Die Anbeterinnen des Kostbaren Blutes ersuchen die Regierung, die Eröffnung eines Mädchenrealgymnasiums zu bewilligen


Schreiben von Rosina Hack, Provinzoberin der Anbeterinnen des Kostbaren Blutes, an die Regierung [1]

19.5.1942, Schaan

Mit gegenwärtiger Eingabe ersucht die unten gefertigte verantwortliche Leitung des Mutterhauses der Schwestern Anbeterinnen vom Kostbarsten Blut in Schaan eine Hohe Regierung des Fürstentumes Liechtenstein um gütige Gewährung der Errichtung einer seit längerem vorbereiteten, von Anfang des Baues geplanten höheren Mädchenschule (Realgymnasium) in dem genannten Mutterhause.

Zu der für eine solche Gewährung notwendigen Orientierung gestattet sich die Bittstellerin, Folgendes in Beschreibung, Begründung und an Verpflichtung dieses Ansuchens auszuführen:

A) Beschreibung

Die in Frage stehende Mittelschule soll 7 bzw. 8 Schuljahre umfassen. Die Schule soll, beginnend mit Anfang Oktober 1942, vom ersten Jahre d.h. von der ersten Klasse an aufgebaut, also mit jedem folgenden Jahre um einen Jahrgang oder eine Klasse erweitert werden, so dass der volle Umfang des Schulbetriebes mit dem Jahre 1949 bzw. 1950 erreicht würde.

An dieser Schule sind die von den analogen Mädchenmittelschulen in der Schweiz vorgesehenen und gehandhabten Studienfächer, sei es in der Eigenschaft von Hauptdisziplinen, sei es als Nebenfächer oder endlich als Freigegenstände, einzuführen geplant. Ein Lehrplan ist in Ausarbeitung begriffen, und wird nach Fertigstellung des Entwurfes eine Kopie als Nachtrag zu diesem Gesuche beigebracht. [2]

Für den Besuch dieser Mittelschule ist das vollendete zehnte Lebensjahr erfordert. Die Schülerinnen werden in interne und externe unterschieden; erstere bilden die Zöglinge des Internates, für die ein Pensionspreis von monatlich Fr. 100.-- zu erlegen ist. Für die externen Schülerinnen wird ein monatliches Schulgeld von minimal 20 und maximal 30 Fr. vorgesehen.

B) Begründung

Der erste Grund für die Errichtung der vorbeschriebenen Mittelschule liegt in dem bezüglichen Bedürfnis des Landes Liechtenstein, und zeugt vor allem der öfters und mehrfach und immer wieder geäusserte Wunsch von Eltern bzw. Familien von dem Vorhandensein eines solchen Bedürfnisses.

Ein anderer Grund für die Aufrichtung einer Mädchenmittelschule ist in der anfänglichen Zweckbestimmung beim Bau des Schwesternhauses in Schaan bzw. in Liechtenstein gegeben. Davon rührt ja auch die Bezeichnung "Institut". Auch gehört die Heranbildung von Mädchen in eigenen Schulen zu den ursprünglichen Aufgaben der Schwestern Anbeterinnen vom Kostbarsten Blut.

Ein dritter Grund für die Errichtung bzw. die Gewährung einer Mädchenmittelschule im Fürstentum Liechtenstein kann in dem Umstande und in der Tatsache gesehen werden, dass eine ganze Reihe von im Lande neu angesiedelten Familien (deren Zahl vermutlich noch zunehmen wird) ihre Töchter an die hier gegenständliche Mittelschule zur Ausbildung schicken möchten. Dazu kommen Fälle von bezüglich geäusserten Wünschen aus der benachbarten Schweiz.

Noch einmal darf wohl in besonderer Geltendmachung des erstangeführten Grundes darauf hingewiesen werden, dass jetzt und für die fernere Zukunft eine ganze Reihe von Familien in Ermangelung einer in Liechtenstein bestehenden Mädchenmittelschule gezwungen sind, ihre Töchter mit bedeutendem Mehraufwand an Geld auswärts, vorab in die Schweiz, zu schicken.

An fünfter Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass zu wiederholten Malen auch im Liechtensteinischen Priesterkapitel der nachdrückliche Wunsch nach einer höheren Töchterschule und der Verwirklichung dieses Gedankens gerade in St. Elisabeth in Schaan geäussert worden ist, wobei nicht unerwähnt bleiben mag, dass sowohl der letztverstorbene hochwürdigste Bischof Laurentius Matthias [Vincenz] wie auch der gegenwärtige Bischof der Diözese Chur [Christian Caminada] den Plan der Errichtung einer solchen Schule im Mutterhaus der Schwestern in Schaan gutgeheissen hat. Erst neuestens hat noch Seine Durchlaucht, der jetzt regierende Fürst von Liechtenstein, Franz Joseph II., mit hoher Genugtuung von der geplanten Errichtung der in Frage stehenden Mittelschule Kenntnis genommen.

