Maschinenschriftliches Schreiben der Abteilung für Auswärtiges des Schweizerischen Politischen Departements, gez. i.A. Charles Louis Etienne Lardy, an Emil Beck, liechtensteinischer Geschäftsträger in Bern [1]
24.10.1919, Bern
Rechtsverhältnis zwischen der Schweiz und Liechtenstein
Herr Geschäftsträger,
Am 22. April besuchte Seine Durchlaucht Prinz Karl Liechtenstein Herrn Bundesrat [Felix] Calonder und sprach den Wunsch aus, dass zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Verträge abgeschlossen werden, in Bezug auf Zoll, Post und Justiz, wie solche ehemals zwischen dem Fürstentum und Österreich bestanden: [2] Prinz Karl Liechtenstein überreichte dann am 9. und am 22. Mai eine gewisse Anzahl Dokumente, welche zum Studium der Angelegenheit dienen sollten. [3]
Der Bundesrat hat den Vorschlag der Liechtensteinischen Regierung wohlwollend geprüft. Von dem Wunsche beseelt, mit dem Fürstentum die besten und intimsten Beziehungen zu pflegen, ist die schweizerische Regierung gerne bereit, die Angelegenheit weiter zu verfolgen, und wir beehren uns, Sie zu bitten, der Fürstlichen Regierung die Ernennung einer Kommission vorzuschlagen, welche die Frage in allen ihren Einzelheiten prüfen sollte. [4] Ihrerseits würde die Schweiz je einen Vertreter folgender Departemente ernennen: Finanz, Posten [!], Justiz- und Polizei, Volkswirtschaft. Sollte dieser Vorschlag Ihrer Regierung genehm sein, so gewärtigen wir gerne die Bezeichnung des oder der liechtensteinischen Delegierten. [5]
Ihrer freundlichen Rückäusserung gerne entgegensehend, ergreifen wir den Anlass, Sie, Herr Geschäftsträger, unserer vorzüglichsten Hochachtung zu versichern.
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[1] LI LA V 002/0299/001. Aktenzeichen: 111.T/M.- B.14.24.P.4. Eingangsstempel der Gesandtschaft in Bern vom 24.10.1919. Beck teilte den Inhalt des Schreibens am 24.10.1919 der Regierung mit (LI LA V 002/0293/07).
[2] Vgl. LI LA RE 1919/2023, Prinz Karl an Johann II., 25.4.1919.
[3] Prinz Karl hatte Bundesrat Calonder mit Schreiben vom 9.5.1911 (LI LA SF 27/1919/2282 ad 1710) den Zollvertrag von 1876 (LGBl. 1876 Nr. 3), den Postvertrag von 1911 (LGBl. 1911 Nr. 4) und den Justizvertrag von 1884 (LGBl. 1884 Nr. 8) übermittelt, mit Schreiben vom 22.5.1919 (LI LA SF 27/1919/2482 ad 1710) zudem die Landesgesetzesblätter betreffend die Einführung der Kronenwährung (LGBl. 1898 Nr. 2; LGBl. 1900 Nr. 2). Vgl. dazu auch LI LA SF 27/1919/2482 ad 1710, Prinz Eduard an Prinz Karl, 16.5.1919.
[4] Vgl. DDS, Bd. 7b, Nr. 112, Protokoll über die Verhandlungen des Bundesrates, 17.10.1919.
[5] Beck antwortete mit Schreiben vom 8.11.1919, Liechtenstein sei mit der Einsetzung einer Kommission "sehr einverstanden" und nannte als liechtensteinische Delegierte nebst ihm selbst die Regierungsräte Josef Marxer und Johann Wanger sowie den Postmeister und Landtagspräsidenten Friedrich Walser (LI LA V 002/0299/002). Die Schweiz nannte darauf mit Schreiben vom 22.11.1919 ihre Delegierten und schlug den 1.12.1919 als Datum der Konferenz vor (LI LA V 002/0299/003). Auf liechtensteinischen Wunsch wurden die Verhandlungen in der Folge wiederholt verschoben, was im Schweizerischen Politischen Departement einige Irritationen auslöste (vgl. CH BAR E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4, Vereinbarungen mit Liechtenstein, 1919-1920, Schweizerisches Politisches Departement an Charles-Daniel Bourcart, schweizerischer Gesandter in Wien, 20.12.1919). Zu den Verhandlungen, die schliesslich am 23./24.1.1920 stattfanden, vgl. LI LA SF 27/1920/0650 ad 64, Protokoll der Konferenz vom 23./24.1.1920.