Ferdinand Marock an seinen Bruder Wilhelm Marock über das wechselseitige Abonnement von Zeitungen, die Zusendung eines Familienporträts, gemeinsame Kindheitserinnerungen, die Wirtschaftskrise in Amerika sowie die Viehpreise in Liechtenstein


Handschriftliches Originalschreiben des Ferdinand Marock, Mauren, an seinen Bruder Wilhelm Marock in Indiana [1]

18.01.1895, Mauren

Liber Bruder!

Es dürfte wirklich zu einem unverzeihlichen
Akten gehören, dass [2] ich in meinem letzten Brief
vom 27/11 1894 welcher ich Dir schrieb nicht mit einem
Wort von der Erhaltung Deiner sehr werth geschäz-
ten Zeitung resp. [3] freien Presse erwähnung
that, noch weniger einen Dank abstattete.
Ich konnte es anfänglich nicht glauben, da ich
in Deinem Brief vom 12/12 die Reklamanie las,
erst als ich mich in meinem Conzeptbuch
überzeugte, wo ich jedes Schreiben eintrage,
so sah ich; dass ich die bornirte Dumheit be-
gangen habe, u. es ist einfach meiner Ver-
gesslichkeit zuzuschreiben. Also die freie
Presse ist regelmässig an jedem Donners-
tag kosten frei angekommen. Ich verzichte aber
gerne auf dieses Opfer welches Du für mich
wegen dieser Zeitung erbringst; da ich doch
einsehen muss, dass Du gewiss jeder Cent [4]
bei einer so schweren familie als allein
Ernährer in Anspruch nehmen musst. Trotzdem
ich ein grosser freund von Zeitung lesen bin.
Ich habe Dir die Lichtenstzeitung nur Grund-
dessen geschickt; dass ich in meinen Briefen
an Dich keine Lokal u. Landesneuigkeiten
zu schreiben brauche, aber ich hatte nicht die
leiseste Ahnung davon das ich eine solche
von Dir erwarte u. Dich zu unnöthigen Auslagen
veranlasssen wollte. Also sei Dir an dieser
Stelle mein doppelter verbindlichster Danck
dafür gewidmet. Die Lichtenstz. ist abonirt
bis 31 Dez. 95. wenn sie allfällig solte aus-
bleiben es berichten. Aber [5] gleichsam mit
einer Sehnsucht erwarten wir nahmenlich
meine Frau [Wilhelmina Marock [-Marxer]] u. Tocht. Theresia [Kieber [-Marock]] auf Dein
angeregtes Familiporträt welches ich Dir
versichere den schönsten Platz in meinem
Wohnzimmer einnehmen sole; also schon
zum vorhinein unser verbindlichster Dank
dafür. [6]

Meiner Frau u. Kinder erzählte ich schon
öfters; dass Du einer von meinen libsten
Brüder warst, ich erzählte ihnen wie Du
mich als gleiner Bub schwimmen lerntest
(ins Zollers weiher) od. im Jahr 1861 beim
Kälbilhüten wie Du aus Armuth gleichsam
wie Robison eine Sonnenuhr auf dem
gleinen fall erichtest, wo ich Dir behilflich
war u. Andreas [Marock]; dieselbe war allerdings
weit entfernt der Edison nischen Kunst-
werke Amerikas, aber entsprach unsern
Anforderungen vollständig; oder kanst
Du Dich auch noch erinnern mit welcher
angestrengten Mühe wir das Wabelikälble
auf der Plankneralp einfingen u. s. w.
Nun will ich von diesem abentheuerlichen
Tema abrechen u. überblicke Dein Brief,
wo Du mir von den schlechten Zeiten Amerikas
bekundest. Gerade zu schlechte Zeiten kann
man sie hier nicht nennen. Denn alle Produk-
ten [7]
finden zu gutem Preis Absatz. Der Verdienst
ist mitelmässig gut von 1 fl. [Gulden] 50 [Kreuzer] bis 2 fl.
per Tag. Denn Kapitallisten braucht man
heutzutag nicht starck fläkeln [8] den zu 4 u. 4 ½
prozent gibt es genug Geld. Von den fabel-
haften nidrigen Vihpreiss wie Du mir geschri-
ben hast, merkt man hier gerade das
Gegentheil; den um 200 fl. gibt es noch
keine Ausnahm schöne Kuh, hat man
doch im letzten Nov. dem Jakob Batlinner
in Eschen für sein prämirtes Rind
950 Frank. geben wollen u. denoch nicht
los geschlagen. Bevor ich schliesse muss
ich noch eine frage stellen hast Du dem
Josef [Marock] geschrieben o. nicht.

Also zum Schlusse herzliche Grüsse
von Mutter [Genofeva Marock [-Meier]], Brüder meiner frau u.
Schwiegervater [Jakob Marxer] in Eschen an Dich u.
Deine Familie.

Ferdinand.

______________

[1] US PA Delph Donna. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] In lateinischer Schrift. Im Folgenden kursiv gesetzt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Unterstrichen.
[6] Seitenwechsel.
[7] Seitenwechsel.
[8] „fläckeln“: schmeicheln.