Maurice Arnold de Forest schlägt Fürst Franz Josef II. vor, in Bern eine Gesandtschaft zu errichten


Schreiben von Maurice Arnold de Forest, Graf von Bendern, an Fürst Franz Josef II. [1]

10.5.1944, Zürich

Euere Durchlaucht,

Ich fühle, dass ich mich erlauben muss, über die Wendung der Dinge meine Besorgnis schriftlich zum Ausdruck zu bringen.

Ein direkter Kontakt zwischen den Regierungen zweier unabhängigen Staaten ist nach den Usanzen unmöglich. Seit der Abschaffung der Liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern [2] hat die Fürstliche Regierung, an Stelle der Liechtensteinischen Diplomatischen Vertretung zum Bundesrat und des Liechtensteinischen Kontaktes mit demselben, die Bureaux des Schweizerischen Politischen Departments als Ersatzmittel erstellt. Da die Bureaux aber nicht zwei Meister dienen können, hat diese Lösung, die der Fürstlichen Regierung als einfach und passend erschien, als grotesk, wenn nicht gerade als tragisch sich eben entwickelt. Gegenwärtig ist der staatliche Verkehr Vaduz mit Bern gleich dem eines Kolonialgebietes mit dem Mutterland, wobei Liechtenstein nicht einmal den Prestige eines Kantons geniesst.

Dass die Regierung in Vaduz nicht imstande ist, die komplizierten völkerrechtlichen Probleme der nächsten Zeiten richtig in dieser Weise zu behandeln, und dass für die kommende Krisenperiode Euere Durchlaucht einen selbstständigen angesehenen liechtensteinischen Kontaktsorgan in Bern direkt mit dem Bundesrat aufrechterhalten müssen, ist meine feste Überzeugung, und ich halte es für meine Pflicht, Euere Durchlaucht gegen alle Überredungsversuche zu warnen.

Die Errichtung einer Gesandtschaft wäre ein reine Schweizerische-Liechtensteinische Angelegenheit und geschaffen, um den Verkehr zwischen den beiden Regierungen zu bereinigen und zu normalisieren, und den Prestige der Fürstlichen Regierung zu erheben; sie hätte grundsätzlich keinen Zusammenhang mit der Anknüpfung einer Verbindung mit den Allierten. [3]

Was für ein Interesse hätte Deutschland daran, dass das gegenwärtige, undurchsichtige und abnormale Verbindungssystem zwischen Vaduz und Bern weiterhin bestehen sollte? Warum sollte diese Gesandtschaft mehr von Deutschland als von den Allierten in Verdacht gezogen werden? Würde nicht eine Verbindung Liechtensteins über die Gesandtschaft in Bern auch in Berlin mehr Ansehen geniessen als das jetzige Doppelspiel, wobei man dort niemals recht wissen kann, ob eine Verbindung von Vaduz mit Deutschland über die Schweiz oder ohne die Schweiz stattfinden sollte?

Übrigens aber liegt der Kernpunkt der Sache darin, dass das Agrément zur Gesandtschaft von der Bundesregierung zu geben ist, und dass man sich entschieden darauf verlassen kann, dass die Schweiz keinen Risiko einer deutschen Missstimmung wegen der Angelegenheit übernehmen wird. Allein deswegen scheinen also die Befürchtungen der Fürstlichen Regierung gegen die Errichtung der Gesandtschaft als kaum berechtigt. [4]

Gegenüber dem Vorschlag, in London und in Washington das Problem des Fürstlichen Besitzes jetzt plötzlich von den schweizerischen Gesandten mit einer Anfrage aufzuwerfen, muss ich mein Besorgnis ausdrücken. Stammt diese Proposition nicht vielleicht von Vaduz aus? Diese Aktion, wenn man nicht einmal weiss, wie die Sache präsentiert würde, könnte alles über den Haufen werfen.

Man darf nicht vergessen, dass die schweizer Gesandten zu keinen ausländischen Regierungen für Liechtenstein akkreditiert sind. Sie können daher niemals für Liechtenstein wirklich auftreten, sondern nur für Liechtenstein vermitteln. Das ist ein grosser Unterschied. Dafür sollte aber aus Liechtenstein das Politische Department ausführliche Instruktionen bekommen. Wer ist nun imstande von Vaduz aus in einem komplizierten Falle solche zu geben? Wer gibt sie überhaupt? Alles ist in einem ungewissen, ungeklärten, verworrenen Zustand und wird den Bureaux des Politischen Departments, die keine Verantwortung in der Sache haben, aufs geradewohl, über das Telephon, überlassen.