C) Verpflichtung

Das ansuchende Mutterhaus der bezeichneten Schwestern verpflichtet sich, zeiterecht für befähigte und geeignete Lehrkräfte zu sorgen und zum Nachweise hiefür die entsprechenden Zeugnisse einer Hohen Landesregierung in Vaduz zur Vorlage zu bringen.

Für das erste Schuljahr (1942/43) kommen Lehrkräfte lediglich zur Gewährleistung des Unterrichtes in der ersten Klasse der zu errichtenden Mittelschule in Frage. Selbstredend wird sich die Gesuchstellerin der jeweils im Ausmass wachsenden Verpflichtung bewusst bleiben, für jedes weitere Schuljahr (Lehrklasse) die erforderlichen Lehrkräfte bereit zu stellen.

In analoger Weise verpflichtet sich die Gesuchstellerin, für die zu einem solchen Schulbetriebe erforderlichen Lehrräume und Einrichtungen wie auch für das Vorhandensein der geeigneten und möglichst guter Lehrbehelfe besorgt zu sein.

Die gezeichnete verantwortliche Leitung des Schwesternhauses St. Elisabeth in Schaan wird sich eine Ehre darein setzen, in jeder Hinsicht konkurrenzfähige und auf der Höhe stehende Leistungen in dieser Schule zu erzielen, sowohl hinsichtlich der eigentlichen intellektuellen und Wissensausbildung wie ebenso hinsichtlich der Erziehung der anvertrauten Mädchen zu edlen, charaktervollen und brauchbaren Menschen. Allein schon darum wird es einer erste und beständige Sorge der Anstaltsleitung sein, dass die an der Schule tätigen Lehrpersonen nicht nur über das notwendige Wissen verfügen, sondern nicht weniger erzieherisch wertvoll zu wirken imstande sind.

Als Beweis für den Ernst und die Umsicht in Übernahme der ganzen Verpflichtungen bei Errichtung der hier in Frage stehenden Mädchenschule darf die unterzeichnete Leitung des Provinzmutterhauses darauf hinweisen, dass sie seit Monaten in intensivem Verkehre steht sowohl mit der Generalleitung der Kongregation in Rom wie auch, im Einverständnisse mit dieser, unmittelbar mit den in der bosnischen Provinz tätigen deutschen Lehrschwestern mit höheren Prüfungen. Und dies, obwohl fast zu gleicher Zeit eine Einladung zur Übernahme einer Schule in Bajadoz in Spanien an die Schwestern des Mutterhauses in Schaan ergangen ist.

In der Hoffnung, dass eine Hohe Landesregierung vorstehendes Ansuchen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sache gemäss in Einsicht nehme, überprüfe und in wohlwollender Weise behandle, [3] zugleich mit der nochmaligen Versicherung, ernstlich, allseitig und von Grund auf um eine den heutigen Ansprüchen genügende und bewusst fortschrittliche Führung der Anstalt bzw. der Mittelschule bemüht zu sein, zeichnet, stets zu jedweden weiteren Auskünften bereit, in geziemender Ergebenheit

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[1] LI LA RF 210/062/001-002. Rückvermerke zum weiteren Geschäftsgang: Das Gesuch wurde in der Regierungssitzung vom 26.5.1942 behandelt und am 27.5.1942 an den Landesschulrat weitergeleitet.
[2] Vgl. den gedruckten "Lehrplan für das Institut St. Elisabeth. Mädchengymnasium mit angeschlossener Handelsabteilung u. Haushaltungsschule" von 1942 (zur Datierung vgl. LI LA RF 210/062/014, Albert Drexel an Anton Frommelt, 5.8.1942) sowie den maschinenschriftlichen "Lehrplan für das Institut St. Elisabeth. Mädchengymnasium mit angeschlossener Handelsabteilung u. Haushaltungsschule. Schaan 1942", der detaillierte Angaben über den in den einzelnen Fächer behandelten Stoff gibt. Exemplare der beiden Lehrpläne in LI LA RF 210/062/013, 015 und in LI LA V 102/1427.
[3] Der Landesschulrat erteilte am 13.7.1942 die Bewilligung für die Eröffnung des Mädchengymnasiums (LI LA RF 210/062/003).