Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über den Schulbesuch der Kinder Julius und Theresia bei den katholischen Schwestern, die Sehnsucht nach der alten Heimat sowie die schlechte Behandlung der Justina Gassner [-Lampert] durch deren Mann Alois Gassner


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler], und die übrigen Geschwister in Triesenberg, mit einem Nachtrag von ihrem Sohn Julius Lampert [1]

21.10.1878, Freeport (Illinois)

Liebe, theure Geschwisterte!

Ich habe Dein schreiben vom Aprill
richtig erhalten u. die Bilder haben
meine Kinder [Julius Lampert, Theresia Lampert] recht gefreut, besonders
da sie von ihrer Kasiene waren,
o, könnten sie auch so glücklich wie viele
andere Kinder u. nahe bei ihr sein.
Liebe Schwester verzeihe mir, dass [2] ich
Dich so lange ohne Nachricht liess,
den ich wartete immer auf eine andere
Antwort, den ich habe Dir am 8. [3] März
einen Brief u. 2 Zeitungen geschikt
u. noch keine Antwort erhalten
ich habe die Adresse an Dich selbst
gerichtet, u. ich habe auch inttressante
Fragen an dich gerichtet, welche Du
mir ja beantworten möchtest.
Wier sind Gott sei Dank gesund u. wohl
in unserer alten Lage, ich habe
immer genug arbeit, dass ich mit [4]
meinen Kindern gut durch kommen
kan, meine Kinder gehen beide in die
katholische Schule bei den Schwestern
u. ich muss jeden Monat 1 Thl. [Thaler] bezahlen
nächstes Frühjahr kommt der Julius aus
der Schule, dan schike ich ihn noch auf
die Hochschul bis er alt u. stark genug
ist ein Handwerk zu lernen diese schul
ist frei da braucht man nichts zu beza-
len. Wir haben hier im Sebtember
die Staatsveer oder Ausstellung gehabt
wobei jeden Tag einer ganzen Woche
35 bis 40 tausendend  Menschen waren.
Es wundert mich recht wie es dem
Arnold geht ob er noch lebt u. wie
es seinem Vater u. euch allen geht.
Liebe Schwester Julia schreibe  
mir recht bald u. viel Neuigkeiten
von meiner alten Heimath, welche
ich nie vergessen kan, aber ob ich sie
noch einmal sehen werde oder nicht
das kann ich nicht sagen. [5]

Liebe Schwester ich will nun schliessen
mit viel tausend grüssen an Euch alle
Bekante u. Verwandte Vetter Basen
den Lehrer u. seine Famile Arnold
u. Ferdinand u. besonders Dich liebe
Schwester, u. ich Verbleibe Deine
Dich nie vergessende

Schwester Karolina Lampert

Liebe Base und Gotta!

Auch ich muss Dir ein bar Zeilen
Schreiben, die bilder von Deinem
Kinde [Kreszenz Sele] haben uns innigst erfreut,
und wollen ihm auch unsere
bildern schicken. Ich habe mich
schon oft gesehnt nach euch
wen meine Mutter von euch
und von unserer Heimath
erzählt hat aber ich kan es jetzt
noch nicht sagen ob wier uns noch
einmahl sehen oder nicht wiewohl ich
euch alle Verwante sehen und
mit euch sprechen möchte. [6]

Viele herzliche Grüsse von mir und
meiner Schwester an euch alle
verwante besonders an Dich liebe
Gotta und unsere Cosina

und ich verbleibe Dein
Dich liebender

Pathe Julius Lampert

Noch muss ich Dir noch zu wissen
thun, dass es der Justina [Gassner [-Lampert]] recht
schlecht geht, den sie wird von ihrem
Mann [Alois Gassner] recht schlecht behandelt, er ist
ein Abfeller und Turner, und sie darf
die Kirche nie mehr betretten, den
er ist ein Feind der Kirche. Ich habe
heute Abend wieder einen Brief
von Oregon gelesen, worin ich vieles
Unangenehmes hörte, das ich die
Justina bedauren muss.

Ich hätte es dem Lehrer schon längst
geschrieben, aber ich habe gedenkt es
könte ihn beleidigen, du kanst ihm
etwas davon wissen lassen. [7]

______________

[1] LI LA PA 188/009. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Durchstreichung.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Dieser Satz wurde am oberen Seitenrand hinzugefügt.