Der Verband der liechtensteinischen Kaufleute spricht sich für die Ausweisung des aus Galizien stammenden Juden Marian Thuna aus, der unerlaubten Hausierhandel betreibe


Maschinenschriftliches Schreiben des Verbandes der liechtensteinischen Kaufleute, gez. Präsident Rudolf Real, an die Regierung [1]

o.D. (ca. 29.9.1921), o.O.

An die Hohe Fürstliche Regierung, Vaduz

Der gefertigte Verband der liechtensteinischen Kaufleute ersucht eine Hohe fürstliche Regierung um die Bewilligung, am Sonntag 2. Oktober 1921 im [Gasthaus] Kirchthaler eine Versammlung abhalten zu dürfen.

Des weiteren möchten wir die Angelegenheit Thuna noch einmal aufrollen. Der Unterzeichner dieses zeigte [Marian] Thuna das erste mal am 15. Juni, [2] das zweitemal am 17. Juni 1921 [3] der Hohen Fürstlichen Regierung an, ohne bis heute Bescheid über dessen Bestrafung erhalten zu haben. Dass Thuna an Private verkauft hat, steht doch fest. Dass er weiter nicht auftragsgemäss liefert, ist im ersten Schreiben auch angeführt. Dass er sehr, echt jüdisch aufdringlich ist, beweisen der Hohen Regierung folgende Herren: Alfons Negele, Handlung Triesen, und Johann Frick, Handlung Balzers. Die Ortsvorstehung Vaduz sagte schon vor längerem, sie wolle Thuna die Aufenthaltsbewilligung entziehen, sei es aber nicht im Stande, da Dr. [Wilhelm] Beck im Besitze derselben sei. In Anbetracht all dieses kann der Verband nicht umhin, sein Erstaunen auszudrücken, dass es bei uns nicht möglich sein soll, einen lästigen jüdischen Ausländer, der dem hiesigen steuerzahlenden Gewerbe Schaden zufügt, auszuweisen. Einige Lieferungen hat Thuna auch prompt ausgeführt, so diejenigen an Georg Amann. Die Unterschriften, die er sammelte, hat er auch meistens bei Frauen erhalten, oder es ist ihm gelungen, dieselben durch seine bekannte jüdische Überredungskunst zu erhalten.

Die vorangeführte Angelegenheit wird der Verband unter anderem in der sonntäglichen Versammlung besprechen und erhoffen wir bis dahin Auskunft über diese Angelegenheit, umsomehr, als Thuna beabsichtigt, das Handelsgewerbe hier auszuüben, wo er doch eigentlich schon vorbestraft gehört. [4]

Hochachtungsvoll

Der Verband der liechtensteinischen Kaufleute

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[1] LI LA RE 1921/4349. Zwei entwertete Stempelmarken zu 50 Heller bzw. 50 Rappen. Eingangsstempel der Regierung vom 30.9.1921.
[2] Vgl. die Anzeige von Felix Real an die Regierung vom 15.6.1921 unter LI LA J 007/S 051/146 (Zl. 1. Aktenzeichen der Regierung: 2652 ad 0569 Sts).
[3] Vgl. die Anzeige von Felix Real an die Regierung bzw. das F.L. Landgericht vom 17.6.1921 unter LI LA J 007/S 051/146 (Zl. 2).
[4] Gemäss Regierungsvermerk vom 1.10.1921 wurde die vom Verband beantragte Versammlung bewilligt und hievon die Ortsvorstehung Vaduz in Kenntnis gesetzt. Rudolf Real wurde von der Regierung darüber orientiert, dass die Erhebungen über Thuna im Gange seien und dass sie nichts unterlassen werde, die Angelegenheit „der geordneten Lösung zuzuführen“ (LI LA RE 1921/4349). Der Verband der liechtensteinischen Kaufleute sprach sich dann mit Schreiben an die Regierung vom 3.1.1922 dezidiert gegen die neuerliche Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung seitens der liechtensteinischen Ortsvorstehungen an Thuna aus: „Nur so wird es möglich sein, diesen lästigen Juden aus dem Lande zu bringen …“ (LI LA RE 192/0050). Regierungschef Josef Ospelt antworte dem Verband am 7.2.1922, dass dessen Ersuchen nicht entsprochen werde könne. Der Regierung stehe ein Eingriff in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden solange nicht zu, als hiezu kein begründeter Anlass vorhanden sei. Nach dem Sinne der bestehenden Gesetze und dem von den umliegenden Staaten gewährleisteten Gegenrecht könne die Ausweisung eines Ausländers ohne Gründe nicht erfolgen (ebd.). Tatsächlich war Thuna, der von der Staatsanwaltschaft wegen Übertretung der Hausiervorschriften angeklagt worden war, vom F.L. Landgericht aber am 19.1.1922 freigesprochen worden (LI LA J 007/S 051/146 (Zl. 4)).