Handschriftliches Schreiben von Albert Schädler, gez. ders., an Landesverweser Leopold von Imhof [1]
25.3.1918, Vaduz
Sehr geehrter Herr Landesverweser
Mit Bezugnahme auf Ihre kürzliche Anfrage wegen Annahme eines fürstlichen Abgeordneten-Mandates erlaube ich mir, noch schriftlich zu antworten. Ich erklärte Ihnen mündlich, ich würde, wenn Seine Durchlaucht [Johann II.] den besonderen Wunsch ausspreche, dass ich ein fürstl. Mandat annehme, nicht nein sage, da ich unseren Landesfürsten, dem unser Land so vieles verdankt, zu hoch verehre. Diese meine mündlich abgegebene Erklärung halte ich auch heute nach genauerer Überlegung fest u. halte sie für begründet. Nachdem ich u. zwar immer in führender Stellung [2] seit dem Jahre 1882 – mit Ausnahme 1886-89, wo ich die Wahl ablehnte – im Landtage tätig war, muss ich es aus begreiflichen taktischen Gründen [3] zur Sicherung meiner Stellung als zweckdienlich erachten, wenn ein ausdrücklicher Wunsch des Fürsten vorliegt [4] u. gegebenen Falls auch in der Öffentlichkeit in einer passenden Weise bekannt gegeben wird, um Missdeutungen meiner Annahme vorzubeugen. Beifügen kann ich, dass schon mehrere Deputationen bei mir waren, um mich zur Annahme eines f. Mandates zu bewegen. Ich erwiderte denselben, dass ich nach Lage der Dinge mich lieber ganz vom politischen Leben zurückzöge. Das ist auch heute noch mein Empfinden u. ich kann daher nur unter den eingangs gekennzeichneten Voraussetzungen mich zu einer Mandatsannahme verstehen. –
Unter Einem möchte ich Euer Hochwohlgeboren ersuchen, allenfalls jetzt schon, wenn Sie den Zeitpunkt für geeignet halten, bei Seiner Durchlaucht wegen des grossen Finanzplanes der Historischen Kommission für Vorarlberg und Liechtenstein [5] unter Vorlage der gedruckten Einladungen vorstellig zu werden. Von Herrn Kustos Dr. Julius Banko erhielt ich dieser Tage eine Erklärung, dass er als Förderer 200 K. für den gedachten Zweck zeichne. Ich selbst beabsichtige, 1000 K. zu zeichnen. [6] Ich nehme an, dass wir Alles zusammen im Lande selbst 3-4000 K. möglicherweise erreichen können. Wenn unser Fürst, der für diese wichtige wissenschaftliche Bestrebung in seiner Hochherzigkeit gewiss auch günstig gestimmt ist, vielleicht mehrere Anteile etwa 5 = 5000 K. [sic !] gewähren würden, käme unser Land immerhin auf 8-9000 K., was ich nach Verhältnis der Bevölkerungszahl als genügend ansehe. – Sollten Sie einen späteren Zeitpunkt für geeigneter halten, um beim Fürsten anzusuchen, so könnte sich der Ausschuss unseres Histor. Vereins später gelegentlich mit der Sache befassen u. das Nötige einleiten. [7]
Hochachtungsvoll ergebenst [8]
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[1] LI LA RE 1918/ad 0046. Kopie unter LI LA PA 005/210.
[2] Albert Schädler war von 1882 bis 1886 und von 1890 bis 1919 Abgeordneter sowie Präsident des liechtensteinischen Landtages.
[3] Wohl im Hinblick auf den Ausgang der Landtagswahl vom 11.3.1918 bzw. den relativen Erfolg der Christlich-sozialen Volkspartei. Schädler hatte 437 Stimmen erreicht und damit den Einzug in den Landtag verpasst (vgl. L.Vo., Nr. 11, 15.3.1918, S. 1 ("Das Ergebnis der Hauptwahlen für den kommenden Landtag"); L.Vo., Nr. 12, 22.3.1918, S. 2 ("Nachklänge zu den Wahlen")).
[4] Handschriftliche Randbemerkung von Landesverweser Imhof: "abgelehnt".
[5] Die Kommission bezweckte die Herausgabe der landesgeschichtlichen Quellen von Vorarlberg und Liechtenstein "auf moderner Grundlage, um damit die Vorbedingung zur Bearbeitung einer allen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Landesgeschichte zu schaffen" (vgl. L.Vo., Nr. 4, 25.1.1918, S. 2 ("Histor. Kommission für Vorarlberg und Liechtenstein")). Sie war vom Landesmuseumsverein für Vorarlberg und vom Historischen Verein für das Fürstentum Liechtenstein ins Leben gerufen worden (vgl. L.Vo., Nr. 5, 1.2.1918, S. 1-2 ("Die Errichtung einer Friedensstiftung")).
[6] Schädler zeichnete für den Fall des Zustandekommens der geplanten Friedensstiftung 1000 Kronen (vgl. L.Vo., Nr. 16, 19.4.1918, S. 2 ("Histor. Kommission für Vorarlberg und Liechtenstein")).
[7] Im "Liechtensteiner Volksblatt" wurde Ende Mai 1918 die Meldung kolportiert, dass Fürst Johann II. auf Bitte des Historischen Vereins einen "Stifterbeitrag von 10'000 Kronen zu widmen geruhten" (vgl. L.Vo., Nr. 22, 31.5.1918, S. 2 ("Vaduz")).
[8] Mit Schreiben vom 26.3.1918 teilte Schädler dem Landesverweser mit, dass Landesvikar Johann Baptist Büchel und er sich entschlossen hätten, die "angetragenen Ernennungen zu fürstl. Abgeordneten anzunehmen, ohne weitere Bedingungen zu stellen" (vgl. LI LA RE 1918/ad 0046). Das Ernennungsdekret der Regierung für die Genannten sowie für Johann Wohlwend erging am 8.4.1918 (vgl. LI LA RE 1918/1519 ad 0046/0646; vgl. auch L.Vo., Nr. 15, 12.4.1918, S. 1 ("Kundmachung")).