorm vom 20. November 1852" [20] ist zu streichen und sind die folgenden Punkte fortlaufend mit 5 – 9 zu numerieren. 

Art. IV. In Punkt 5 ist die Schlussbemerkung "mit Ausnahme der Bestimmung des § 8, welche durch die Zivilprozessordnung aufgehoben wird" zu streichen. H. 

Es sei in dieser Hinsicht auf die vorgeschlagene Änderung bzw. Ergänzung des § 591 der Zivilprozessordnung verwiesen. 

Für Art. XIX. hatte Ihre Kommission vorgeschlagen, dass vom Inkrafttreten des Gesetzes an alle Streitsachen, also auch die hängenden, nach Massgabe der neuen Bestimmungen zu behandeln wären. Das Appellationsgericht hält jedoch aus juristisch-technischen Gründen nicht für möglich, die zeitlichen Grenzen anders zu bestimmen, als es im Entwurfe geschehen ist.

Ihre Kommission beschloss einstimmig, Ihnen die vorgelegten Gesetzentwürfe betreffend den Zivilprozess mit den beantragten und hier näher gekennzeichneten Abänderungen zur Annahme zu empfehlen. [21]

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[1] LI LA RE 1912/0114, zwei weitere Exemplare ebd. Auszüge in: L.Vo., Nr. 48, 29.12.1912, Beilage ("Bericht über die Landtagssitzungen vom 14. und 16.11.1912").
[2] Die vom Landtag in seiner öffentlichen Sitzung vom 12.12.1911 gewählte Siebnerkommission bestand aus folgenden Mitgliedern: Albert Schädler, Xaver Bargetze, Friedrich Walser, Alfons Brunhart, Jakob Kaiser, Emil Batliner und Franz Josef Marxer (Landtagsprotokoll unter LI LA LTA 1911/S04/1).
[3] Die undatierten Gesetzentwürfe finden sich unter LI LA DM 1912/006 A.
[4] Vgl. die Protokolle der öffentlichen Landtagssitzungen vom 11.12.und 12.12.1911 unter LI LA LTA 1911/S04/1.
[5] Vgl. den undatierten Kommissionsbericht an den Landtag unter LI LA RE 1911/2923 ad 1390 (Traktandum 1 der Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 11.12. und 12.12.1911 anberaumten Landtagssitzungen).
[6] Vgl. das Protokoll über die Beratung vom 11.4.1912 über die Gesetzentwürfe zur Reform des Zivilprozesses im Fürstentum Liechtenstein, an der Hofkanzleileiter Hermann von Hampe, Landesverweser Karl von In der Maur, die Appellationsgerichtsräte Julius Pfeiffer und Josef Jahoda sowie k.k. Sektionsrat Gustav Walker teilnahmen (LI LA RE 1912/1157 ad 0114).
[7] Vgl. das undatierte Gutachten des Landesgerichtsrates Martin Hämmerle in Feldkirch über die Gesetzentwürfe zur Zivilprozessreform im Fürstentum Liechtenstein, erstattet über Auftrag der vom Landtag zur Vorberatung eingesetzten Siebnerkommission (LI LA RE 1912/1588 ad 0114). Das Gutachten wurde von Landesverweser Karl von In der Maur am 19.6.1912 an k.k. Sektionsrat Gustav Walker und an Hofkanzleileiter Hermann von Hampe gesandt.
[8] Hämmerle war 1909/1910 Landgerichtssubstitut in Vaduz.
[9] Vgl. den undatierten Kommissionsbericht an den Landtag betreffend die Justizreform (Traktandum 1 der Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 14.12.1907 anberaumte Landtagssitzung (LI LA LTA 1907/L01)). Vgl. weiters die Protokolle der öffentlichen Landtagssitzungen vom 14.12. und 16.12.1907 unter LI LA LTA 1907/S04/2.
[10] Staatsvertrag vom 19.1.1884 bezüglich der Justizverwaltung im Fürstentum Liechtenstein, LGBl. 1884 Nr. 8; vgl. öst. RGBl. 1884 Nr. 124.
[11] Gesetz vom 1.8.1895 betreffend die Einführung des Gesetzes über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdictionsnorm), öst. RGBl. 1895 Nr. 110; Gesetz vom 1.8.1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdictionsnorm), RGBL. 1895 Nr. 111; Gesetz vom 1.8.1895 betreffend die Einführung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Civilprocessordnung), RGBl. 1895 Nr. 112; Gesetz vom 1.8.1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Civilprocessordnung), RGBl. 1895 Nr. 113.
[12] Vgl. das Protokoll über die Beratung vom 6.11.1911 über die Gesetzentwürfe zur Reform des Zivilprozesses im Fürstentum Liechtenstein unter LI LA 1911/2923 ad 1390. Teilnehmer waren Hampe, In der Maur, Pfeiffer, Jahoda und Walker.
[13] Vgl. das Gesetz vom 10.12.1912 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung), LGBl. 1912 Nr. 9/1.
[14] Vgl. das Gemeindegesetz vom 24.5.1864, LGBl. 1864 Nr. 4.
[15] Vgl. das Gesetz vom 9.10.1865 betreffend den Schuldenbetrieb im Fürstentum Liechtenstein, LGBl. 1865 Nr. 5/1.
[16] Vgl. das Gesetz vom 16.8.1892, womit Bestimmungen des Exekutionsverfahrens abgeändert und ergänzt werden, LGBl. 1892 Nr. 4.
[17] Vgl. das Gesetz vom 10.12.1912 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm), LGBl. 1912 Nr. 9/2.
[18] Vgl. die Protokolle der öffentlichen Landtagssitzungen vom 27.7. und vom 7.12.1891 sowie vom 19.6.1897 (LI LA LTA 1891/S04/2 und LI LA LTA 1897/S04/2). Vgl. das Gesetz vom 16.12.1891 betreffend die Vollstreckung auswärtiger zivilgerichtlicher Urteile in Liechtenstein sowie das Gesetz vom 13.7.1897 betreffend die im Fürstentum Liechtenstein vollstreckbaren österreichischen Exekutionstitel, LGBl. 1897 Nr. 4.
[19] Vgl. das Gesetz vom 10.12.1912 betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Jurisdiktionsnorm, LGBl. 1912 Nr. 9/3.
[20] Kaiserliches Patent vom 20.12.1852, wirksam für Österreich unter und ob der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen und Krain, Görz und Gradiska, Istrien, die Stadt Triest mit ihrem Gebiete, Tirol und Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Ober- und Nieder-Schlesien, Galizien und Lodomerien, mit Auschwitz und Zator und Bukowina, wodurch für diese Kronländer eine neue Vorschrift über den Wirkungskreis und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechts-Angelegenheiten (Civil-Jurisdictionsnorm) erlassen und bestimmt wird, dass die Wirksamkeit derselben, in jedem dieser Kronländer zugleich mit der Wirksamkeit der daselbst neu zu organisierenden Bezirksämter und der übrigen Gerichtsbehörden zu beginnen habe, öst. RGBl. 1852 Nr. 251.
[21] Der Kommissionsbericht bzw. die Gesetzentwürfe wurden in der öffentlichen Landtagssitzung vom 14.11.1912 beraten und dann am 16.11.1912 vom Landtag einstimmig angenommen (Protokolle unter LI LA LTA 1912/S04/2), wobei die Zivilprozessordnung und die Jurisdiktionsnorm nach Art. I Abs. 1 des Einführungsgesetzes mit dem 1.6.1913 in Wirksamkeit zu treten hatten.