Maschinenschriftliches Schreiben von Landesverweser Josef Peer, nicht gez., an die fürstliche Kabinettskanzlei [1]
13.11.1920
Hochverehrter Herr Kabinettsrat [Josef Martin]!
I. Die von Seiner Durchlaucht [Johann II.] anlässlich der Thronbesteigung [2] verliehenen Auszeichnungen werden den damit Bedachten bekanntgegeben; die Bilder Seiner Durchlaucht werden den Herren Peter Büchel und Dr. Rudolf Schädler, [die] dem hiesigen Vorrat entnommene Medaille dem Abgeordneten [Karl] Kaiser in Schellenberg zugestellt. [3] Die Genannten haben mich ersucht, ihren untertänigsten Dank Seiner Durchlaucht zu übermitteln.
Von dem Antrag auf Verleihung der Medaille an Herrn Pfarrer [Franz] von Reding glaubte ich derzeit absehen zu sollen; derselbe hat nämlich die in die Wege geleitete Organisierung der christlichen Arbeiter nicht gerade geschickt angefasst; [4] in Anerkennung der guten Absichten, die ihn beseelten, könnte dann seine Auszeichnung erfolgen, wenn er die Führerschaft in absehbarer Zeit an jemand anderen, beispielsweise Herrn Hofkaplan [Alfons] Feger, abgibt.
II. Anlangend die Gründung eines internationalen katholischen Büros glaube ich auch, dass es für das Land vorteilhaft wäre, wenn es als Sitz dieses Büros ausersehen würde. [5] Derlei Dinge geben einem kleinen Land ein gewisses Relief und bringen eine beträchtliche Anzahl distinguierter Leute und viel Geld ins Land, was nur erwünscht sein kann. Dass der Bischof von Chur [Georg Schmid von Grüneck] im Gegenstand befragt werden muss, halte ich für selbstverständlich, da an seinem allfälligen Widerstande das ganze Projekt scheitern könnte. Derzeit weilt der Bischof noch in Amerika, dürfte aber bald zurückkehren. Seine Durchlaucht der Herr Prinz Karl war zur Zeit, als das dortamtliche Schreiben einlangte, bereits abgereist. Ich werde nächster Tage Gelegenheit haben, mit dem Herrn Kanonikus [Johann Baptist] Büchel zu sprechen und werde ihn dann bitten, im Auftrage Seiner Durchlaucht bei Seiner bischöfl. Gnaden geeignet zu sondieren. Übrigens werde ich, sobald ich von Chur Nachricht erhalte, dass der Herr Bischof zurück sei, ohnedies ihm meine Aufwartung machen, wobei dann auch über diese Angelegenheit gesprochen werden kann.
III. Wie bereits ad I erwähnt, hat Herr Pfarrer von Reding keine sehr glückliche Hand für die Organisation der Arbeiter bewiesen. Auch sein Mitarbeiter, der Sekretär [Georg] Eisele von St. Gallen, „zieht nicht“. Ich habe darum bereits angeregt, sie sollen sich für Zwecke der Propaganda einen besseren Herrn aus der Schweiz verschreiben und es wurde mir in dieser Richtung ganz besonders Herr Regierungsrat [Josef] Scherrer von St. Gallen empfohlen. Dem Herrn Hofkaplan Feger fehlt es an zur Führerschaft durchaus nicht an Geschicklichkeit und am erforderlichen Wissen auf dem Gebiete der sozialen Fragen. Auch führt er eine recht gute Feder und ist in beträchtlichem Masse ehrgeizig. Nur wird man ihn politisch etwas auf die Finger sehen müssen, da gerade sein Ehrgeiz ihn seinerzeit verleitet hat, in Erwartung einer Verschiebung in den politischen Machtverhältnissen im Lande stark „hinüberzuschillern“. Immerhin hat er sich seit längerer Zeit erheblich gebessert.
IV. Was die Riedentwässerung anlangt, ist kurze Zeit, nachdem ich durch Seine Durchlaucht den Prinzen Karl Seiner Durchlaucht dem regierenden Herrn die Idee einer baldigen Projektsverfassung unterbreitete, eine Deputation von Eschen bei mir erschienen und hat mir das beiliegende Gesuch [6] um Befürwortung und beförderliche Behandlung vorgelegt. [7] Die Deputation war sehr erfreut zu hören, dass auch Seine Durchlaucht sich für diesen Gegenstand interessieren.
Es würde sich zunächst nur um die Erstellung eines Projektes handeln, das sodann die Grundlage für die Bildung einer Wassergenossenschaft im Sinne der in Liechtenstein und auch anderswo in ausgebildeterem Masse bestehenden gesetzlichen Vorschriften abzugeben hätte. Die beträchtlichen Kosten der Ausführung des Projektes selbst könnten umso leichter zum überwiegenden Teile von den Gemeinden, den Grundeigentümern und vom Lande getragen werden, als ja daraus diesen Faktoren ein ganz erheblicher und dauernder Vorteil erwachsen würde.
Für die Projektsverfassung, die wahrscheinlich einige tausend Franken kosten würde, müsste, aber soll nicht das ganze ein totgeborenes Kind und der Aufwand nutzlos gemacht werden, ein sachverständiger Kulturingenieur gewonnen werden, der auf diesem Gebiete schon praktisch tätig war. Den Oberingenieur [Gabriel] Hiener halte ich für ganz unbrauchbar. Er ist ein sehr braver, fleissiger Mensch, aber ganz entsetzlich schwerfällig und altmodisch. Wenn er die Sache in die Hand nehmen sollte, wäre schon das halbe Vertrauen der Bevölkerung dahin und wir würden nie zu einem Ende kommen. Er braucht deshalb nicht etwa ganz ausgeschaltet zu werden, da seine Erfahrungen in Bezug auf die Rheinkorrektion und den Einfluss derselben auf die Entwässerung immerhin mit Nutzen verwertet werden können.
Ich sehe mich inzwischen um einen geeigneten Mann um und werde trachten, ganz unverbindlich die Projektsverfassung zu erheben, um dann weiter berichten zu können.
V. Der Verfassungsentwurf, [8] mit dessen Ausarbeitung ich beschäftigt bin, macht mir manche Beschwerde, weil ich durch andere Arbeiten derart okkupiert bin, dass ich zu ersterer Arbeit nur die Nachstunden verwenden kann. Wenn es möglich ist, einiges aus dem Entwurfe des Herrn Prinzen Karl [9] in den von Seiner Durchlaucht angedeuteten Belangen herübernehmen zu können, werde ich es gerne besorgen. Am ehesten ist so etwas durchzubringen, wenn der „katholische Schweizer“, [10] den wir nächstens werden berufen müssen, Anregungen in diesem Sinne zur Berücksichtigung empfiehlt.
VI. Die Zinsen des Darlehens, das Seine Durchlaucht der Sparkassa gewährt hat, werden einstweilen gutgeschrieben; ich werde übermorgen mit dem Herrn Rentmeister [Julius Hartmann] und dann eventuell gemeinsam mit ihm Anträge unterbreiten.
VII. Der Angelegenheit betreffend die von Herrn Dr. [S. Manfred] Singer angestrebte Staatsbürgerschaft widme ich unter Einem einen separaten Bericht. [11]
VIII. Dem Auftrage betreff vertraulicher Behandlung der Erhöhung des Wohltätigkeitsfonds [12] komme ich nach.
Ich bin, sehr geehrter Herr Kabinettsrat, Ihr in ganz besonderer Hochachtung und Wertschätzung
ergebener