Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über ihre verstorbene Tochter „Liene“ Lampert, den strengen Winter in Amerika, den Streit zwischen Republikanern und Demokraten anlässlich der Präsidentschaftswahl von 1876, die Erstkommunion des Sohnes Julius Lampert im folgenden Frühjahr sowie die Lesung zweier Messen für die im Dezember 1862 verstorbene Mutter Kreszenz Schädler [-Sele] durch den Triesenberger Pfarrer Johann Baptist Büchel dem Älteren


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] und die übrigen Geschwister in Triesenberg [1]   

08.12.1876, Freeport (Illinois)

Vielgeliebte Geschwisterte!

Ich habe Dein leztes Schreiben erhal-
ten, und darin gesehen, das ihr alle
gesund seid, und das Du liebe Schwe-
ster J. [Juliana] keine Lust hast nach Amerika
zu kommen. Vor allem verzeihe eins
liebe Schwester, dass [2] ich dich so lange
ohne Nachricht liess, den ich habe
schon lange hin u. her gedacht, aber
ich kan mich nicht entschliessen nach
nach nach meiner Heimath zurück zu
kehren, es ist nicht um mich, aber um
meine Kinder. Ich habe wohl schon
oft gedacht seitdem mein liebes
kleines [„Liene“ Lampert] gestorben ist ich möchte die
Welt an ein Ende laufen, aber ich
muss auch noch für meine zwei
anderen sorgen [Julius Lampert, Theresia Lampert]. Wir sind Gott sei
Dank gesund, nur lange Zeit, wir
haben aber recht kaltes Wetter, [3]
es scheint, das wir einen strengen
Winter bekomen. Der Arnold hat
mir auch geschrieben lezten Sommer, ich
habe ihm wieder geantwortet es
wundert mich ob er den Brief erhalten
hat od. nicht. Es sind hier gerade
jezt keine guten Zeiten, den die
Geschäfte gehen nicht ganz gut, aber
ich kan jedoch nicht klagen, es ist im
November ein frischer Präsendent [Samuel J. Tilden]
gewählt worden, u. diesmahl haben
die Demokraten gesiegt, die Rebub-
likaner wollen es nicht gelten lassen
u. suchen es auf alle Arten zu drehen, das
sie es wieder ans Ruder kommen, den
sie haben schon 16 Jahre gesiegt u. das
Land in viele Schulden gebracht u. haben
noch nicht genug, u. desshalb befürchtet
man hier Krieg, der Arnold kan es dir
besser sagen, Du verstehst mich doch nicht so gut.
Ich bitte Dich liebe Schwester schicke
mir die Pfothografie, mein Julius [4]
geht nächstes Frühjahr zur ersten hl.
Komunion u. da werde ich unsere
Bilder auch nehmen lassen u. sie Dir schicken.
Heute ist es 14 Jahre, das unsere liebe gute
Mutter [Kreszenz Schädler [-Sele]] krank geworden ist, u. ich schike
Dir in diesem Brief ein Gold Thaler,
lasse für unsere guten Eltern 2 hl. Messen
lesen, das andere behalt für Dich. Ich könte
sie hier auch lesen lassen, aber hier kostet
1 Messe 1 Thl., u. ein Amt 3 Thl., und zudem
kein so frommer Priester wie ihr dort habt.
Liebe schreibe mir recht bald und viel, was alle
meine Geschwister, Vetter u. Basen
machen u. alle Neuigkeiten, unsere
Zeitungen schreiben, dass in Europa
Krieg in Aussicht ist, schreibe mir
hierüber. Liebe Schwester grüss mir
den H. Pfarrer [Johann Baptist Büchel d. Ä.] u. ich bedanke mich
vielmahl für seine tröstlichen Worte
wo er mir gab. Grüsse mir den
Lehrer u. seine Famile, Arnold u.
Ferdinand u. alle meine Bekante
u. Verwandte. [5]

Liebe Schwester ich wünsche
Euch allen ein glükliches freudiges
Neujahr, möge der liebe Gott Dich
mit Deinem Kinde [Kreszenz Sele] gesund u. wohl
erhalten, ich und meine Kinder
grüssen Dich und Dein Kind hundert
tausend mahl u. ich Verbleibe Deine
Dich nie vergessende Schwester

Karolina Lampert 

Dieses Zeitungsstük [6] habe ich aus unserer
katholischen Zeitung herausgeschnitten
da könt ihr sehen was die Demokraten
u. Rebublikaner sind, gebe es dem
Arnold, u. er möchte mir wieder
schreiben.

______________

[1] LI LA PA 188/005. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Liegt nicht mehr bei.