Euere Durchlaucht haben neulich bei Bundesrat [Marcel] Pilet-Golaz erfahren, [5] dass er kaum informiert war über das Thema der langen Verhandlungen, die die Fürstliche Regierung in der amerikanischen und Nationalbank Licenz Frage mit dem Politischen Department während der drei letzten Jahre ergebnislos geführt hatte – eine Sache, die jedoch für den internationalen Rechtsstand Liechtensteins prinzipiell schwerwiegend war und ist, und die Aufmerksamkeit des Bundesrates verdiente. [6] Sie blieb aber in den Bureaux stecken, weil sie eben eine liechtensteinische Angelegenheit war, und solche Fälle haben sich überhäuft.

Von allen ausländischen Interessen Liechtensteins bildet der Privat-Besitz Euerer Durchlaucht in Zentraleuropa das heikelste Problem zu behandeln, gegenüber welchem das der liechtensteinischen Interessen in Allierten Ländern ein einfaches ist. Euere Durchlaucht können am besten beurteilen, ob die Fürstlichen Interessen sich bei der Fürstlichen Regierung in den Händen von fähigen und sicheren Verteidigern gegenwärtig befinden.

Ich darf mich nun weiter erlauben, ergebenst fragen zu dürfen, wie es eigentlich mit den allierten Gesandten in Bern nach dem letzten Gespräch steht. Können Euere Durchlaucht jetzt ohne Beschränkung sprechen? Schweizerseits wird ein Memorandum über das Gespräch sicherlich geschrieben werden. Es wäre vielleicht doch ungefährlich gewesen, wenn das Memorandum Euerer Durchlaucht, das keine Unterschrift trug, hintergeblieben wäre.

Zum Schluss erbitte ich Euere Durchlaucht nochmals das unpopuläre Thema der Reisen erwähnen zu dürfen. Der stärkste völkerrechtliche Stützpunkt für die spätere Sicherstellung des Fürstlichen Privat-Besitzes liegt darin, das Euere Durchlaucht Souverän eines neutralen Landes sind und dort ständigen Wohnsitz haben sollten. Der Aufenthalt in einem der kriegführenden Länder geht schwer mit diesen Begriffen zusammen, kann die Sache Euerer Durchlaucht in Bern und bei den Allierten schaden und den völkerrechtlichen Rechtsstandpunkt Euerer Durchlaucht untergraben, - umsomehr wenn Euere Durchlaucht ohne Vertretung in Bern sind.

Ich erbitte Euere Durchlaucht zu entschuldigen, dass ich mich so offen in diesem Briefe ausgesprochen habe. Ich bin aber überzeugt, dass ich in dieser Weise Euere Durchlaucht am besten dienen kann.

Ich stehe Euerer Durchlaucht wie immer für weitere Beratungen zu jeder Zeit zur Verfügung und verbleibe, mit treueste Ergebenheit,

Euere Durchlauchts gehorsamster Diener

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[1] LI HALV, Karton 630, Akt Errichtung der liechtensteinischen Gesandtschaft Bern 1944 (a). Am Kopf der ersten Seite durchgestrichener handschriftlicher Vermerk von Franz Josef II.: "da er vielleicht etwas zu scharf war, habe ich diesen Entwurf eines Memorandums nicht benützt; um aber Bendern nicht zu beleidigen, habe ich ihm nicht mitgeteilt, dass sein Memorandum nicht verwendet wurde;".
[2] Die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern wurde vom Landtag in der Sitzung vom 22./23.3.1933 aufgehoben (LI LA LTP 1933/034).
[3] Franz Josef II. bemühte sich seit Sommer 1943, zur Wahrung seiner Interessen in der Nachkriegszeit direkte Kontakte zu Grossbritannien und den USA zu knüpfen. Maurice Arnold de Forest diente bei diesen - letztlich erfolglosen - Bemühungen als Mittelsmann. Vgl. DDS, Bd. 14, Nr. 410, sowie die Korrespondenz in LI HALV, Karton 630, Akt Errichtung der liechtensteinischen Gesandtschaft Bern 1944.
[4] Zu den Argumenten der Regierung gegen die Errichtung einer Gesandtschaft vgl. LI HALV, Karton 630, Akt Errichtung der liechtensteinischen Gesandtschaft Bern 1944 (d), Memorandum der Regierung, 9.6.1944.
[5] Der Fürst sprach im April 1944 bei Bundesrat Pilet-Golaz vor.
[6] Nachdem die USA am 14.6.1941 alle kontinentaleuropäischen Guthaben in den USA gesperrt hatten, erlaubte die US-Regierung mit der General License No. 50 vom 20.6.1941 den Kapitaltransfer in die Schweiz via Nationalbank (DDS, Bd. 14, Nr. 58). Liechtenstein bemühte sich erfolglos darum, in die Vereinbarung einbezogen zu werden.